Entscheidungsstichwort (Thema)
Einreihung geschmolzener Magnesia; Zurechnung des Irrtums einer anderen Zollbehörde und Erkennbarkeit eines Irrtums der Zollbehörde
Leitsatz (NV)
- Geschmolzene Magnesia, die aus natürlichem Magnesiumcarbonat hergestellt wurde, indem dieser Rohstoff zunächst bei Temperaturen von bis zu 1 000°C gebrannt und anschließend geschmolzen wurde, ist in die Unterpos. 2519 90 10 KN einzureihen.
- Die AV 6 Satz 3 stellt lediglich klar, dass grundsätzlich auch die Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln der KN für die Einreihung von Waren in die Unterpositionen anwendbar sind.
- Die Zolltarifrechtslage hat sich hinsichtlich der Tarifnr. 25.19 GZT mit der Einführung der KN verändert, so dass sich aus der historischen Entwicklung des GZT nichts für die Einreihung von Waren innerhalb der Pos. 2519 KN herleiten lässt.
- Dem für die Erhebung des Zolls zuständigen HZA kann ein Irrtum, der einem anderen HZA bei der Einreihung einer eingeführten Ware unterlaufen ist, ohne dass diese Behörde Einfluss auf das Unterbleiben der Erhebung des gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrags im konkret zu beurteilenden Einfuhrfall genommen hat, nicht zugerechnet werden.
- Bei einem sorgfältigen und gewissenhaften Einführer müssen Zweifel an der Richtigkeit einer Tarifierungsentscheidung durch die Zollstelle jedenfalls dann aufkommen, wenn die Einreihung einer Ware durch die Zollstelle von einer ihm für die gleiche Ware erteilten vZTA abweicht. Unterlässt es der Einführer in einem solchen Fall, die Zollstelle auf die ihm erteilte vZTA hinzuweisen, schließt dies seinen Einwand, er habe den Tarifierungsfehler der Zollstelle nicht erkennen können, grundsätzlich aus.
Normenkette
KN Pos. 2519 UPos. 9010; KN Pos. 2519 UPos. 9090; ZK Art. 220 Abs. 2 Buchst. b
Verfahrensgang
Gründe
Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Das Vorbringen der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) in ihren Schriftsätzen vom … und … Juli 2003 führt zu keiner anderen Beurteilung.
1. Die Klägerin führte seit 1990 geschmolzene Magnesia natürlicher Herkunft in das Zollgebiet der Gemeinschaft ein und ließ diese beim Hauptzollamt X unter der Unterpos. 2519 90 90 der Kombinierten Nomenklatur ―KN― ("anderes Magnesiumoxid") in den zollrechtlich freien Verkehr überführen, ohne dass es zu Beanstandungen kam.
Die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt bei der Oberfinanzdirektion A erteilte der Klägerin am 19. Oktober 1992 eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA), wonach aus australischem Bergbaumagnesit hergestellte geschmolzene Magnesia in die Unterpos. 2519 90 10 KN ("Magnesiumoxid, ausgenommen gebranntes natürliches Magnesiumcarbonat") einzureihen sei. Von dieser vZTA machte die Klägerin keinen Gebrauch.
Die Klägerin meldete am 2. November 1995 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt ―HZA―) eine Einfuhrsendung geschmolzener Magnesia unter der Unterpos. 2519 90 90 KN zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Die Ware wurde aus natürlichem australischen Bergbaumagnesit (Magnesiumcarbonat) hergestellt, das zunächst bei Temperaturen bis zu 1 000°C gebrannt und sodann geschmolzen wurde. Das HZA sah im Hinblick auf die von der Klägerin angemeldete Unterpos. 2519 90 90 KN von einer Erhebung von Zoll ab.
Im Anschluss an eine Außenprüfung kam das HZA zu dem Ergebnis, dass die geschmolzene Magnesia in die Unterpos. 2519 90 10 KN einzureihen sei. Es forderte deshalb mit Steueränderungsbescheid vom … Mai 1998 … DM Zoll von der Klägerin nach.
Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage vor dem Finanzgericht (FG). Das FG wies die Klage ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, das HZA habe den Zoll zu Recht von der Klägerin nacherhoben. Bei der geschmolzenen Magnesia handele es sich um Magnesiumoxid, das in die Unterpos. 2519 90 10 KN einzureihen sei. Da in der Unterpos. 2519 90 KN zwischen verschiedenen Formen des Erhitzens und der Verarbeitung unterschieden werde, komme es darauf an, ob die Ware gebrannt, gesintert oder geschmolzen sei. Die eingeführte Magnesia habe im Schmelzen jedoch eine weitere Verarbeitung erfahren. Für eine Einreihung der geschmolzenen Magnesia in die Unterpos. 2519 90 10 KN spreche zudem die nach den Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur (AV) 6 Satz 3 sinngemäß anzuwendende Anm. 1 zu Kap. 25 KN. Selbst wenn man die historische Entwicklung der Tarifierung geschmolzener Magnesia berücksichtige, seien durch die Neuordnung der Tarifstellen nicht ursprünglich eingeräumte Zollzugeständnisse widerrufen worden. Für geschmolzene Magnesia sei jedenfalls nach dem Gemeinsamen Zolltarif (GZT) in seiner ab 1978 geltenden Fassung ein Wertzoll zu erheben gewesen, weil die seinerzeit geltenden Erläuterungen (Erl) zum GZT einer Einreihung in die Tarifnr. 25.19 A GZT nicht entgegengestanden hätten.
Der nachträglichen buchmäßigen Erfassung des Zolls stehe auch Art. 220 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (ZK) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― Nr. L 302/1) nicht entgegen. Es liege kein Irrtum des HZA vor, weil es die Zollanmeldung der Klägerin ohne weitere Prüfung angenommen habe. Soweit das Hauptzollamt X seit 1990 zahlreiche Zollanmeldungen der Klägerin für gleichartige Waren ohne Beanstandungen angenommen habe, könne möglicherweise ein Irrtum dieser Behörde vorliegen. Ein solcher Irrtum sei dem HZA jedoch nicht zuzurechnen. Jedenfalls wäre ein Irrtum der Zollbehörden für die Klägerin im Hinblick auf die ihr erteilte vZTA vom 19. Oktober 1992 erkennbar gewesen.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend, das FG habe den Umfang des Ausweisungstatbestands in der Unterpos. 2519 90 10 KN verkannt. Magnesiumcarbonat sei auch dann gebrannt i.S. der Unterpos. 2519 90 10 KN, wenn es nicht nur Temperaturen von bis zu 1 000°C ausgesetzt, sondern in einem Lichtbogenofen geschmolzen werde. Die Form des Erhitzens von Mineralien sei stets gleich, wobei es lediglich von der Temperatur des Ofens abhänge, ob das Vormaterial gesintert oder geschmolzen werde. Deshalb sei geschmolzene Magnesia inhomogen und weise noch Anteile von gesinterter Magnesia auf. Bei dem Wort "gebrannt" in der Unterpos. 2519 90 10 KN handele es sich um einen Oberbegriff, der eine hochgradige Erhitzung umfasse, bei der es durchaus zu einem Schmelzvorgang kommen könne. In der Anm. 1 zu Kap. 25 KN würden mechanische oder physikalische Verfahren beschrieben, wobei es unerheblich sei, bei welcher Temperatur ein Stoff gebrannt werde. Die sinngemäß anzuwendende Anm. 1 zu Kap. 25 KN führe zur Einreihung in die Unterpos. 2519 90 90 KN, weil geschmolzene Magnesia in der Unterpos. 2519 90 10 KN nicht ausdrücklich genannt sei. Soweit in den ErlKN geschmolzene Magnesia der Unterpos. 2519 90 10 KN zugewiesen werde, betreffe dies nur Ware synthetischer Herkunft, weil Ware natürlicher Herkunft nach den Feststellungen des FG nicht farblos sei, sondern in sieben verschiedenen Farbvarianten erhältlich sei. Ferner spreche die historische Entwicklung des Zolltarifs gegen eine Einreihung in die Unterpos. 2519 90 10 KN. Natürliche, in der Gemeinschaft nicht oder nur unzureichend vorhandene Waren seien schon immer zollfrei oder zollbegünstigt gewesen. Geschmolzene Magnesia natürlicher Herkunft sei bereits nach der Tarifnr. 25.19 GZT i.d.F. der Verordnung (EWG) Nr. 950/68 des Rates vom 28. Juni 1968 über den Gemeinsamen Zolltarif (ABlEG Nr. L 172/1) zollfrei gewesen.
