Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung des Vorsitzenden Richters wegen Befangenheit

 

Leitsatz (NV)

Hat das FG ein gegen einen beisitzenden Richter gerichtetes Befangenheitsgesuch zurückgewiesen und legt der Kläger hiergegen Beschwerde ein, so rechtfertigt es kein Mißtrauen in die Unparteilichkeit des Vorsitzenden des Senats, wenn dieser es ablehnt, den Termin zur mündlichen Verhandlung über die Klage aufzuheben, weil die Beschwerde gegen den Beschluß über das Befangenheitsgesuch keine aufschiebende Wirkung habe.

 

Normenkette

FGO § 51 Abs. 1, § 131 Abs. 1; ZPO § 42 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Streitig ist die Richterablehnung in einem Verfahren wegen Umsatzsteuer 1966 bis 1972. Dem Ablehnungsgesuch lag im wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit Beschluß vom 14. Januar 1986 hatte ein Senat des Finanzgerichts Düsseldorf (FG) mit dem geschäftsplanmäßigen Vorsitzenden Richter ein Befangenheitsgesuch des Klägers und Beschwerdeführers (Beschwerdeführer) gegen den Richter am FG A. zurückgewiesen. Dieser Beschluß war am 7. Februar 1986 zugestellt worden.

Zuvor, am 5. Februar 1986, hatte der Richter am FG A. als Vertreter des Senatsvorsitzenden in der Hauptsache Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 12. März 1986 anberaumt (Zustellung der Ladungen: 13./14. Februar 1986).

Am 21. Februar 1986 hatte der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den Senatsbeschluß vom 14. Januar 1986 eingelegt und zur Begründung eine Frist bis zum 15. März 1986 erbeten.

Den (im Hinblick auf die Beschwerde gegen den Beschluß vom 14. Januar 1986) am 3. März 1986 gestellten Antrag auf Aufhebung des Termins vom 12. März 1986 lehnte der Senatsvorsitzende durch Verfügung vom 4. März 1986 ab, und zwar mit der Begründung, die Beschwerde gegen den Beschluß vom 14. Januar 1986 habe keine aufschiebende Wirkung.

Nachdem (auf entsprechenden Hinweis des Senatsvorsitzenden in der Verfügung vom 4. März 1986) am 7. März 1986 die Beschwerdebegründung beim FG eingegangen war, hob der Senatsvorsitzende mit Verfügung vom 10. März 1986 den auf den 12. März 1986 anberaumten Termin schließlich doch auf, um dem Senat Gelegenheit zu geben, in der Beschwerdesache über eine evtl. Abhilfe zu entscheiden.

Zuvor, am 10. März 1986, war beim FG ein weiteres Gesuch eingegangen, in dem der Beschwerdeführer nunmehr auch den Senatsvorsitzenden als befangen ablehnte, und zwar mit der Begründung, in der knappen und nur mit dem Hinweis auf das Fehlen einer aufschiebenden Wirkung der Beschwerde begründeten Zurückweisung des Antrags auf Terminsaufhebung sehe er ,,einen schweren Befangenheitsakt". Daß die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung habe, stehe erkennbar in keinem Zusammenhang mit der Frage, ob der von ihm mit guten Gründen abgelehnte Richter am FG A. befangen sei oder nicht. Es habe deshalb nahegelegen, den Termin vom 12. März 1986 aufzuheben und einen neuen Termin erst nach Klärung der Befangenheitsfrage anzuberaumen.

Mit Beschluß vom 23. April 1986 wies das FG in geschäftsplanmäßiger Besetzung unter Mitwirkung des Senatsvorsitzenden das gegen diesen gerichtete Befangenheitsgesuch zurück. Zur Begründung ist ausgeführt, es handle sich um ein rechtsmißbräuchliches Ablehnungsgesuch, weil mit ihm letztlich eine für den Beschwerdeführer ungünstige Rechtsauffassung bekämpft und ein seiner Ansicht nach hieraus resultierender Verfahrensfehler gerügt werde.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde, mit der weiterhin die Befangenheit des Senatsvorsitzenden geltend gemacht und vorgetragen wird, es gehe nicht darum, die Verfügung vom 4. März 1986 zu überprüfen, sondern allein um die Feststellung der Befangenheit des abgelehnten Richters. Der angefochtene Beschluß verwechsle Ablehnungsziel mit Ablehnungswirkung. Es habe nicht vorrangig Terminsaufhebung erreicht, sondern verhindert werden sollen, daß der abgelehnte Richter am FG A. an der Sitzung teilnehme; darüber aber sei in der Verfügung vom 4. März 1986 ,,kein Wort verloren" und so dem Beschwerdeführer der Eindruck vermittelt worden, seine Aufhebungsanregung werde ,,knapp, unhöflich und unsachlich" zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer beantragt, dem gegen den Senatsvorsitzenden gerichteten Ablehnungsgesuch unter Aufhebung des FG-Beschlusses vom 23. April 1986 stattzugeben.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) hält die Beschwerde für unbegründet.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat im Ergebnis zu Recht das Ablehnungsgesuch als rechtsmißbräuchlich angesehen.

