Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Fremdgeschäftsführers für Steuerschulden der GbR
Leitsatz (NV)
- Die Erteilung des Auftrages, einzelne Geschäfte oder auch eine beschränkte Zahl von Geschäften in einem bestimmten Wirkungskreis für eine Personenvereinigung zu erledigen, und die Erteilung einer diesbezüglichen Vollmacht, führt nicht zur Haftung. Anders ist es jedoch dann, wenn die Aufgabenstellung des Betreffenden im Hinblick auf die Geschäfte der BGB-Gesellschaft umfassend ist.
- Die fehlende Gesellschafterstellung und die sich daraus ergebende Schwäche der Rechtsstellung eines Fremdgeschäftsführers gegenüber den Gesellschaftern hindern nicht, diesen als Geschäftsführer i.S. des § 34 AO 1977 anzusprechen.
Normenkette
AO 1977 §§ 34, 69
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wird vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) zur Haftung für Umsatzsteuer herangezogen, welche die aus drei Personen bestehende, als X bezeichnete GbR dem FA schuldig geblieben ist. Die Gesellschafter hatten dem Kläger eine umfassende Vollmacht erteilt, sie in allen Angelegenheiten, die das Gesellschaftsvermögen betreffen, zu vertreten. Hiervon hatte der Kläger in der Folgezeit Gebrauch gemacht, so dass ihn das FA als Geschäftsführer der Gesellschaft ansah und gestützt auf die §§ 34 und 69 der Abgabenordnung (AO 1977) für die rückständige Umsatzsteuer in Anspruch nahm.
Die dagegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des Klägers, mit der im Wesentlichen geltend gemacht wird, es bedürfe rechtsgrundsätzlicher Klärung, ob ebenso wie der geschäftsführende Gesellschafter einer GbR von § 34 AO 1977 externe Bevollmächtigte mit ähnlicher Aufgabenstellung erfasst würden.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die ihr von der Beschwerde beigemessene grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Die von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage, ob Geschäftsführer i.S. des § 34 AO 1977 sein kann, wer die Geschäfte einer GbR führt und zur Vornahme der dabei erforderlichen Rechtshandlungen von den Gesellschaftern umfassend bevollmächtigt ist, ohne aber selbst Gesellschafter zu sein, ist anhand der höchstrichterlichen Rechtsprechung ohne weiteres zu beantworten oder kann jedenfalls, sofern sich die Antwort auf diese Frage aus dieser Rechtsprechung nicht in der erforderlichen Klarheit ergeben sollte, nur so beantwortet werden, wie sie das FG beantwortet hat.
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 haben die steuerlichen Pflichten der nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen deren Geschäftsführer zu erfüllen. Grundsätzlich steht die Geschäftsführung den Gesellschaftern gemeinschaftlich zu (§ 709 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ―BGB―), sofern nicht nach dem Gesellschaftsvertrag einzelne von ihnen davon ausgeschlossen sind. Auch nach außen hin verwirklichen nicht rechtsfähige Personenvereinigungen wie die GbR ihren (insbesondere ihren rechtgeschäftlichen) Willen durch das gemeinschaftliche Handeln ihrer Gesellschafter bzw., sofern einzelne ihre Vertretungsmacht durch Vollmachtserteilung auf andere übertragen haben (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs ―BGH― vom 30. April 1979 II ZR 137/78, BGHZ 74, 240), durch die vertretungsberechtigten Gesellschafter (zum Verpflichtungsgrund der Gesellschafter bei nicht rechtsgeschäftlichem Handeln der Gesellschaft vgl. BGH-Urteil vom 29. Januar 2001 II ZR 331/00, BGHZ 146, 341); sie können organschaftlich ("gesellschaftlich", vgl. BGH-Urteil vom 22. Januar 1962 II ZR 11/61, BGHZ 36, 292) nicht wie insbesondere die GmbH durch einen ("externen") Geschäftsführer vertreten werden. Dieser Grundsatz der Selbstorganschaft schließt indes, wie in der Rechtsprechung u.a. durch das BGH-Urteil vom 20. September 1993 II ZR 204/92 (Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1993, 1918) geklärt ist, nicht aus, dass die Gesellschafter einer GbR die Geschäfte durch einen Dritten als Fremdgeschäftsführer führen lassen und diesen mit entsprechenden umfassenden Vollmachten ausstatten, ihm also ein abgeleitetes Geschäftsführungs- und Vertretungsrecht einräumen. Die Erteilung des Auftrages, einzelne Geschäfte oder auch eine