Jedenfalls stehe Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK einer Nacherhebung des Zolls entgegen. Die mehr als dreijährige Abfertigungspraxis beim Hauptzollamt X habe die Schwelle zu einem aktiven Irrtum der Zollbehörde überschritten. Dieser Irrtum sei der als Einheit zu betrachtenden Zollverwaltung zuzurechnen, zumal er durch eine Auskunft der niederländischen Zollverwaltung vom 19. Mai 1993 und eine vZTA vom 18. Juli 1997 untermauert worden sei. Die ihr erteilte vZTA vom 19. Oktober 1992 habe nicht zu einer Erkennbarkeit des Irrtums der Zollbehörden geführt. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, von dieser vZTA Gebrauch zu machen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG sowie den Steueränderungsbescheid des HZA vom … Mai 1998 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … August 1998 aufzuheben.
Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Das HZA trägt vor, das FG habe die von der Klägerin eingeführte Ware zutreffend in die Unterpos. 2519 90 10 KN eingereiht. Die Klägerin könne sich wegen der ihr erteilten vZTA vom 19. Oktober 1992 nicht auf einen der Nacherhebung entgegenstehenden Irrtum der Zollbehörden berufen.
2. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die von der Klägerin eingeführte geschmolzene Magnesia in die Unterpos. 2519 90 10 KN einzureihen ist. Die Voraussetzungen für eine Nachforderung des Zolls nach den Art. 220 Abs. 1 Satz 1, 221 Abs. 1 ZK liegen deshalb vor. Von dieser Nachforderung war nicht gemäß Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK abzusehen.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) wie auch des erkennenden Senats (vgl. etwa EuGH-Urteil vom 7. Februar 2002 Rs. C-276/00 ―Turbon International―, EuGHE 2002, I-1389 Rdnr. 21; Senatsurteile vom 23. Mai 2000 VII R 1/99, BFH/NV 2000, 1266, 1267; vom 14. November 2000 VII R 83/99, BFH/NV 2001, 499; vom 9. Oktober 2001 VII R 69/00, BFH/NV 2002, 560, 561) ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln des GZT festgelegt sind. Dazu gibt es auch Erläuterungen, die für das Harmonisierte System (HS) vom Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens sowie für die KN von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden und ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (vgl. EuGH-Urteil in EuGHE 2002, I-1389 Rdnr. 22).
