Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Form der Vollmacht und zur Gewährung von PKH für den Rechtsnachfolger
Leitsatz (NV)
- Eine unvollständig ausgefüllte Vollmacht ist unschädlich, wenn sie einem Schriftsatz beigeheftet ist, aus dem sich die noch erforderlichen Angaben ergeben.
- Nimmt der Rechtsnachfolger ein Gerichtsverfahren auf, das der Rechtsvorgänger bis zu seinem Tode betrieben hat, so kommt es für die Gewährung von PKH auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Rechtsnachfolgers an. Eine vom Rechtsnachfolger erhobene Bedürftigkeitseinrede gemäß § 1990 BGB begründet für ihn keinen Anspruch auf Gewährung von PKH.
Normenkette
FGO § 62 Abs. 3, § 142; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1 S. 2; ZPO § 116 S. 1 Nr. 1, § 117 Abs. 2-4, § 239; BGB §§ 1967, 1978, 1981, 1990-1991
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Der Zulässigkeit der Beschwerde steht die nicht vollständig ausgefüllte Vollmacht nicht entgegen. Zwar läßt die gemäß § 62 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. Art. 1 Nr. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs im Beschwerdeverfahren gegen die Versagung von Prozeßkostenhilfe (PKH) erforderliche Vollmacht nicht den Verfahrensgegenstand erkennen, sondern weist nur die Unterschrift des bevollmächtigenden Antragstellers, Ort und Datum der Unterschrift sowie die Bevollmächtigten aus. Jedoch ergibt sich aus der Beiheftung der Vollmacht zum Schriftsatz vom 14. April 1999, in dem der Rechtsstreit genau bezeichnet ist, daß die Vollmacht zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens ermächtigt. Denn durch diese Beiheftung hat die eingereichte Vollmachtsurkunde einen hinreichend konkreten Bezug zum hier zu entscheidenden Streitfall erhalten (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Oktober 1989 VI B 163/89, BFH/NV 1990, 648; BFH-Urteil vom 20. September 1991 III R 33/90, BFH/NV 1992, 520; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 62 Rdnr. 29 a).
2. Zu Recht hat das Finanzgericht (FG) den Antrag auf PKH mit der Begründung abgelehnt, der Antragsteller habe seinem Antrag keine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt.
a) Nach § 142 FGO i.V.m. § 117 Abs. 2 bis 4 der Zivilprozeßordnung (ZPO) sind dem Antrag auf Bewilligung von PKH eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen. Die Erklärung ist auf dem durch die Verordnung vom 17. Oktober 1994 (BGBl I 1994, 3001) --PKHVV-- eingeführten amtlichen Vordruck abzugeben.
Nimmt ein Antragsteller als Rechtsnachfolger gemäß § 155 FGO i.V.m. § 239 Abs. 1 ZPO Verfahren auf, die dessen Rechtsvorgänger bis zu seinem Tode betrieben hat, so kommt es für die Gewährung von PKH auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers --und nicht auf die des Rechtsvorgängers-- an. Dementsprechend trifft den Antragsteller die in § 142 FGO i.V.m. § 117 Abs. 2 bis 4 ZPO beschriebene Verpflichtung zur Abgabe der Erklärung auf dem dafür vorgesehenen Vordruck. Daß auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers als Rechtsnachfolger abzustellen ist, ergibt sich daraus, daß es sich bei der PKH um eine höchstpersönliche Berechtigung handelt, die einer nichtvermögenden Partei die Prozeßführung ermöglichen soll und personengebunden bewilligt wird; dementsprechend wird in § 114 ZPO, der nach § 142 FGO auch im Finanzgerichtsverfahren anwendbar ist, auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei abgestellt (zum Rechtscharakter der PKH vgl. Bundessozialgericht, Beschluß vom 2. Dezember 1987 1 RA 25/87, Monatsschrift für Deutsches Rechts 1988, 610; Bundesgerichtshof --BGH--, Urteil vom 26. Oktober 1989 III ZR 147/88, BGHZ 109, 163, 168; Oberlandesgericht --OLG-- Frankfurt a.M., Beschluß vom 12. November 1984 17 U 245/83, Neue Juristische Wochenschrift 1985, 751; Oberverwaltungsgericht Hamburg, Beschluß vom 13. Februar 1996 Bs IV 313/95, Deutsches Verwaltungsblatt 1996, 1318). Somit erlischt die Bewilligung von PKH mit dem Tode einer Partei und kann ihrem Rechtsnachfolger auf dessen Antrag hin nur bewilligt werden, wenn dieser die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung von PKH in seiner Person erfüllt (vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschluß vom 21. September 1995 22 U 26/88, NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 1996, 776; Bork in Stein-Jonas, Zivilprozeßordnung, 21. Aufl., vor § 114 II Rdnr. 14; Zöller/Philippi, Zivilprozeßordnung, 21. Aufl., § 114 Rdnr. 12; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 57. Aufl., § 119 Rdnr. 26).
b) Nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen hätte der Antragsteller eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem dafür vorgesehenen Vordruck (§ 142 FGO i.V.m. § 117 Abs. 3, Abs. 4 ZPO i.V.m. § 1 PKHVV) einreichen müssen, nachdem er mit Schriftsatz vom 26. Oktober 1998 die vom Erblasser betriebenen Klageverfahren gemäß § 115 FGO i.V.m. § 239 Abs. 1 ZPO aufgenommen und hierfür PKH beantragt hatte. Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß bereits der Erblasser Anträge auf Gewährung von PKH gestellt hat und diese vom FG nicht beschieden worden sind; denn wie unter 2. a) der Gründe ausgeführt, wäre eine Bewilligung von PKH für den Erblasser jedenfalls mit dessen Tode erloschen und nicht auf den Antragsteller als Rechtsnachfolger übergegangen.
Auch der Umstand, daß der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner (Finanzamt) die Bedürftigkeitseinrede nach § 1990 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) erhoben hat, vermag den Erfolg des PKH-Antrags nicht zu begründen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers führt die Einrede nach § 1990 BGB im Bereich des PKH-Rechts nicht dazu, daß auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisses des Erblassers abzustellen ist. Die Einrede der Dürftigkeit bzw. Unzulänglichkeit des Nachlasses gemäß § 1990 BGB kann lediglich Nachlaßgläubigern entgegengehalten werden, um die den Erben nach § 1967 BGB treffende Haftung auf den Nachlaß zu beschränken (§ 1990 Abs. 1 BGB). Die Einrede ist aber nicht anspruchsbegründend und daher nicht geeignet, die Bewilligung von PKH, die eine Leistung der staatlichen Daseinsfürsorge und als Bestandteil der Rechtsschutzgewährung eine Einrichtung der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege darstellt (vgl. BGH-Urteil in BGHZ 109, 163, 168), herbeizuführen.
Zu Unrecht nimmt der Antragsteller des weiteren an, daß er infolge der von ihm erhobenen Dürftigkeitseinrede gemäß § 1990 BGB als gesetzlicher Nachlaßverwalter anzusehen sei und es daher wie bei einer Partei kraft Amtes i.S. von § 142 FGO i.V.m. § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die verwaltete Vermögensmasse und nicht auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei ankomme. Zwar wird der Antragsteller, wenn er die Dürftigkeitseinrede i.S. von § 1990 BGB erhebt, der Haftung eines Nachlaßverwalters ausgesetzt (§ 1991 Abs. 1 i.V.m. § 1978 BGB); er ist aber nicht als Nachlaßverwalter und damit als Partei kraft Amtes i.S. von § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO anzusehen, weil es an einer Anordnung durch das Nachlaßgericht gemäß § 1981 Abs. 1 BGB fehlt und der Erbe als vom Nachlaß betroffene Person nicht zum Nachlaßverwalter bestellt werden kann (vgl. Siegmann in Münchener Kommentar, Bürgerliches Gesetzbuch, 3. Aufl., § 1981 Rdnr. 8, m.w.N.).
Schließlich ist es entgegen der Auffassung des Antragstellers unerheblich, ob er von dem Schreiben des FG vom 2. November 1998, mit dem er aufgefordert wurde, eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einzureichen, und das nach der Zustellung des PKH-Beschlusses vom 22. Dezember 1998 ungeöffnet am 2. März 1999 von der Deutschen Post AG an das FG mit dem Hinweis "Zurück/Retour - nicht abgeholt" zurückgeleitet wurde, Kenntnis hätte nehmen können. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das FG zu einem derartigen Hinweis auf die Verpflichtung zur Abgabe der Erklärung i.S. von § 117 Abs. 2 bis 4 ZPO überhaupt verpflichtet gewesen ist (zur Hinweispflicht bei ergänzungsbedürftigen PKH-Anträgen vgl. BFH-Beschlüsse vom 17. März 1987 VII B 152/86, BFH/NV 1987, 733; vom 25. April 1988 X B 180/87, BFH/NV 1989, 251; vom 29. Oktober 1993 XI B 42/93, BFH/NV 1994, 655). Denn jedenfalls wußte der --juristisch ausgebildete-- Antragsteller aus den von ihm betriebenen Parallelverfahren, mit denen er PKH für die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1983 und 1988 begehrte, daß er eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemäß § 142 FGO i.V.m. § 117 Abs. 2 bis 4 ZPO auf dem dafür vorgeschriebenen Vordruck einzureichen hatte. Zudem war er --wie sich aus seinen Schriftsätzen in den genannten Parallelverfahren und aus seiner Beschwerdebegründung im Streitfall ergibt-- ohnehin nicht bereit, seine eigenen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu erklären, weil er die Ansicht vertrat, es käme für die Gewährung von PKH allein auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Erblassers an.
Fundstellen
Haufe-Index 422532 |
BFH/NV 2000, 201 |