Leitsatz (amtlich)
Eine Revision ist dann nicht ordnungsgemäß begründet, wenn sich der zur Begründung der Revision eingereichte Schriftsatz nicht mit den Gründen auseinandersetzt, auf denen die angefochtene Entscheidung beruht, sondern lediglich frühere schriftliche Ausführungen zur Klagebegründung wörtlich wiedergibt.
Normenkette
FGO § 120 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat durch das mit der Revision angefochtene Urteil die Klage abgewiesen.
Mit der Revision beantragt der Kläger und Revisionskläger (Kläger), unter Aufhebung des angefochtenen Urteils "die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuweisen und eine Veranlagung im Sinne der abgegebenen Gewerbesteuererklärung 1977 für Recht anzuerkennen".
Der Kläger beantragt ferner, die Verhandlung gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen bis zur Entscheidung über die Revision gegen das Urteil des FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 7. November 1979 II 59/78 (Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1980, 140). Das Urteil betreffe einen mit dem Streitfall übereinstimmenden Sachverhalt.
Der als Revisionsbegründung eingereichte Schriftsatz vom 28. Mai 1982 enthält folgende Ausführungen: "Die Begründung meiner Revision vom 12. 3. 82 entnehmen Sie bitte aus beigefügter Kopie, die die Rechtsauffassung des Finanzgerichts Bremen, Urteil vom 24. 4. 75 -- EFG 75 Seite 434, wiedergibt. Ich schließe mich dieser Rechtsauffassung an."
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) tritt dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens entgegen und beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Das FA ist der Auffassung, die Revisionsbegründung genüge nicht den Mindesterfordernissen des § 120 Abs. 2 FGO.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
1. Dem Antrag auf Aussetzung der Verhandlung (Aussetzung des Verfahrens) kann nicht entsprochen werden.
a) Diese Entscheidung bedarf keines besonderen Beschlusses. Ein besonderer Beschluß i. S. des § 74 FGO ist nur erforderlich, wenn ein Rechtsstreit ausgesetzt wird (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 13. Oktober 1967 VI B 43/67, BFHE 90, 393, BStBl II 1968, 118).
b) Die Aussetzung des Verfahrens könnte nur dann angeordnet werden, wenn sowohl im Verfahren des Klägers als auch in dem angeführten Parallelverfahren eine Feststellung über dasselbe Rechtsverhältnis zu treffen wäre. Das ist aber nicht der Fall. Eine Vorgreiflichkeit i. S. des § 74 FGO wird durch Identität der Rechtsfragen nicht begründet (BFH-Beschluß vom 7. Oktober 1977 III B 8/77, Der Steuerberater -- StB -- 1979, 38). Sie wäre im Streitfall auch nicht erheblich, da auf die Rechtsfragen mangels Zulässigkeit der Revision nicht einzugehen ist.
2. Die Revisionsbegründung, die nach § 124 FGO Zulässigkeitsvoraussetzung ist, genügt nicht den Anforderungen des § 120 Abs. 2 FGO.
a) Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers verweist in seinem als Revisionsbegründung bezeichneten Schriftsatz vom 28. Mai 1982 auf zwei beigefügte Kopien. Es handelt sich hierbei offensichtlich um Ablichtungen der Blätter 2 und 3 der Klageschrift vom 11. April 1979, wobei lediglich die Blattzahlen und Textziffern sowie bei der Kopie des Blattes 3 der Schlußsatz, die Unterschrift und der Hinweis auf Anlagen weggelassen wurden. Neben einer kurzen Bemerkung zum Sachverhalt, die ein Fragment der auf dem ersten Blatt der Klageschrift beginnenden Ausführungen bildet, enthalten die beiden Kopien als wörtliches Zitat in vollem Umfang die Entscheidungsgründe aus dem Urteil des FG Bremen vom 24. April 1975 II 2/74, wie sie in EFG 1975, 434, 435 abgedruckt sind.
b) Diesen Kopien ist nicht zu entnehmen, mit welchen Erwägungen der Kläger das angefochtene Urteil angreift. Eine Revisionsbegründung muß aus sich selbst heraus erkennen lassen, daß sich der Revisionskläger zumindest kurz und unter Überprüfung seines eigenen Standpunktes mit den Gründen, auf denen die angefochtene Entscheidung beruht, auseinandersetzt (Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 120 Anm. 11 D, S. 398, mit zahlreichen Rechtsprechungshinweisen). Für eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung reicht es weder aus, auf das Vorbringen in der Klageschrift Bezug zu nehmen (BFH-Beschluß vom 8. März 1967 I R 185/66, BFHE 88, 230, BStBl III 1967, 342), noch genügt es, eine Abschrift der Einspruchsbegründung einzureichen (BFH-Beschluß vom 13. August 1970 V R 58/67, BFHE 100, 177, BStBl II 1970, 849). Grundsätzlich läßt die bloße Bezugnahme auf einen vor Erlaß der angefochtenen Entscheidung eingereichten Schriftsatz, auch wenn dieser Schriftsatz der Revisionsbegründung in Abschrift beigefügt ist, jede Auseinandersetzung mit dem von der Revision angefochtenen Urteil vermissen und entspricht mithin nicht den Erfordernissen einer Revisionsbegründung (BFH-Beschluß vom 25. Oktober 1973 V R 38/72, BFHE 110, 324, BStBl II 1974, 13; Urteil des Bundessozialgerichts vom 30. Juni 1964 3 RK 38/60, Neue Juristische Wochenschrift 1964, 2080; Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. November 1961 IV ER 403.61, BVerwGE 13, 181).
Es kann dahingestellt bleiben, ob jede Bezugnahme auf Schriftsätze der Vorinstanz schlechthin ausgeschlossen ist oder ob z. B. eine Ausnahme denkbar sein könnte, wenn "mehr zu der Frage einfach nicht zu sagen ist" (Gräber, a. a. O., § 120 Anm. 11 D, S. 399). Ein derartiger Fall liegt nicht vor. In der Klageschrift hat der Kläger den Text der Entscheidungsgründe des Urteils des FG Bremen vom 24. April 1975 wiedergegeben. Zeitlich danach äußerte sich das FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg (EFG 1980, 140) zu der Rechtsfrage im entgegengesetzten Sinne; dies hat den Kläger veranlaßt, die Aussetzung des Revisionsverfahrens zu beantragen. Auch das angefochtene Urteil enthält umfassende Ausführungen, die dem vom Kläger herangezogenen Zitat entgegenstehen. Sonach hätte für den Kläger Anlaß bestanden, sich in der Revisionsbegründung mit dem angefochtenen Urteil unter Überprüfung seines eigenen Standpunktes auseinanderzusetzen. Die mittels der Kopien erfolgte Bezugnahme auf die Klageschrift entspricht mithin nicht den Erfordernissen einer ordnungsgemäßen Revisionsbegründung.
Fundstellen
Haufe-Index 74404 |
BStBl II 1983, 48 |
BFHE 1983, 521 |