Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Personengesellschaft gegen Sachwertabfindung und zur Realteilung einer Personengesellschaft mit dem Wahlrecht zur Buchwertfortführung
Leitsatz (NV)
1. Nach ständiger Rechtsprechung entsteht für den verbleibenden Gesellschafter ein laufender Gewinn, wenn der aus einer Personengesellschaft ausscheidende Gesellschafter mit einem Sachwert abgefunden wird, den er in sein Privatvermögen übernimmt, der Betrieb als solcher aber weitergeführt wird.
2. Zur Frage der Abweichung von dieser Rechtsprechung, wenn ein Gesellschafter an zwei Mitunternehmerschaften beteiligt war.
3. Von der Rechtsprechung ist geklärt, dass die erfolgsneutrale Realteilung einer Personengesellschaft mit dem Wahlrecht zur Buchwertfortführung nicht nur bei Übernahme von Teilbetrieben, sondern auch bei Zuweisung von Einzelwirtschaftsgütern an die Gesellschafter möglich ist.
Normenkette
EStG 1994 § 16 Abs. 3 S. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) betreibt gemeinsam mit ihrem Ehemann in Mitunternehmerschaft einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Milchviehhaltung und Ackerbau. Neben gepachteten Flächen nutzten sie vier Grundstücke unentgeltlich für den Betrieb, die zu Beginn des Streitjahres (1994) einer ungeteilten Erbengemeinschaft gehörten, die die Klägerin mit ihrer Mutter und ihrer Schwester gebildet hatte. Ursprünglich hatte der Vater der Klägerin die Grundstücke in seinem landwirtschaftlichen Betrieb genutzt. Die Grundstücke hatten folgende Größe:
Grundstücke Nr. 1-3 (insgesamt) |
26 468 qm |
Grundstück Nr. 4 |
3 061 qm |
Grundstücksfläche (Summe) |
29 529 qm |
Mit notariellem Vertrag vom 9. Mai 1994 setzte sich die Erbengemeinschaft dergestalt auseinander, dass die Klägerin an den genannten Grundstücken Miteigentum zu drei Vierteln und ihre Schwester Miteigentum zu einem Viertel erhielten. Beide bildeten zum 1. Juni 1994 eine Bruchteilsgemeinschaft.
Die Bruchteilsgemeinschaft setzte sich durch notariellen Vertrag vom 8. Dezember 1994 mit Wirkung zum 31. Dezember 1994 auseinander. Die Klägerin erhielt die Grundstücke Nr. 1 - 3 und ihre Schwester das Grundstück Nr. 4. Die Klägerin brachte ihre Grundstücke in ihr Sonderbetriebsvermögen des landwirtschaftlichen Betriebes mit ihrem Ehemann ein. Die Schwester überführte das ihr zugewiesene Grundstück in das Privatvermögen, überließ es jedoch bis zu einem beabsichtigten privaten Verkauf weiterhin unentgeltlich der Klägerin und ihrem Ehemann zur landwirtschaftlichen Nutzung.
In der Feststellungserklärung der Erbengemeinschaft für das Streitjahr (1994) erklärten die Klägerin und ihre Schwester für Letztere einen Gewinn aus der Entnahme landwirtschaftlicher Flächen in Höhe von 663 778 DM.
Dem folgte der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) nach einer Betriebsprüfung nicht. Das FA ging von folgenden Werten (in DM) aus:
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Buchwert |
stille Reserven |
Gemeiner Wert |
Grundstücke Nr. 1-3 (Klägerin) |
105 441 |
1 134 573 |
1 240 014 |
Grundstück Nr. 4 (Schwester) |
35 146 |
834 854 |
870 000 |
Summe |
140 587 |
1 969 427 |
2 110 014 |
Der Betriebsprüfung folgend nahm das FA (zunächst) eine Betriebsaufgabe des von der Bruchteilsgemeinschaft fortgeführten Betriebs der Erbengemeinschaft an. Da es sich bei dem Grundstück der Schwester um eine wesentliche Betriebsgrundlage handele, die in das Privatvermögen überführt worden sei, seien die stillen Reserven (aber) insgesamt aufzudecken und als Aufgabegewinn zu versteuern. Diesen Gewinn rechnete es der Klägerin in Höhe von 1 134 574 DM und ihrer Schwester in Höhe von 834 853 DM zu.