Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde: Verletzung der Sachaufklärungs- und Hinweispflicht
Leitsatz (NV)
- Zu den Anforderungen an die Rüge mangelnder Sachaufklärung wegen Nichterhebung angebotener Beweise.
- Das Gericht ist nicht verpflichtet, die Beteiligten zu einer Substantiierung ihres Sachvortrages zu veranlassen, wenn die rechtliche Bedeutung der vorzutragenden Tatsachen für den Ausgang des Klageverfahrens auf der Hand liegt. Das gilt insbesondere dann, wenn die Kläger steuerlich beraten und im Prozess entsprechend vertreten waren.
Normenkette
FGO §§ 76, 94, 155; ZPO § 160 Abs. 4, §§ 164, 295
Gründe
Die Begründung entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen i.S. von § 115 Abs. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) ―im Folgenden: FGO n.F.―.
Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO n.F. muss die Begründung der Beschwerde den Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO n.F. genügen, d.h. in der Beschwerdeschrift muss entweder dargelegt werden, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert, oder dass ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Diese Voraussetzungen sind in der Beschwerdeschrift auch nicht andeutungsweise dargelegt worden.
1. Mit der Rüge, das Finanzgericht (FG) habe durch Nichterhebung angebotener Beweise ―im Streitfall: Vernehmung des Zeugen X― seine Sachaufklärungs- und Hinweispflicht (§ 76 FGO) verletzt, machen die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) zwar einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO n.F. geltend. Den Anforderungen dieser Vorschrift genügt ihr Vorbringen aber nicht, denn die Rüge mangelnder Sachaufklärung wegen Nichterhebung angebotener Beweise setzt nach ständiger BFH-Rechtsprechung (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Dezember 1998 VIII B 54/97, BFH/NV 1999, 802, m.w.N., und BFH-Beschluss vom 20. März 1997 XI B 182/95, BFH/NV 1997, 777, m.w.N.) voraus, dass der Beschwerdeführer darlegt:
a) die ermittlungsbedürftigen Tatsachen,
b) die angebotenen Beweismittel und die dazu angegebenen Beweisthemen,
c) die genauen Fundstellen (Schriftsatz mit Datum und Seitenzahl, Terminprotokolle), in denen die Beweisthemen angeführt worden sind,
d) das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme und
e) inwiefern das Urteil des FG aufgrund dessen sachlich-rechtlicher Auffassung auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann.
Da § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung der Prozessbeteiligte ―ausdrücklich oder durch Unterlassen der Rüge― verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung ―ZPO―), muss außerdem vorgetragen werden, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb die Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 6. Juni 1994 I B 19-21/94, BFH/NV 1995, 441; vom 19. August 1994 X B 124/94, BFH/NV 1995, 238).
Diesen Anforderungen wird der Vortrag der Kläger nicht gerecht. Das Übergehen eines Beweisantrages kann nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn der Beteiligte den Verfahrensmangel in der mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht gerügt hat, obwohl dort zu erkennen war, dass das Gericht den Beweis nicht erheben wird (vgl. BFH-Beschluss vom 31. Januar 1989 VII B 162/88, BFHE 155, 498, BStBl II 1989, 373). Dass die Kläger das Übergehen eines Beweisantrages gerügt hätten, ergibt sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10. Januar 2002 jedoch nicht. Die Kläger hätten vortragen müssen, in der mündlichen Verhandlung eine Protokollierung der Rüge verlangt, und ―im Falle der Weigerung des Gerichts, die Protokollierung vorzunehmen― eine Protokollberichtigung gemäß § 94 FGO i.V.m. den §§ 160 Abs. 4, 164 ZPO beantragt zu haben (vgl. BFH-Beschluss vom 9. November 1999 II B 14/99, BFH/NV 2000, 582). Dazu fehlt jeglicher Vortrag.
Hinsichtlich der Rüge, das FG habe die Streitsache mit den Beteiligten nicht hinreichend erörtert und damit seine Hinweispflicht verletzt, nimmt der Senat auf die ständige Rechtsprechung des BFH Bezug, nach der § 76 Abs. 2 FGO das FG nicht verpflichtet, die Beteiligten zu einer Substantiierung ihres Sachvortrags zu veranlassen, wenn die rechtliche Bedeutung der vorzutragenden Tatsachen für den Ausgang des Klageverfahrens auf der Hand liegt (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 4. August 1999 VIII B 51/98, BFH/NV 2000, 204). Das gilt insbesondere dann, wenn die Kläger steuerlich beraten und im Prozess entsprechend vertreten waren (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2000, 204). Die Kläger hätten deshalb darlegen müssen, weshalb das FG auch bei diesem rechtlichen Ausgangspunkt seine Fürsorgepflicht gegenüber den Klägern verletzt haben soll, zumal das FG die Streitsache ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 10. Januar 2002 mit den Beteiligten erörtert hat.
