Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Vorauszahlungen eines Ehegatten
Leitsatz (NV)
- Im Allgemeinen sollen die Leistungen eines Ehegatten an das FA auch die Steuerschuld des anderen, mit ihm zusammen veranlagten Ehepartners begleichen. Ob der andere Ehegatte in seiner Person Tatbestände verwirklicht hat, die zum Entstehen der die Eheleute als Gesamtschuldner treffenden Steuerschuld geführt haben, oder Einkommensteuervorauszahlungen geleistet hat, ist ohne Bedeutung (st. Rspr.). Dies gilt unabhängig davon, auf welche Weise (Einzelüberweisung oder mittels Einzugsermächtigung) die Tilgung der Steuerschulden bewirkt wird.
- An einer einmal getroffenen Tilgungsbestimmung kann nicht rückwirkend etwas ändern, dass das FA vor der Anrechnung von Vorauszahlungen hat erkennen können, dass eine Gesamtschuld infolge getrennter Veranlagung der inzwischen geschiedenen Eheleute weggefallen ist.
Normenkette
AO 1977 § 44 Abs. 1 S. 1; EStG § 36 Abs. 4 S. 3, § 37 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) möchte erreichen, dass die von seinem Konto aufgrund von ihm erteilter Einzugsermächtigung für die Jahre 1996 und 1997 vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) abgerufenen Einkommensteuervorauszahlungen nicht nur zur Hälfte, sondern zur Gänze auf seine vom FA für diese Jahre festgesetzte Einkommensteuerschuld angerechnet werden.
Der Kläger war in den vorgenannten Jahren verheiratet. Seit Februar 1997 lebte er jedoch von seiner damaligen Ehefrau getrennt. Die Ehe ist im Juli 1998 geschieden worden.
Die früher zusammen veranlagten Eheleute sind für die Streitjahre ―teilweise unter Änderung eines bereits ergangenen Zusammenveranlagungsbescheides― getrennt zur Einkommensteuer veranlagt worden. Die aufgrund früherer Einkünfte des Klägers festgesetzten Vorauszahlungen hat das FA in den Einkommensteuerbescheiden zur Hälfte beim Kläger, zur Hälfte bei dessen ehemaliger Ehefrau berücksichtigt. Wegen der hiergegen vom Kläger erhobenen Einwendungen hat das FA zwei Abrechnungsbescheide erlassen, in denen es an dieser rechtlichen Behandlung der Einkommensteuervorauszahlungen festgehalten hat. Die deswegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, zum Zeitpunkt der Zahlung der Einkommensteuervorauszahlungen habe das FA von einer intakten Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft der Eheleute ausgehen müssen, zumal ihm eine Einzugsermächtigung betreffend die gemeinsame Steuernummer der Eheleute und unter deren gemeinsamer Wohnanschrift erteilt worden sei. Deshalb seien die Zahlungen nach Köpfen aufzuteilen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des Klägers, mit der geltend gemacht wird, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung und das Urteil des FG weiche von dem Urteil des FG Hamburg vom 18. Juni 1998 V 171/94 (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1998, 1499) ab, in dem die Aufteilung nach Köpfen zugunsten einer Aufteilung nach dem Verhältnis der Einkommensteuerschuld verworfen worden sei, welche sich bei einer Einzelveranlagung der Eheleute ergeben würde. Dem FA sei bei Festsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen erkennbar gewesen, dass in den Jahren 1996 und 1997 nur gegen den Kläger Einkommensteuer festgesetzt werden würde, da die Einkommensteuervorauszahlungen lediglich aufgrund der Einkünfte des Klägers im Vorjahreszeitraum festgelegt worden seien.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) weder zur Bewahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) noch wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) erforderlich ist. Die von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage ist in der Rechtsprechung des beschließenden Senats bereits hinreichend geklärt. Es bedarf trotz der abweichenden Auffassung des FG Hamburg in dem von der Beschwerde angeführten Urteil auch keiner Durchführung eines Revisionsverfahrens, um dieser Rechtsprechung des beschließenden Senats zur Geltung zu verhelfen, zumal das FG in der angefochtenen Entscheidung dieser Rechtsprechung gefolgt ist.