aa) Von der Pos. 2519 KN wird unter anderem geschmolzene Magnesia erfasst. Nach den von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellungen des FG handelt es sich bei der von ihr eingeführten Magnesia um Magnesiumoxid und nicht mehr um natürliches Magnesiumcarbonat i.S. der Unterpos. 2519 10 00 KN. Einer Definition des Begriffs "Magnesiumoxid" bedarf es wegen dieser den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht. Magnesiumoxid ist in die Unterpos. 2519 90 10 KN einzureihen, es sei denn, es handelt sich um gebranntes natürliches Magnesiumcarbonat, welches der Auffangpos. 2519 90 90 KN zuzuweisen ist. Das FG hat jedoch zutreffend erkannt, dass die geschmolzene Magnesia nicht als gebranntes natürliches Magnesiumcarbonat in diesem zolltariflichen Sinne angesehen werden kann. Die Ware wurde zwar aus natürlichem Magnesiumcarbonat hergestellt, weil sie nach den Feststellungen des FG aus natürlichem Bergbaumagnesit gewonnen wurde und somit nach dem Klammerzusatz in der Unterpos. 2519 10 00 KN aus natürlichem Magnesiumcarbonat erzeugt wurde. Bei der geschmolzenen Magnesia handelt es sich indessen nicht nur um gebranntes natürliches Magnesiumcarbonat. Das FG hat vielmehr festgestellt, dass sich an das Brennen des natürlichen Bergbaumagnesit bei Temperaturen von bis zu 1 000°C ein weiterer Verarbeitungsvorgang, nämlich ein Schmelzvorgang, angeschlossen hat.
bb) Anders als die Klägerin meint, kann der Begriff "gebranntes natürliches Magnesiumcarbonat" in der Unterpos. 2519 90 10 KN zolltariflich nicht mit dem Begriff der geschmolzenen Magnesia gleichgesetzt werden. Hiergegen spricht bereits, dass in der Pos. 2519 KN zwischen geschmolzener Magnesia ("magnésie électrofondue" in der französischen Fassung; "fused magnesia" in der englischen Fassung), gebranntem natürlichen Magnesiumcarbonat in der Unterpos. 2519 90 10 KN ("carbonate de magnésium ―magnésite― calciné" in der französischen Fassung; "calcined natural magnesium carbonate" in der englischen Fassung) und totgebrannter (gesinterter) Magnesia in der Unterpos. 2519 90 30 KN ("magnésie calcinée à mort ―frittée―" in der französischen Fassung; "dead-burned ―sintered― magnesia" in der englischen Fassung) unterschieden wird. Die Pos. 2519 KN verwendet mithin je nach Bearbeitung der Magnesia drei verschiedene Begriffe, so dass sich die Einreihung einer der Pos. 2519 KN zuzuweisenden Ware auch an dieser Differenzierung auszurichten hat.
Nichts anderes ergibt sich aus den Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS). Hiernach wird zolltariflich deutlich zwischen durch Schmelzen gewonnener Magnesia, totgebrannter (gesinterter) Magnesia und (kaustisch) gebrannter Magnesia unterschieden (vgl. ErlHS zu Kap. 25 Rz. 01.5 und 04.0 sowie zu Pos. 2519 Rz. 03.0 bis 05.0). Dabei ist es unerheblich, ob die Magnesia aus natürlichem Magnesiumcarbonat, aus basischem Magnesiumcarbonat oder Magnesiumhydroxid gewonnen wird (vgl. ErlHS zu Pos. 2519 Rz. 02.0). Nach den ErlKN zu Pos. 2519 Rz. 04.1 ist zudem durch Schmelzen von zuvor calciniertem Magnesit gewonnenes Magnesiumoxid in die Unterpos. 2519 90 10 KN einzureihen. Dies sahen bereits die ErlKN zur Pos. 2519 in der zum Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung der Klägerin geltenden Fassung der Bekanntmachung der Kommission vom 5. Dezember 1994 (ABlEG Nr. C 342/1, 112) vor. Hiernach war durch Lichtbogenschmelzen gewonnenes Magnesiumoxid (geschmolzene Magnesia) der Unterpos. 2519 90 10 KN zuzuweisen. Soweit dort und in den ErlHS zu Pos. 2519 Rz. 03.0 ausgeführt wird, es handele sich "im allgemeinen" um ein farbloses Erzeugnis, während das FG festgestellt hat, die Ware sei in sieben verschiedenen Farbvarianten erhältlich, steht dies einer Einreihung der von der Klägerin eingeführten geschmolzenen Magnesia in die Unterpos. 2519 90 10 KN nicht entgegen. Denn der bloße Umstand, dass ein Erzeugnis "im Allgemeinen" farblos ist, schließt nicht aus, dass es gleichwohl in verschiedenen Farbvarianten erhältlich ist.