2. Die Rüge, das FG habe mit der Zurechnung von Gutschriften aus der Einlösung von Schecks über eine Gesamtsumme von … DM und mit der Bemerkung, "Auch die Schätzung weiterer Kapitalvermögenseinkünfte aus einer Geldanlage in Luxemburg hält einer gerichtlichen Überprüfung stand", worin die Billigung der Maßnahmen des Beklagten und Beschwerdegegners (Beklagter) liege, seine Sachaufklärungspflicht verletzt und gegen die Grundsätze der Beweislast und Beweiswürdigung verstoßen, ist ebenfalls unzulässig erhoben.
Für eine schlüssige Rüge, das FG habe gegen seine Verpflichtung zur Sachverhaltsermittlung verstoßen, hätten die Kläger vortragen müssen, zu welchen konkreten Tatsachen weitere Ermittlungen geboten waren, welche Beweismittel zu welchem Beweisthema das FG hätte erheben müssen, wo Tatsachen vorgetragen waren, aus denen sich dem FG die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen auch ohne einen entsprechenden Beweisantrag hätte aufdrängen müssen, welches Ergebnis die zusätzliche Erhebung von Beweisen aller Voraussicht nach gehabt hätte und inwieweit die unterlassene Beweiserhebung oder Ermittlungsmaßnahme zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können (vgl. BFH-Urteil vom 24. Februar 1988 I R 143/84, BFHE 152, 500, BStBl II 1988, 819, unter II. 1. der Gründe). Bei der Rüge der Verletzung der Amtsermittlungspflicht des FG muss auch dargelegt werden, warum der sachkundig vertretende Beschwerdeführer nicht von sich aus die Erhebung weiterer Beweise oder die Vornahme bestimmter zusätzlicher Ermittlungen spätestens in der letzten mündlichen Verhandlung beantragt hat (Verzicht des Rügerechts gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO; vgl. oben unter 1. der Gründe, m.w.N.). Ein derartiger Sachvortrag ist der Beschwerdeschrift nicht zu entnehmen.
Inhaltlich wendet sich das Vorbringen der Kläger gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des FG. Darin liegt jedoch nicht die Geltendmachung eines Verfahrensfehlers, sondern falscher materieller Rechtsanwendung, die nicht zur Zulassung der Revision führt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 29. Oktober 1998 X B 132/98, BFH/NV 1999, 510; vom 4. August 1999 IV B 96/98, BFH/NV 2000, 70). Denn sowohl die Sachverhalts- und Beweiswürdigung als auch die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Beweislastverteilung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Februar 2000 I B 40/99, BFH/NV 2000, 874).
3. Die Rüge, das FG sei fälschlicherweise davon ausgegangen, die Schätzung des Beklagten sei der Höhe nach nicht zu beanstanden, den Klägern habe ein Anlagevermögen von ca. … DM zur Verfügung gestanden und die Zahlung für den Sparkassenbrief von … DM könne aus anderen Bargeldbeständen geflossen sein, ist ebenfalls unsubstantiiert. Denn auch insoweit wenden sich die Kläger letztlich gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des FG. Wie der Senat bereits dargelegt hat, machen die Kläger damit keinen Verfahrensfehler, sondern falsche materielle Rechtsanwendung geltend, die nicht zur Zulassung der Revision führt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1999, 510 und in BFH/NV 2000, 70).
In dieser Bewertung der vom Beklagten durchgeführten Schätzung durch das FG liegt auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) aufgrund einer Überraschungsentscheidung des FG. Eine solche ist nach der Rechtsprechung des BFH anzunehmen, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der auch ein kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht rechnen musste (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Mai 1991 1 BvR 1383/90, BVerfGE 84, 188; BFH-Urteil vom 17. Februar 1998 VIII R 28/95, BFHE 186, 29, BStBl II 1998, 505; BFH-Beschlüsse vom 1. Juli 1998 IV B 152/97, BFH/NV 1998, 1511; vom 14. Juni 1999 I B 127/98, BFH/NV 1999, 1609; Senatsurteil vom 23. Februar 2000 VIII R 80/98, BFH/NV 2000, 978). Im Streitfall ist eine Überraschungsentscheidung bereits deshalb zu verneinen, weil das FG ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 10. Januar 2002 die Streitsache mit den Beteiligten tatsächlich und rechtlich erörtert hat und gerade dieser Problemkreis einschließlich der von den Klägern erhobenen Einwendungen ausweislich der Urteilsgründe in der mündlichen Verhandlung zwischen den Beteiligten zur Sprache gekommen ist.
Von einer weiter gehenden Begründung sieht der Senat ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
Fundstellen