Im Einzelnen ist folgendes zu bemerken:
Wie der beschließende Senat bereits in seinem Beschluss vom 10. Februar 2000 VII B 152/99 (BFH/NV 2000, 940) ausgeführt hat, ist durch die Senatsentscheidungen vom 18. Februar 1997 VII R 117/95 (BFH/NV 1997, 482) und vom 25. Juli 1989 VII R 118/87 (BFHE 157, 326, BStBl II 1990, 41) geklärt, dass im Allgemeinen anzunehmen ist, dass die Leistungen eines Ehegatten an das FA auch die Einkommensteuerschuld des anderen, mit ihm zusammen veranlagten Ehepartners begleichen sollen, sofern dieser Annahme nicht ausdrückliche Absichtsbekundungen entgegenstehen. Für die Beurteilung der mit der Zahlung verfolgten Absicht sind dabei nur die Umstände zu berücksichtigen, die dem FA im Zeitpunkt der Zahlung erkennbar sind. Wie sich aus den von dem beschließenden Senat u.a. in dem Urteil in BFH/NV 1997, 482 angestellten Überlegungen unzweideutig ergibt, spielt es dabei keine Rolle, ob der andere Ehegatte in seiner Person Tatbestände verwirklicht hat, die zum Entstehen der die Eheleute als Gesamtschuldner treffenden Steuerschuld (§ 44 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung ―AO 1977―) geführt haben. Ebenso wenig steht es der vorgenannten Annahme, dass Einkommensteuervorauszahlungen auch auf die Steuerschuld des anderen Ehegatten geleistet werden, entgegen, dass nur einer der Ehegatten verpflichtet ist, Einkommensteuervorauszahlungen (§ 37 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―) zu leisten. Denn die Annahme, die Tilgungsabsicht beziehe sich auf die Steuerschuld beider Eheleute, beruht, wie der Senat u.a. in der eben genannten Entscheidung näher ausgeführt hat, auf der bei nicht getrennt lebenden Eheleuten im Allgemeinen bestehenden engen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft, die erwarten lässt, dass ein Ehegatte mit den von ihm auf eine Gesamtschuld der Eheleute geleisteten Zahlungen ungeachtet des rechtlichen und tatsächlichen Grundes des Entstehens der Zahlungsverpflichtung nicht nur seine eigene Schuld tilgen will.
Diese Erwägungen gelten, wie nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf, unabhängig davon, auf welche Weise die Tilgung der Steuerschulden bewirkt wird, ob dies also z.B. durch Einzelüberweisung oder ―wie hier― dadurch geschieht, dass ein Ehegatte dem FA eine Einzugsermächtigung für künftige Steuerschulden der Ehegatten erteilt und das FA von dieser später Gebrauch macht.
Im Streitfall ist diese Rechtsprechung einschlägig. In dem Zeitpunkt, in dem vom Konto des Klägers die strittigen Vorauszahlungen eingezogen worden sind, ―und nur auf diesen Zeitpunkt kommt es, wie ausgeführt, an― hatte das FA keinen Anlass anzunehmen, der Kläger wolle nicht (mehr) auch die Steuerschuld seiner bis dahin noch mit ihm zusammen veranlagten Ehepartnerin begleichen, also Vorauszahlungen auf eine künftig gegen die Eheleute voraussichtlich festzusetzende und von ihnen ―unabhängig davon, wer Einnahmen erwirtschaftet hat― als Gesamtschuldnern zu tragende Einkommensteuerschuld leisten. Dass vor Ergehen dieser Festsetzung bzw. vor Ergehen die ursprüngliche Festsetzung ändernder Bescheide das FA hat erkennen können, dass eine solche Gesamtschuld nicht entstanden ist bzw. die Gesamtschuld infolge Änderung des Einkommensteuerbescheides und getrennter Veranlagung der inzwischen getrennt lebenden bzw. geschiedenen Eheleute weggefallen ist, kann, wie das FG richtig hervorgehoben hat, naturgemäß an der einmal vom Kläger getroffenen Tilgungsbestimmung nicht rückwirkend etwas ändern oder ihr einen anderen Sinn geben, als sie sie aus der Sicht des FA ursprünglich hatte und auch aus der Sicht des Klägers haben sollte. Das Vorbringen der Beschwerde läuft deshalb vielmehr darauf hinaus, das FA müsse bei der Anrechnung von Vorauszahlungen nicht deren Tilgungsbestimmung zugrundelegen, sondern sie demjenigen Steuerschuldner gutschreiben, aus dessen Vermögen sie erbracht worden sind oder der dem FA nach Maßgabe des im Zeitpunkt der Abrechnung wirksamen Steuerbescheides Steuer schuldet. Das aber widerspricht dem Gesetz, wie es der Senat in der vorgenannten Rechtsprechung ausgelegt hat.
Dass das FA gehalten sei, die ihm erkennbaren Interessen des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen und es folglich nicht mehr überzahlte Steuern an einen Ehegatten auszahlen dürfe, wenn es erkennt oder erkennen musste, dass der andere Ehegatte mit dieser Verfahrensweise aus beachtlichen Gründen nicht einverstanden ist, z.B. weil die Eheleute inzwischen geschieden sind oder getrennt leben, hat der Senat in dem Urteil vom 5. April 1990 VII R 2/89 (BFHE 160, 400, BStBl II 1990, 719) zu § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG entschieden, wonach ungeachtet dessen, auf wessen Rechnung Steuerzahlungen geleistet worden sind, bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden sind, die Rückzahlung an einen Ehegatten auch für und gegen den anderen Ehegatten wirkt, so dass es im Ermessen des FA steht, Steuern an einen Ehegatten zurückzuzahlen, auf dessen Rechnung sie nicht gezahlt worden sind. Darum geht es hier indes nicht. Die dem vorgenannten Urteil von der Beschwerde offenbar entnommene Aussage, dass das FA gezahlte Steuern nicht demjenigen zurückzahlen dürfte, auf dessen Rechnung sie gezahlt worden sind, sobald dieser dem FA nichts mehr schuldet, ist in dieser Entscheidung nicht enthalten und widerspräche auch der sonstigen Rechtsprechung des Senats.
Fundstellen
Haufe-Index 1090324 |
BFH/NV 2004, 314 |