Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde: Aufrechnung mit einer Forderung aus abgetretenem Recht
Leitsatz (NV)
Wird gegen einen Steueranspruch mit einem Gegenanspruch aus abgetretenem Recht aufgerechnet und ist für dessen Feststellung, ebenso wie für die Beurteilung der Wirksamkeit der Abtretung, das FA nicht selbst zuständig, so genügt zur Ablehnung der Aufrechnung der Hinweis, dass das zuständige FA die Wirksamkeit der Abtretung (hier unter Hinweis auf § 46 Abs. 4 AO 1977) bestreitet.
Normenkette
AO 1977 § 46 Abs. 4-5, § 226 Abs. 3
Tatbestand
I. Die als Steuerberaterin tätige Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ließ sich zur Begleichung von Gebührenforderungen einen Teilbetrag des Einkommensteuererstattungsanspruchs ihrer Mandanten (M) abtreten. Die Abtretungsanzeige ging Januar 1999 bei dem für die Veranlagung der M zuständigen Finanzamt O-Nord (FA O-Nord) ein. Ebenfalls mit Schreiben vom Januar 1999 erklärte die Klägerin gegenüber dem FA O-Nord die Aufrechnung des abgetretenen Teilbetrages gegen die beim Beklagten und Revisionsbeklagten (FA O-Süd ―FA―) bestehenden eigenen Steuerschulden.
Im März 1999 erklärte das FA O-Nord seinerseits die Aufrechnung des gesamten Einkommensteuererstattungsbetrages mit Steuerschulden der M und teilte dies der Klägerin mit.
Auf Antrag der Klägerin erließ das FA einen Abrechnungsbescheid, mit dem es feststellte, dass eine Aufrechnung der Steuerschulden der Klägerin mit dem Erstattungsanspruch der M nicht möglich sei, da das FA O-Nord den Erstattungsanspruch mit eigenen Forderungen verrechnet habe. Außerdem sei die Abtretungsanzeige der M nach den Feststellungen des FA O-Nord nichtig.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, die Steuerschulden der Klägerin seien nicht durch die Aufrechnung der Klägerin mit dem Erstattungsanspruch der M erloschen. Eine Aufrechnung sei gemäß § 226 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) nur mit unbestrittenen Forderungen möglich, was nur der Fall sei, wenn die Gegenforderung anerkannt sei oder Einwendungen gegen sie nicht erhoben würden. Da im Streitfall verschiedene Behörden für die Feststellung von Haupt- und Gegenforderung zuständig seien, müsse die Klägerin auch darlegen, dass ihr der Erstattungsanspruch der M zustehe. Daran fehle es, da das FA O-Nord die Abtretung nicht als wirksam anerkannt habe.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde. Die Zulassung sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Das FG weiche von zwei Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) ab und setze sich zudem in Widerspruch zu zwei weiteren Entscheidungen des BFH.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Es kann dahinstehen, ob die Beschwerde die Anforderungen an die Darlegung der Sicherung der Rechtseinheit (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―-) erfüllt. Denn die von der Klägerin zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde behauptete Abweichung des FG-Urteils von den Entscheidungen des BFH liegt nicht vor; es steht nicht im Widerspruch zu den Entscheidungen des BFH.