cc) Soweit die Klägerin unter Hinweis auf die Warenbeschreibung in der ihr erteilten vZTA vom 19. Oktober 1992 geltend macht, die Ware sei inhomogen und weise noch Anteile von gesinterter Magnesia auf, stellt dies die Einreihung der von ihr eingeführten geschmolzenen Magnesia in die Unterpos. 2519 90 10 KN nicht in Frage. Das FG hat selbst keine Feststellungen zu dem Umfang der Anteile gesinterter Magnesia in der fraglichen Ware getroffen, sondern dies letztlich offen gelassen. Aus der vZTA vom 19. Oktober 1992, auf die das FG Bezug genommen hat, ergibt sich jedoch, dass das Erzeugnis hauptsächlich aus geschmolzener Magnesia besteht und lediglich im Randbereich gesinterte Magnesia in minimaler Menge enthält. Derartige geringe Anteile gesinterter Magnesia können nichts daran ändern, dass die geschmolzene Magnesia der Ware ihren wesentlichen Charakter verleiht, so dass sich die Einreihung gemäß der AV 3b nach diesem Bestandteil zu richten hat.
dd) Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung kann aus der Anm. 1 zu Kap. 25 KN nichts hergeleitet werden, was gegen eine Einreihung der geschmolzenen Magnesia in die Unterpos. 2519 90 10 KN sprechen könnte. Allerdings vermag der Senat auch nicht dem FG zu folgen, soweit es gemeint hat, im Wege einer sinngemäßen Anwendung der Anm. 1 zu Kap. 25 KN Argumente für eine Einreihung der geschmolzenen Magnesia in die Unterpos. 2519 90 10 KN entnehmen zu können.
Die AV 6 Satz 3, auf die das FG die sinngemäße Anwendung der Anm. 1 zu Kap. 25 KN gestützt hat, stellt lediglich klar, dass auch die Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln für die Einreihung von Waren in die Unterpositionen anwendbar sind, soweit nichts anderes bestimmt ist (vgl. Lux in Dorsch, Zollrecht, VO KN App. 1 Rz. 105; Weerth, Grundlagen der Einreihung von Waren in den Zolltarif, Außenwirtschaftliche Praxis 2001, 434, 438). Anm. 1 zu Kap. 25 KN bestimmt, dass grundsätzlich nur Stoffe im Rohzustand zu Kap. 25 KN gehören, soweit sich aus den einzelnen Positionen ―oder Unterpositionen (AV 6 Satz 3)― nichts anderes ergibt. Da geschmolzene Magnesia ausdrücklich von der Pos. 2519 KN erfasst wird und gebrannte sowie gesinterte Magnesia in den Unterpos. 2519 90 10 KN und 2519 90 30 KN genannt werden, können diese Erzeugnisse nach dem Vorbehalt in der Anm. 1 zu Kap. 25 KN dennoch in die Pos. 2519 KN eingereiht werden. Der nur subsidiär anzuwendenden Anm. 1 zu Kap. 25 KN lässt sich jedoch nichts für die Beantwortung der Frage entnehmen, ob geschmolzene Magnesia innerhalb der Pos. 2519 KN in die Unterpos. 2519 90 10 KN oder in die Unterpos. 2519 90 90 KN einzureihen ist.