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren nur von der Klägerin erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, die zum 31. Dezember 1994 erfolgte Auseinandersetzung der Bruchteilsgemeinschaft sei steuerlich als Realteilung im Rahmen einer Betriebsaufgabe der bis dahin bestehenden Mitunternehmerschaft der Klägerin mit ihrer Schwester zu qualifizieren, die nicht zu einer Aufdeckung und Versteuerung der stillen Reserven geführt habe. Die (nunmehrige) Auffassung des FA, der land- und forstwirtschaftliche Betrieb sei durch die Realteilung nicht zerschlagen, sondern von der Klägerin fortgeführt worden, und es liege lediglich eine Sachwertabfindung der Schwester mit einem Einzelwirtschaftsgut vor, lasse unberücksichtigt, dass im Streitfall zwei verschiedene Mitunternehmerschaften bestanden hätten und dass die Realteilung lediglich die Beendigung der bisherigen Mitunternehmerschaft, die die Klägerin --zunächst im Zuge der Erbengemeinschaft und dann in der Bruchteilsgemeinschaft-- mit ihrer Schwester betrieben habe, voraussetze. Die Realteilungsgrundsätze seien nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) --der entgegen der abweichenden Auffassung der Finanzverwaltung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 11. August 1994 IV B 2 -S 2242- 32/94, Tz. 3, BStBl I 1994, 601) zu folgen sei-- für den anderen Realteiler auch dann anzuwenden, wenn die von dem einen Realteiler übernommenen Wirtschaftsgüter bei diesem Privatvermögen würden (BFH-Urteil vom 1. Dezember 1992 VIII R 57/90, BFHE 170, 320, BStBl II 1994, 607; BFH-Beschluss vom 29. April 2004 IV B 124/02, BFH/NV 2004, 1395). Die von der Klägerin übernommenen Grundstücke seien Sonderbetriebsvermögen des in Mitunternehmerschaft mit dem Ehemann betriebenen landwirtschaftlichen Betriebes, so dass die steuerliche Erfassung der stillen Reserven auch zukünftig gesichert sei.
Mit der dagegen gerichteten Beschwerde beantragt das FA die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wegen Abweichung des finanzgerichtlichen Urteils von der Rechtsprechung des BFH und wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.
Die Divergenz ergebe sich daraus, dass der BFH in ständiger Rechtsprechung die Abfindung eines Gesellschafters oder Gemeinschafters mit einem Einzelwirtschaftsgut des Betriebsvermögens bei dessen Ausscheiden als Sachwertabfindung und nicht als Realteilung ansehe, wenn der Betrieb als solcher --wie im vorliegenden Fall-- weitergeführt werde (BFH-Urteile vom 24. Mai 1973 IV R 64/70, BFHE 109, 438, BStBl II 1973, 655; vom 28. November 1989 VIII R 40/84, BFHE 159, 410, BStBl II 1990, 561; vom 23. November 1995 IV R 75/94, BFHE 179, 307, BStBl II 1996, 194; vom 11. Juli 1996 IV R 103/94, BFHE 181, 45, BStBl II 1997, 39, und vom 10. März 1998 VIII R 76/96, BFHE 186, 50, BStBl II 1999, 269, sowie BFH-Beschluss vom 3. Juni 1997 VIII B 73/96, BFH/NV 1997, 838). Davon weiche der maßgebliche Rechtssatz des finanzgerichtlichen Urteils ab, dass das Ausscheiden eines Gemeinschafters aus der Bruchteilsgemeinschaft --die einer anderen, teils personenidentischen Mitunternehmerschaft ihre sämtlichen Wirtschaftsgüter für deren weiterbestehenden Betrieb überlässt-- und seine Abfindung mit einem aus dem Betriebsvermögen der Bruchteilsgemeinschaft in sein Privatvermögen übernommenem Wirtschaftsgut eine Realteilung im Rahmen einer Betriebsaufgabe sei.
Wenn der BFH den vorliegenden Fall wie das FG nach den Grundsätzen der Realteilung beurteile, habe die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, weil das FG-Urteil vom BMF-Schreiben vom 11. Januar 1993 IV B 2 -S 2242- 86/92 (Tz. 12, BStBl I 1993, 62, i.V.m. dem BMF-Schreiben vom 11. August 1994 in Tz. 3, BStBl I 1994, 601) abweiche, wonach das von der Rechtsprechung eingeräumte Wahlrecht zwischen der Buchwertfortführung oder der Aufdeckung der stillen Reserven in den real geteilten Wirtschaftsgütern von den Realteilern nur einheitlich ausgeübt werden könne.
Die Kläger sind der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist nicht begründet.