beschränkte Zahl von Geschäften in einem bestimmten Wirkungskreis für eine Personenvereinigung zu erledigen, und die Erteilung einer diesbezüglichen Vollmacht, führen freilich nicht dazu, dass der Betreffende i.S. des § 34 AO 1977 als Geschäftsführer der Personenvereinigung angesprochen werden und nach § 69 AO 1977 in Haftung genommen werden kann, wenn die steuerlichen Pflichten der Personenvereinigung nicht erfüllt werden. Anders ist es jedoch dann, wenn die Aufgabenstellung des Betreffenden im Hinblick auf die Geschäfte der Gesellschaft umfassend ist, der Betreffende mit der Rechtsmacht ausgestattet ist, diese Aufgaben wahrzunehmen, und dies auch tatsächlich tut. Das Vorbringen der Beschwerde gibt dem beschließenden Senat keinen Anlass, näher die Kriterien darzustellen, anhand derer abzugrenzen wäre, wann in dem vorgenannten Sinne von einer "umfassenden" Beauftragung auszugehen und wann ein für eine Haftungsinanspruchnahme nicht ausreichendes bloßes Geschäftsbesorgungsverhältnis anzunehmen ist, mag dieses sich auch ―wie z.B. mitunter bei einem mit der selbständigen Erledigung der Angelegenheiten der Gesellschaft beauftragten Steuerberater oder Rechtsanwalt― möglicherweise gerade auf die Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten beziehen (vgl. Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 35 AO 1977 Rz. 18 unter dem Gesichtspunkt dieser Vorschrift); denn nach der überzeugenden tatrichterlichen Würdigung der im Streitfall gegebenen Verhältnisse erscheint zweifelsfrei, dass jedenfalls der Kläger in dem maßgeblichen Sinne umfassend mit der Erledigung der Angelegenheiten der Gesellschaft betraut und mithin deren Geschäftsführer war. Die ihm als Fremdgeschäftsführer fehlende Gesellschafterstellung und die sich daraus ergebende Schwäche seiner Rechtsstellung gegenüber den Gesellschaftern hindern nicht, eine solche Person als Geschäftsführer i.S. des § 34 AO 1977 anzusprechen. Dementsprechend hat der Bundesfinanzhof (BFH) in dem Urteil vom 15. Oktober 1998 III R 58/95 (BFHE 187, 141, BStBl II 1999, 237), auf das bereits das FG mit Recht hingewiesen hat, alle Personen als Geschäftsführer bezeichnet, die die Geschäfte nichtrechtsfähiger Personenvereinigungen oder Vermögensmassen tatsächlich führen.
Es fehlt auch an einem einleuchtenden Grund, Personen, die sich nach Umfang und Ausmaß der Wahrnehmung von Aufgaben der Gesellschaft genauso wie ein organschaftlich bestellter Geschäftsführer gerieren, von der Haftung für die Nichterfüllung der steuerlichen Pflichten einer Personengesellschaft allein deshalb freizustellen, weil sie Gesellschafterrechte nicht in Anspruch nehmen können. Die von der Beschwerde in diesem Zusammenhang für wesentlich erachtete Weisungsabhängigkeit und Abberufbarkeit solcher Geschäftsführer ist grundsätzlich auch bei dem Geschäftsführer einer GmbH gegeben (vgl. insbesondere § 37 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung), dessen Haftung aufgrund des § 34 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative AO 1977 unzweifelhaft ist. Dass eine solche Haftungsfreistellung entgegen der Annahme der Beschwerde auch nicht dem Sinn und Zweck des § 34 AO 1977 entsprechen kann, zeigt überdies § 35 AO 1977, nach welcher Vorschrift nämlich die Betreffenden, wenn sie nicht als Geschäftsführer anzusehen sein sollten, auf Haftung in Anspruch genommen werden könnten. So hat der BFH bereits in seinem Urteil vom 20. Juli 1988 I R 104/83 (BFH/NV 1989, 478) als verfügungsberechtigt i.S. des § 35 AO 1977 angesehen, wer von einer Gesellschaft mit der Erledigung steuerlicher Angelegenheiten beauftragt ist und diese Angelegenheiten auch tatsächlich erledigt hat, wenn er "von dieser Möglichkeit … umfassend Gebrauch gemacht (und) … wie ein Geschäftsführer oder ein mit umfassenden Befugnissen ausgestatteter Bevollmächtigter tätig geworden (ist) und … (die Gesellschaft) vertreten (hat)".
So liegt es nach den tatsächlichen Feststellungen des FG im Streitfall, so dass zumindest im Ergebnis die Rechtmäßigkeit der Haftungsinanspruchnahme des Klägers feststeht und von einem Revisionsverfahren keine Klärung der Frage erwartet kann, ob die Haftung (auch) auf § 34 AO 1977 gestützt werden kann.
Fundstellen
Haufe-Index 906398 |
BFH/NV 2003, 593 |