Gemäß § 51 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) findet die Ablehnung eines Richters statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen.

Hierdurch sollen die Verfahrensbeteiligten vor Unsachlichkeit geschützt werden. Entscheidendes Kriterium für die Richterablehnung ist daher, ob der Betroffene bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlaß hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 25. Januar 1972 2 BvR 1/69, Die Öffentliche Verwaltung - DÖV - 1972, 312).

Das Institut der Richterablehnung ist dagegen kein geeignetes Mittel, Verfahrensbeteiligte vor unrichtigen bzw. für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen eines Richters zu schützen - gleichgültig, ob diese Ansichten materielles Recht oder formelles Recht betreffen (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Juni 1974 VIII B 29/74, BFHE 112, 457, BStBl II 1974, 638, 639). - Auch ist es nicht Sinn der §§ 51 Abs. 1 FGO, 42 ff. ZPO, den Beteiligten die Möglichkeit zu eröffnen, nach ihrem Belieben Einfluß auf die Besetzung der Richterbank zu nehmen (BFH-Beschluß vom 10. März 1972 VI B 141/70, BFHE 105, 316, BStBl II 1972, 570, 571 m.w. Nachw.).

Als mißbräuchlich und daher unzulässig wird demgemäß ein Ablehnungsgesuch nicht nur angesehen, wenn es erkennbar in der Absicht der Prozeßverschleppung angebracht wird oder wenn es sich als pauschale Ablehnung eines ganzen Spruchkörpers darstellt, sondern auch dann, wenn mit ihm sonstige, diesem speziellen Verfahren fremde, von Sinn und Zweck des Ablehnungsrechts offensichtlich nicht erfaßte Ziele verfolgt werden (Beschluß in BFHE 112, 457, BStBl II 1974, 638). Letzteres ist auch der Fall, wenn der vorgebrachte Ablehnungsgrund evident abwegig ist (Beschluß in BFHE 105, 316, BStBl II 1972, 570), d.h. unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen kann (Bundesverwaltungsgericht - BVerwG - Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des BVerwG, 310 § 54 VwGO Nr. 13 und BVerwGE 50, 36, 38).

So aber liegen die Dinge hier: Die vom Beschwerdeführer beanstandete Maßnahme erschöpft sich ebenso in einer reinen Handhabung von Verfahrensrecht wie die Konsequenz der Verfügung vom 4. März 1986, daß ein Richter an einer Sachentscheidung mitwirkt, obgleich der Beschluß, demzufolge er als unbefangen anzusehen ist, noch keine Rechtskraft erlangt hat. Wenn der hierfür maßgebliche verfahrensrechtliche Grundsatz, daß Beschwerden keine aufschiebende Wirkung haben, auch in Befangenheitssachen gilt (§ 131 Abs. 1 Satz 1 FGO; BFH-Beschluß vom 30. November 1981 GrS 1/80, BFHE 134, 525, BStBl II 1982, 217), dann erweist es sich als ,,evident abwegig", einem Richter, der nach diesem Prinzip verfährt (bzw. verfahren will), allein deshalb die Unparteilichkeit i.S. der §§ 51 Abs. 1 FGO, 42 Abs. 2 ZPO abzusprechen. Ein entsprechendes Gesuch offenbart sich als ein von vornherein untaugliches Mittel, den eigenen Standpunkt im Wege der Richterablehnung durchzusetzen.

Daß das FG den Beschluß vom 23. April 1986 unter Mitwirkung des Senatsvorsitzenden erlassen hat, ist daher ebenfalls nicht zu beanstanden (BVerfG-Beschluß vom 22. Februar 1960 2 BvR 36/60, BVerfGE 11, 1, 5; BFH-Beschluß in BFHE 105, 316, BStBl II 1972, 570).

 

Fundstellen

Haufe-Index 414848

BFH/NV 1988, 571

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