1. Die Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen, weil das FG --entgegen der Auffassung des FA-- nicht von der Rechtsprechung des BFH abgewichen ist.
a) Die Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert entsprechend der früheren Divergenzrüge auch nach der Neufassung der Vorschriften über die Revisionszulassung durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567), dass abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und den Urteilen andererseits, von denen die Vorinstanz abgewichen sein soll, herausgearbeitet und einander gegenübergestellt werden, so dass die behauptete Abweichung erkennbar wird (Senatsbeschluss vom 7. September 2005 IV B 67/04, BFH/NV 2006, 234, m.w.N.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz. 41 f.).
b) Zwar hat der BFH, wie vom FA dargelegt, in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass für den verbleibenden Gesellschafter ein laufender Gewinn entsteht, wenn der aus einer Personengesellschaft ausscheidende Gesellschafter mit einem Sachwert abgefunden wird, den er in sein Privatvermögen übernimmt, der Betrieb als solcher aber weitergeführt wird.
c) Das FG ist von dieser Rechtsprechung jedoch nicht abgewichen; es hat darauf vielmehr ausdrücklich Bezug genommen (unter 2. der Entscheidungsgründe, letzter Absatz). Der vom FA aus dem angefochtenen Urteil abgeleitete Rechtssatz gibt dessen Aussage nicht zutreffend wieder.
aa) Allerdings lässt sich dem angefochtenen Urteil entnehmen, dass die Klägerin im Zuge der Auseinandersetzung der Bruchteilsgemeinschaft drei Grundstücke erhielt, die sie weiterhin im Rahmen der mit ihrem Ehemann betriebenen Mitunternehmerschaft nutzte, während die Schwester das vierte Grundstück bekam und in ihr Privatvermögen überführte. Dabei hat das FG jedoch ausdrücklich entschieden, dass der landwirtschaftliche Betrieb, den die Klägerin mitunternehmerschaftlich zunächst im Rahmen der Erbengemeinschaft und anschließend als Bruchteilsgemeinschaft mit ihrer Schwester unterhielt, aufgegeben wurde. Auch das FA ist noch in der Einspruchsentscheidung von einer Aufgabe dieses Betriebes ausgegangen.
bb) Das FG ist damit nicht von der BFH-Rechtsprechung abgewichen. Das FA verkennt, dass die Klägerin --wie vom FG dargelegt-- an zwei Mitunternehmerschaften beteiligt war. Die eine Mitunternehmerschaft (Mitunternehmerschaft 1), bestehend aus der Klägerin und ihrem Ehemann, bewirtschaftete aktiv einen landwirtschaftlichen Betrieb auf Pachtflächen sowie auf den von der anderen Mitunternehmerschaft (Mitunternehmerschaft 2) überlassenen vier Grundstücken. Die Mitunternehmerschaft 2 führte den aus den vier Grundstücken bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb --der zunächst auf die Erbengemeinschaft und daran anschließend auf die von der Klägerin und ihrer Schwester gebildete Bruchteilsgemeinschaft übergegangen war-- fort, indem sie die Grundstücke der Mitunternehmerschaft 1 überließ, ohne eine Betriebsaufgabe zu erklären. Nach den Feststellungen des FG wurde der Betrieb der Mitunternehmerschaft 2 im Zuge der Auseinandersetzung der Bruchteilsgemeinschaft aufgegeben. Bei dieser Sachlage liegt keine Abweichung von der BFH-Rechtsprechung zum Ausscheiden eines Gesellschafters gegen Sachwertabfindung vor, weil der Betrieb der Mitunternehmerschaft 2 nicht als solcher weitergeführt wurde.
2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH erforderlich machen (Senatsbeschluss vom 31. August 2005 IV B 24/04, BFH/NV 2006, 91; auch Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 28).
a) Die vom FA für klärungsbedürftig gehaltene Frage, ob das Wahlrecht zwischen der Buchwertfortführung oder der Aufdeckung der stillen Reserven im Falle der Realteilung nur einheitlich ausgeübt werden kann, ist von der Rechtsprechung geklärt. Das FG hat zutreffend auf das BFH-Urteil in BFHE 170, 320, BStBl II 1994, 607 zu IV.1.b der Gründe, und den BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 1395 verwiesen. Darüber hinaus hat der BFH mit Urteil vom 23. März 1995 IV R 93/93 (BFHE 177, 404, BStBl II 1995, 700) entschieden, dass die erfolgsneutrale Realteilung einer Personengesellschaft mit dem Wahlrecht zur Buchwertfortführung nicht nur bei Übernahme von Teilbetrieben, sondern auch bei Zuweisung von Einzelwirtschaftsgütern an die Gesellschafter möglich ist. So liegen die Verhältnisse nach den Feststellungen des FG im Streitfall.
b) Dass die Finanzverwaltung insoweit eine andere Auffassung vertreten hat (BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 601, Tz. 3), ändert daran nichts. Jedenfalls im Hinblick auf die zwischenzeitliche Änderung der Rechtslage durch die nach dem Streitjahr erfolgten Gesetzesänderungen (Änderung des § 16 Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 sowie Änderung des § 16 Abs. 3 Sätze 2 bis 4 EStG mit Wirkung ab 1. Januar 2001) lässt sich daraus eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht (mehr) ableiten. Andere Gesichtspunkte, die eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH erforderlich machen, hat das FA nicht dargelegt.
Fundstellen
Haufe-Index 1606155 |
BFH/NV 2006, 2246 |