ee) Aus der historischen Entwicklung des GZT kann die Klägerin nichts für die von ihr vertretene Tarifierungsauffassung herleiten. Anders als sie meint, hat der Senat bereits entschieden, dass sich die Zolltarifrechtslage hinsichtlich der Tarifnr. 25.19 GZT mit der Einführung der KN durch die Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABlEG Nr. L 256/1) verändert hat (vgl. Senatsurteil vom 11. Oktober 1988 VII K 4/87, BFH/NV 1989, 338, 339). Wenn auch der Wortlaut der Pos. 2519 KN mit dem der Tarifnr. 25.19 GZT übereinstimmt, so ist doch die Position anders untergliedert als die bezeichnete Tarifnummer. Die Klägerin beruft sich in diesem Zusammenhang zu Unrecht auf das EuGH-Urteil vom 8. Dezember 1970 Rs. 14/70 ―Bakels― (EuGHE 1970, 1001 Rdnr. 9). Diese Entscheidung betrifft den hier nicht vorliegenden Sonderfall des Fehlens einschlägiger Erläuterungen und Avise zum GZT. Auch die Höhe einer Zollbelastung ist kein ausschlaggebendes Kriterium für die Einreihung einer Ware (vgl. Senatsurteil vom 29. November 1988 VII R 29/86, BFHE 155, 219, 222).
ff) Der Hinweis der Klägerin auf von der niederländischen Zollverwaltung erteilte vZTA ist unergiebig, weil aus diesen nicht ersichtlich ist, dass die begutachteten Waren der im Streitfall von ihr eingeführten Ware entsprechen. In den von ihr vorgelegten vZTA werden nur "Gesmolten Magnesiet" und "Gesmolten Magnesia" genannt, ohne dass ersichtlich ist, dass diese Waren die vom FG bindend festgestellten Beschaffenheitsmerkmale aufweisen. Entsprechendes gilt für die von der Klägerin vorgelegten Entscheidungen deutscher Hauptzollämter sowie die Stellungnahmen der niederländischen Zollverwaltung. Diese Entscheidungen und Verlautbarungen von Zollbehörden sind für den Senat überdies nicht bindend. Die von der Klägerin dargestellten Bemühungen um eine Änderung der Tariflinie der Pos. 2519 HS sind offensichtlich gescheitert. Die Einreihung hat sich daher nach der Pos. 2519 KN in der im Streitfall maßgeblichen Fassung zu richten.
Es kommt ferner nicht darauf an, ob ―wie es die Klägerin meint― die Verordnung (EG) Nr. 2113/1999 (VO Nr. 2113/1999) der Kommission vom 5. Oktober 1999 zur Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur (ABlEG Nr. L 259/3) ungültig ist. Diese Verordnung ist nach ihrem Art. 3 am 21. Tag nach ihrer Veröffentlichung im ABlEG am 6. Oktober 1999 in Kraft getreten; ihr wurde keine Rückwirkung verliehen. Eine Anwendung der VO Nr. 2113/1999 auf die hier fragliche Einfuhr der Klägerin aus dem Jahr 1995 scheidet deshalb aus (vgl. EuGH-Urteile vom 20. November 1997 Rs. C-338/95 ―S.I. Wiener GmbH―, EuGHE 1997, I-6495 Rdnr. 18; vom 7. Juni 2001 Rs. C-479/99 ―CBA Computer―, EuGHE 2001, I-4391 Rdnr. 31; Senatsurteil vom 14. Dezember 1999 VII R 78/98, BFH/NV 2000, 898, 900). Aus diesem Grund besteht auch kein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH, zumal der Senat die gebotene zolltarifliche Einreihung in die Unterpos. 2519 90 10 KN für eindeutig hält (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 ―C.I.L.F.I.T.―, EuGHE 1982, 3415 Rdnr. 16).
b) Der Nachforderung des Zolls durch das HZA steht die Bestimmung des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK nicht entgegen. Der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag ist nicht aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden.
