Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug bei Anschaffung oder Herstellung von Gebäudeteilen
Leitsatz (NV)
Wie der Vorsteuerabzug vorzunehmen ist, wenn lediglich “bestimmte Gebäudeteile” angeschafft oder hergestellt und zur Ausführung von Umsätzen verwendet werden, die den Vorsteuerabzug teilweise zulassen und teilweise ausschließen, bedarf der Klärung in einem Revisionsverfahren.
Normenkette
UStG § 15; EWGRL 388/77 Art. 17
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin, Beschwerdegegnerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GbR, betreibt eine Zahnarztpraxis mit angeschlossenem zahntechnischen Labor. In den Jahren 1996 und 1997 baute sie das Dachgeschoss des dazu genutzten Gebäudes aus und verwendete die neu geschaffene Nutzfläche anschließend teils als weitere Praxisräume und teils als gemischt genutzte Räume (Büro- und Gemeinschaftsräume für das Personal).
Die Klägerin nahm an, dass die in der Zahnarztpraxis erbrachten steuerfreien Leistungen zugleich Vorarbeiten für die steuerpflichtigen Laborumsätze darstellten, und zog daher in ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 1995 bis 1997 dem Umsatzschlüssel entsprechend anteilige Vorsteuerbeträge für die Betriebs- und Geschäftsausstattung und den sonstigen Praxisbedarf ab. Die aufgrund des Dachgeschossausbaus angefallenen Vorsteuerbeträge machte die Klägerin in ihrer Umsatzsteuererklärung für 1997 ebenfalls im Verhältnis der steuerfreien zu den steuerpflichtigen Umsätzen geltend.
Der Beklagte, Beschwerdeführer und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) vertrat nach einer Außenprüfung die Auffassung, die Leistungsbezüge für die Betriebs- und Geschäftsausstattung sowie den sonstigen Praxisbedarf seien direkt den steuerfreien Praxisumsätzen zuzuordnen. Ein Vorsteuerabzug scheide daher insoweit aus. Die Vorsteuerbeträge aus dem Ausbau des Dachgeschosses kürzte das FA im Verhältnis der unterschiedlich genutzten Flächen zueinander.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage hinsichtlich des Vorsteuerabzugs für die Betriebs- und Geschäftsausstattung sowie den sonstigen Praxisbedarf ab, da diese Eingangsleistungen unmittelbar und direkt den umsatzsteuerfreien Ausgangsumsätzen zuzurechnen seien. Diese Leistungsbezüge würden nicht anteilig für steuerpflichtige Laborumsätze verwendet, sondern ausschließlich für die von der Umsatzsteuer befreite zahnärztliche Tätigkeit.
Hinsichtlich des Dachgeschossausbaus gab das FG der Klage teilweise mit der Begründung statt, insoweit sei zunächst eine direkte Zuordnung der bezogenen Leistungen zu den steuerfreien oder steuerpflichtigen Umsätzen erforderlich. Diese Zuordnung sei jedoch nur in sehr eingeschränktem Umfang möglich. Die verbleibenden Vorsteuerbeträge seien nach dem Umsatzschlüssel aufzuteilen.
Das FA hat die zunächst wegen aller Streitjahre erhobene Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen die Vorentscheidung später hinsichtlich der Umsatzsteuer für 1995 und 1996 wieder zurückgenommen. Die Beschwerde wegen der Umsatzsteuer für 1997 stützt es auf die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung und Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung.
Die Klägerin stützt ihre Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
Entscheidungsgründe
II. 1. Das Beschwerdeverfahren des FA ist wegen der erklärten teilweisen Rücknahme der Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 73 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hinsichtlich der Streitjahre 1995 und 1996 abzutrennen.
2. Auf die Beschwerde der Klägerin und des FA ist die Revision hinsichtlich des Streitjahres 1997 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und wegen der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zuzulassen. Der BFH hat noch nicht darüber entschieden, wie der Vorsteuerabzug vorzunehmen ist, wenn lediglich "bestimmte Gebäudeteile" angeschafft oder hergestellt und zur Ausführung von Umsätzen verwendet werden, die den Vorsteuerabzug teilweise zulassen und teilweise ausschließen (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 2007 V R 43/06, BFH/NV 2008, 513, unter II. 2. b). Eine Klärung der Rechtslage ist unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung aus rechtssystematischen Gründen und wegen der Breitenwirkung der Frage geboten.
3. Die Beschwerde der Klägerin ist unbegründet, soweit sie sich auf die Umsatzsteuer für 1995 und 1996 bezieht. Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO liegt nicht vor. Der Rechtssache kommt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung insoweit nicht zu.
a) Die Voraussetzungen, unter denen mit Vorsteuerbeträgen belastete Leistungsbezüge bestimmten Verwendungsumsätzen zuzurechnen sind, sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und der ihr folgenden Rechtsprechung des BFH sowohl im Hinblick auf Art. 17 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG als auch hinsichtlich des auf dieser Richtlinienbestimmung beruhenden § 15 des Umsatzsteuergesetzes in der für 1995 und 1996 geltenden Fassung geklärt (BFH-Urteil vom 9. November 2006 V R 9/04, BFHE 215, 372, BStBl II 2007, 285; BFH-Beschluss vom 11. Mai 2007 V B 129/05, BFH/NV 2007, 1551).
Danach muss grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Umsätzen der nachfolgenden Stufe, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, bestehen, damit der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und der Umfang dieses Rechts bestimmt werden kann. Das Recht auf Vorsteuerabzug ergibt sich grundsätzlich daraus, dass die Aufwendungen für den Bezug der Eingangsumsätze Teil der Kosten der Ausgangsumsätze sind; der vom Steuerpflichtigen verfolgte endgültige Zweck ist dabei unerheblich. Maßgebend ist vielmehr die gegenständliche Zurechnung.
b) Ein Klärungsbedarf in einem Revisionsverfahren besteht danach nicht. Die Anwendung der genannten Grundsätze im konkreten Einzelfall begründet keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. November 2006 VII B 97/06, BFH/NV 2007, 647, m.w.N., und in BFH/NV 2007, 1551).
c) Die Klägerin macht auch --zu Recht-- nicht geltend, dass hinsichtlich der Streitjahre 1995 und 1996 ein zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO führender sog. qualifizierter Rechtsanwendungsfehler vorliege, dass nämlich die Entscheidung des FG willkürlich oder zumindest greifbar gesetzwidrig und deshalb geeignet sei, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung zu beschädigen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25; vom 7. Juli 2004 VII B 344/03, BFHE 206, 226, BStBl II 2004, 896; vom 30. Januar 2007 IV B 111/05, BFH/NV 2007, 1146, und vom 19. Juli 2007 V B 66/06, BFH/NV 2007, 2067).
Fundstellen
Haufe-Index 1979085 |
BFH/NV 2008, 1006 |