Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag einer juristischen Person oder parteifähigen Vereinigung auf PKH
Leitsatz (NV)
Eine inländische juristische Person oder parteifähige Vereinigung erhält nur PKH, wenn die Kosten des Rechtsstreits weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde.
Dazu ist die Darlegung erforderlich, dass außer den an dem Prozess wirtschaftlich Beteiligten (Mitglieder) ein erheblicher Personenkreis durch die Unterlassung der Rechtsverfolgung benachteiligt würde (Bestätigung der Rechtsprechung).
Normenkette
FGO § 142 Abs. 1; ZPO § 116 S. 1 Nr. 2
Tatbestand
I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist ein eingetragener Verein. Sein satzungsmäßiger Zweck ist "die Förderung des Wohlfahrtswesens durch den Zusammenschluss von Rentnern, Arbeitslosen, Sozialhilfeempfängern und Schwerbehinderten insbesondere … Herkunft, die als Minderheiten aufgrund ihrer sozialen Situation und der sprachlichen Probleme besonders benachteiligt sind und daher der Hilfe bei der Wahrnehmung ihrer sozialen und ökonomischen Rechte und Betreuung in schwierigen Lebenssituationen in besonderem Maße bedürfen".
Der Antragsgegner (das Finanzamt ―FA― ) erkannte den Antragsteller als nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) von der Körperschaftsteuer befreit an, da er gemeinnützige Zwecke verfolge. Der Bescheid enthält jedoch den Hinweis, dass der Antragsteller keine steuerbegünstigten Zwecke i.S. von § 10b des Einkommensteuergesetzes (EStG), § 9 Nr. 3 KStG und § 9 Nr. 5 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) fördere, so dass förmliche Spendenbescheinigungen nicht ausgestellt werden dürften.
Dagegen hat der Antragsteller Klage erhoben.
Für die Durchführung des Klageverfahrens hat er Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.
Das Finanzgericht (FG) lehnte den Antrag ab.
Es führte aus, trotz Aufforderung habe der Antragsteller nicht dargelegt, dass die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. Dazu sei erforderlich, dass außer den an der Führung des Prozesses wirtschaftlich Beteiligten ein erheblicher Personenkreis durch die Unterlassung der Rechtsverfolgung in Mitleidenschaft gezogen werden könne. Entsprechende Umstände seien auch aus den Akten nicht ersichtlich.
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.
Allgemeine Interessen seien berührt, wenn ein Antragsteller ohne PKH gehindert wäre, eine der Allgemeinheit dienende Aufgabe zu erfüllen, oder wenn die Entscheidung größere Kreise der Bevölkerung oder das Wirtschaftsleben berühre und soziale Wirkungen haben könnte. Der Bundesfinanzhof (BFH) stelle dabei auf einen erheblichen Kreis von Personen außer den an der Führung des Prozesses wirtschaftlich Beteiligten ab.
Der Antragsteller finanziere sich ausschließlich über Spenden und Mitgliedsbeiträge. Satzungsmäßig erbringe er gemeinnützige Leistungen zugunsten seiner Mitglieder, darüber hinaus aber auch zugunsten von Nichtmitgliedern. Zweck des Vereins sei die Förderung der Wohlfahrtspflege, die Durchführung von Weiterbildungsmaßnahmen und die Förderung der Integration ausländischer Mitbürger. Dadurch leiste er einen erheblichen Beitrag zum Wohle der Allgemeinheit. Daran wäre der Antragsteller auf Dauer erheblich gehindert, wenn an ihn gerichtete Spenden und Beiträge nicht steuerbegünstigt wären. Die Steuerbegünstigung habe erfahrungsgemäß einen erheblichen Einfluss auf die Spendenbereitschaft zugunsten eines bestimmten Vereins. Daher müsse der Antragsteller ―seit dem Wegfall der Voraussetzungen für deren steuerliche Abzugsfähigkeit― weitere Ausfälle an Spenden und Beiträgen befürchten. Die begehrte Anerkennung sei daher zwingende Voraussetzung für die weitere Arbeit des Antragstellers, die einem erheblichen Personenkreis zugute komme.
Das FA tritt der Beschwerde unter Bezugnahme auf die Begründung der Vorentscheidung entgegen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
Auch unter Zugrundelegung des Beschwerdevorbringens ist die Vorentscheidung nicht zu beanstanden.
Nach § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. den §§ 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine inländische juristische Person oder parteifähige Vereinigung erhält hingegen nur dann PKH, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde (§ 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Dazu ist erforderlich, dass außer den an dem Prozess wirtschaftlich Beteiligten (Mitglieder) ein erheblicher Personenkreis durch die Unterlassung der Rechtsverfolgung benachteiligt würde (BFH-Beschlüsse vom 29. September 1997 V S 11/96, BFH/NV 1998, 493; vom 24. November 1998 V B 89/98, BFH/NV 1999, 653; vom 21. Juli 1999 I S 6/98, BFH/NV 2000, 65; vgl. auch Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 142 Anm. 10, m.w.N.). Diese Einschränkung der PKH für juristische Personen ist nicht verfassungswidrig (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Juli 1973 1 BvR 153/69, BVerfGE 35, 348, 356 f.).
Das Vorliegen der genannten Voraussetzungen hat der Antragsteller auch in der Beschwerdebegründung nicht dargelegt. Nicht hinreichend ist sein Hinweis darauf, dass die Spendenbereitschaft durch steuerliche Begünstigung der Spenden gefördert werde und die Behauptung, dass der Antragsteller ohne die beabsichtigte Rechtsverfolgung an der Erfüllung seiner der Allgemeinheit dienenden Aufgaben behindert würde. "Darlegung" erfordert die Darstellung der erheblichen Tatsachen (BFH-Beschlüsse vom 23. Juli 1999 I B 2/99, BFH/NV 1999, 1637; vom 4. April 1995 V S 1/95, BFH/NV 1995, 1008). Daher wäre jedenfalls erforderlich gewesen, darzustellen, ob und in welchem Umfang der Antragsteller durch die Unterlassung der Rechtsverfolgung an der Erfüllung seiner der Allgemeinheit dienenden Aufgaben gehindert wäre und dadurch ein erheblicher Kreis von Nichtmitgliedern des Antragstellers entgegen dem Interesse der Allgemeinheit merklich in Mitleidenschaft gezogen würde. Diese Voraussetzungen könnten beispielsweise vorliegen, wenn von der Durchführung des Prozesses die Erhaltung einer großen Zahl von Arbeitsplätzen abhängt (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 26. Mai 1982 I B 98-99/81, BFHE 136, 62, BStBl II 1982, 600).
Allgemeine Interessen des Antragstellers selbst an der Rechtsverfolgung reichen für die Bewilligung von PKH nicht aus (BFH-Beschlüsse vom 23. Oktober 1985 I B 33/85, BFH/NV 1986, 485; in BFH/NV 1999, 653). Darunter fällt auch das vom Antragsteller bezeichnete Interesse an ausreichendem Spendenaufkommen; es betrifft jeden Verein. Auch wenn die Minderung des Spendenaufkommens einen wesentlichen Nachteil für den jeweiligen Verein bedeuten kann (vgl. Senatsbeschluss vom 23. September 1998 I B 82/98, BFHE 186, 433, BFH/NV 1999, 105), berührt dieser Umstand allein nicht das Interesse der Allgemeinheit.
Fundstellen
Haufe-Index 426172 |
BFH/NV 2000, 1227 |