Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; Verfahrensrügen
Leitsatz (NV)
1. Wird der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf den Verlust der Rechtsmittelschrift oder die Verzögerung bei der Postbeförderung gestützt, so sind die Tatsachen, aus denen sich die rechtzeitige Aufgabe des fristwahrenden Schriftsatzes zur Post ergibt, vollständig vorzutragen. Dazu gehört die substantiierte Angabe, zu welchem Zeitpunkt der Briefumschlag mit dem Schriftsatz von welcher Person und auf welche Weise zur Post aufgegeben worden ist.
2. Zu den Anforderungen an Verfahrens rügen (Verletzung der Sachaufklärungspflicht und des rechtlichen Gehörs).
Normenkette
FGO § 56 Abs. 1, 2 S. 2, § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 3 S. 3, § 120 Abs. 2 S. 2
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
1. a) Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat die Beschwerdefrist von einem Monat, innerhalb derer die Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen ist (§ 115 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --), versäumt. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist dem Kläger am 22. März 1994 zugestellt worden; die Beschwerdeschrift ist erst am 18. Juli 1994 beim FG eingegangen.
b) Dem Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung dieser Frist (§ 56 Abs. 1 FGO) kann nicht entsprochen werden, da die Tatsachen zur Begründung des Antrags nicht glaubhaft gemacht worden sind (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO).
Der Antrag kann nur Erfolg haben, wenn die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, sofern sie nicht offenkundig oder gerichtsbekannt sind, schlüssig vorgetragen werden. Im Streitfall beruft sich der Kläger darauf, die Beschwerdeschrift sei rechtzeitig innerhalb der Rechtsmittelfrist am 15. April 1994 zur Post aufgegeben worden. Der Verlust dieser Beschwerdeschrift müsse auf einem Fehler bei der Post oder innerhalb der Verwaltung des FG beruhen. Bei Berufung des Antragstellers auf Verlust der Rechtsmittelschrift oder Verzögerung bei der Postbeförderung sind die Tatsachen, aus denen sich die rechtzeitige Aufgabe des fristwahrenden Schriftsatzes zur Post ergibt, vollständig vorzutragen. Dazu gehört die substantiierte Angabe, zu welchem Zeitpunkt (Tag und Uhrzeit) der Briefumschlag mit dem Schriftsatz von welcher Person und auf welche Weise (Einwurf in einen bestimmten Postbriefkasten) zur Post aufgegeben worden ist (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 12. April 1989 II B 197/88, BFH/NV 1990, 298, 299; Beschluß des Bundesgerichtshofs -- BGH -- vom 25. Oktober 1990 VII ZB 9/90, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1991, 619, 620; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 56 Rz. 49). Diese Angaben sind glaubhaft zu machen, was z. B. gemäß § 155 FGO i. V. m. § 294 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung durch eine eidesstattliche Erklärung derjenigen Person, die den Brief aufgegeben hat, geschehen kann.
Diesen Begründungsanforderungen wird der Wiedereinsetzungsantrag des Klägers nicht gerecht. Er enthält ohne Angabe der damit verbundenen näheren Umstände lediglich die Behauptung, die Beschwerdeschrift sei am 15. April 1994 zur Post aufgegeben worden. Zum Beweis hierfür wird der Steuerbevollmächtigte A, der Prozeßbevollmächtigte im finanzgerichtlichen Verfahren, als Zeuge benannt. Abgesehen davon, daß zur Glaubhaftmachung i. S. des § 56 Abs. 2 Satz 2 FGO nur präsente Beweismittel angeboten werden dürfen (Gräber/Koch, a.a.O., § 56 Rz. 52), ergibt sich aus dem Beweisantritt auch nichts für die Schlüssigkeit der Tatsachenbehauptung des Klägers. Denn nach der in Kopie vorgelegten Beschwerdeschrift (vom 12. April 1994) stammt diese, wie der Briefkopf und die Unterschrift zeigen, von dem Kläger persönlich. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der Prozeßbevollmächtigte, der nur im erstinstanzlichen Verfahren aufgetreten ist, der unter einer anderen Anschrift als der Kläger wohnhaft ist und der die Beschwerdeschrift nicht erstellt hat, deren Aufgabe zur Post an einem bestimmten Tage soll bezeugen können. Da somit Tatsachen, die die Wiedereinsetzung rechtfertigen könnten, weder schlüssig vorgetragen noch glaubhaft gemacht worden sind, konnte dem Wiedereinsetzungsantrag des Klägers nicht entsprochen werden.
2. Die Beschwerde wäre auch deshalb unzulässig, weil sie den formellen Anforderungen an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht entspricht.
Die Beschwerdeschrift enthält im wesentlichen Einwendungen gegen die tatsächliche und rechtliche Würdigung des FG, die die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO nicht rechtfertigen können. Als Zulassungsgründe im Sinne der vorstehenden Bestimmung rügt der Kläger lediglich Mängel der Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) und die Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2 FGO), weil das FG ihm die Einlassungen der beigeladenen Steuerberaterkammer nicht mitgeteilt habe. Diese Verfahrensrügen sind nicht in der gesetzlich gebotenen Weise erhoben worden (§ 115 Abs. 3 Satz 3, § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO). Der Kläger hat nicht dargetan, daß das FG angebotene Beweise nicht erhoben hat; soweit die Verletzung der Amtsermittlungspflicht gerügt sein sollte, fehlt es insbesondere an der Darlegung, welche Beweismittel das FG nicht erhoben hat, warum der selbst sachkundige und durch einen Prozeßbevollmächtigten vertretene Kläger nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat, warum aber die Beweiserhebung sich dem FG auch ohne besonderen Antrag hätte aufdrängen müssen (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz. 40). Im Hinblick auf die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs hat der Kläger nicht dargelegt, zu welchen Einlassungen der beigeladenen Steuerberaterkammer, auf die das FG-Urteil gestützt worden sei, er sich nicht habe äußern können. Eine derartige Bezeichnung des gerügten Verfahrensmangels wäre auch nicht möglich gewesen, weil die beigeladene Steuerberaterkammer im Verfahren vor dem FG keine Schriftsätze eingereicht hat und im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegt somit nicht vor.
Fundstellen
Haufe-Index 423825 |
BFH/NV 1995, 704 |