1. Die von der Klägerin gerügte Abweichung des FG-Urteils von dem Urteil des BFH vom 9. Dezember 1954 II 178/54 (BStBl III 1955, 32) liegt schon deshalb nicht vor, weil der BFH, worauf die Klägerin selbst hinweist, von dem darin aufgestellten Rechtssatz, wonach bei der Aufrechnung der Steuerpflichtigen nach § 124 der Reichsabgabenordnung (AO) die Gegenansprüche, mit denen aufgerechnet werden soll, nicht schon dann als bestritten anzusehen sind, wenn die Einwendungen des Fiskus lediglich formale und nicht sachlich beachtenswerte Gründe enthalten, in seinem Urteil vom 10. Juli 1979 VII R 114/75 (BFHE 128, 160, BStBl II 1979, 690) für den Fall wieder abgerückt ist, dass gegen einen Steueranspruch mit einem Gegenanspruch aufgerechnet wird, für dessen Feststellung das FA nicht selbst zuständig ist. Im Streitfall ist für die Feststellung des Bestehens des Gegenanspruchs in der Person der Klägerin nicht das beklagte FA sondern das FA O-Nord zuständig, so dass die Entscheidung in BStBl III 1955, 32 insoweit nicht mehr einschlägig ist. Im Übrigen lag der Entscheidung des BFH in BStBl III 1955, 32 ein anderer Sachverhalt zu Grunde. So war nach den Feststellungen des FG nicht ersichtlich, ob die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung überhaupt bestritten war. In diesem Zusammenhang stehen sodann die Ausführungen des BFH, dass das FA der Aufrechnung nur dann widersprechen kann, wenn es sich zu den Gegenforderungen substantiiert erklärt und seine etwaigen Einwendungen begründet. Im Streitfall hatte das für die Beurteilung zuständige FA O-Nord die Wirksamkeit der Abtretung und damit die Inhaberschaft der Klägerin an der Gegenforderung ausdrücklich bestritten und dies den Beteiligten mitgeteilt. An diese Rechtsansicht des FA O-Nord war das beklagte FA gebunden. Anders als die Klägerin meint, ist die Beurteilung der Frage, ob der Erwerb einer Steuerforderung gemäß § 46 Abs. 4 AO 1977 geschäftsmäßig ist, kein bloß formaler oder sachlich nicht beachtenswerter Einwand. Vielmehr führt ein Verstoß gegen § 46 Abs. 4 AO 1977 zur Nichtigkeit der Abtretung (§ 46 Abs. 5 AO 1977). Ohne den derivativen Erwerb der Forderung durch die Klägerin scheidet die Aufrechnung jedoch aus, weil es an der Gegenseitigkeit, d.h. der Identität zwischen Gläubiger und Schuldner der aufgerechneten Forderungen, fehlt. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, hätte die Klägerin daher im Streitfall darlegen müssen, dass ihr der dem Grunde nach unstreitige Erstattungsanspruch der M zusteht.
Nach den vorhergehenden Ausführungen liegt auch keine Abweichung des FG-Urteils von dem Urteil des BFH in BFHE 128, 160, BStBl II 1979, 690 vor. Denn der BFH hat in dieser Entscheidung ausgeführt, dass in den Fällen, in denen eine andere Behörde für die Feststellung des Bestehens der zur Aufrechnung gestellten Forderung zuständig ist, der Steuerschuldner darzulegen habe, dass die Forderung entweder rechtskräftig festgestellt oder unbestritten sei. Ein Rechtssatz des Inhalts, dass das FA im Falle der Aufrechnung mit einer Steuerforderung aus abgetretenem Recht die Inhaberschaft und damit die Wirksamkeit der Abtretung aufgrund eigener Sachkunde prüfen müsse, auch wenn diese Prüfung in den Zuständigkeitsbereich eines anderen FA fällt, kann der Entscheidung nicht entnommen werden.
Mangels vergleichbaren oder gleichgelagerten Sachverhalts liegt schließlich auch keine Abweichung des FG-Urteils von den BFH-Urteilen vom 6. Februar 1990 VII R 86/88 (BFHE 160, 108, BStBl II 1990, 523) und vom 21. November 1995 VII R 30/95 (BFH/NV 1996, 387) vor. Denn in beiden Entscheidungen hatte der BFH über einen Sachverhalt zu entscheiden, in dem das FA zur Entscheidung sowohl über die Haupt- als auch über die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung zuständig war.
2. Geht man davon aus, dass auch Fehler von erheblichem Gewicht bei der Auslegung revisiblen Rechts, die geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen, die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung rechtfertigen können (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO; vgl. Gesetzesbegründung in BTDrucks 14/4061), so hätte die Klägerin die grobe Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Urteils darlegen müssen. Der Beschwerde sind aber keine Gründe zu entnehmen, aus denen sich ergibt, dass das Gericht Fehler von so erheblichem Gewicht begangen hat, dass das Vertrauen in die Rechtsprechung beschädigt sein könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 905248 |
BFH/NV 2003, 446 |