aa) Anders als die Klägerin meint, ist dem HZA ein etwaiger Irrtum des Hauptzollamts X, der diesem bei der jahrelangen beanstandungslosen Abfertigung geschmolzener Magnesia unter der Unterpos. 2519 90 90 KN unterlaufen sein könnte, nicht zuzurechnen. Das Handeln des Hauptzollamts X hatte nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) keinen Einfluss auf das Unterbleiben der Erhebung des gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrags von der Klägerin aufgrund der Annahme ihrer Zollanmeldung vom 2. November 1995. Das Hauptzollamt X hatte keine Gesichtspunkte beigetragen, die bei der Erhebung des Zolls zu berücksichtigen waren (vgl. Senatsurteil vom 4. Juni 1998 VII R 98/97, BFH/NV 1999, 229, 231). Ein möglicherweise durch das Hauptzollamt X begangener Irrtum kann dem HZA als der für die Erhebung des Zolls zuständigen Behörde nicht zugerechnet werden (vgl. Senatsurteil vom 7. September 1993 VII R 128/92, BFHE 172, 561; Senatsbeschluss vom 22. November 1994 VII B 140/94, BFHE 176, 170, 174). Aus dem Senatsurteil vom 16. November 1999 VII R 95, 96/98 (BFHE 190, 522) kann die Klägerin nichts für sich herleiten. Diese Entscheidung verhält sich nicht zu der Frage, ob im Rahmen von Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK der für die Erhebung von Einfuhrabgaben zuständigen Zollbehörde Irrtümer anderer Behörden zugerechnet werden können. Es kommt deshalb weder darauf an, ob ―wie die Klägerin behauptet― das Hauptzollamt X später mit dem HZA zusammengelegt worden ist, noch kann auf die Einheit der Zollverwaltung abgestellt werden. Nach den vom FG getroffenen Feststellungen hat auch die einer Zollstelle in Rotterdam erteilte Tarifauskunft eines niederländischen Zolllabors vom 19. Mai 1993 keinen Einfluss auf die zunächst unterbliebene Erhebung des Zolls durch das HZA gehabt. Dies versteht sich von selbst hinsichtlich der von der Klägerin genannten vZTA der niederländischen Zollverwaltung vom 18. Juli 1997.
bb) Wie das FG im Übrigen zutreffend ausgeführt hat, wäre ein etwaiger Irrtum der Zollbehörden für die Klägerin im Hinblick auf die ihr erteilte vZTA vom 19. Oktober 1992, mit der geschmolzene Magnesia in die Unterpos. 2519 90 10 KN eingereiht worden ist, erkennbar gewesen. Die Klägerin weist zwar zu Recht darauf hin, dass für einen Beteiligten keine Verpflichtung besteht, sich bei der Einfuhr einer Ware auf eine hierfür erteilte vZTA zu berufen. Andererseits müssen bei einem sorgfältigen und gewissenhaften Einführer Zweifel an der Richtigkeit einer Tarifierungsentscheidung durch die Zollstelle jedenfalls dann aufkommen, wenn die Zuweisung der Ware durch die Zollstelle von einer ihm für die gleiche Ware erteilten vZTA abweicht. Unterlässt es der Einführer in einem solchen Fall, die Zollstelle auf die ihm erteilte vZTA hinzuweisen, schließt dies seinen Einwand, er habe den Tarifierungsfehler der Zollstelle nicht erkennen können, grundsätzlich aus (vgl. Senatsurteil vom 30. November 1999 VII R 44/98, BFH/NV 2000, 615, 619). Da es nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK auf die Erkennbarkeit des Irrtums der Zollbehörden für den Zollschuldner ankommt, ist es auch unerheblich, ob ―wie die Klägerin behauptet― die deutsche Zollverwaltung die vZTA vom 19. Oktober 1992 nicht beachtet hat. Ein hierin möglicherweise liegender zollamtlicher Irrtum würde noch nicht dessen Erkennbarkeit für die Klägerin ausschließen (vgl. EuGH-Urteil vom 26. Juni 1990 Rs. C-64/89 ―Deutsche Fernsprecher―, EuGHE 1990, I-2535 Rdnr. 17; Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2002 VII B 178/02, BFH/NV 2003, 214, 215).
Fundstellen
Haufe-Index 1090327 |
BFH/NV 2004, 840 |