Leitsatz (amtlich)
Vertritt ein Bevollmächtigter den Steuerpflichtigen sowohl im Einspruchsverfahren als auch im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung und setzt das HZA die Vollziehung des angefochtenen Bescheides aus, so gehört eine nur im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung entstandene Besprechungsgebühr (§ 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGebO) nicht zu den gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO zu erstattenden Aufwendungen, wenn das FG im Verfahren zur Hauptsache die Kosten dem HZA auferlegt.
Normenkette
FGO § 139 Abs. 1, 3 S. 3; BRAGO § 118 Abs. 1 Nr. 2, § 119 Abs. 1, 3
Tatbestand
Der Beklagte und Beschwerdegegner (HZA) forderte von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) Eingangsabgaben nach. Den Einspruch legten namens der Klägerin deren Prozeßbevollmächtigte ein. Gleichzeitig beantragten sie Aussetzung der Vollziehung. In der Folgezeit bemühte sich der Prozeßbevollmächigte Rechtsanwalt Dr. A wiederholt auch fernmündlich beim HZA um Aussetzung der Vollziehung. Das HZA gab dem Antrag statt.
Nach Zurückweisung des Einspruchs erhob die Klägerin, vertreten durch die Prozeßbevollmächtigten, Klage. Nach Durchführung zweier Termine ermäßigte das HZA die geltend gemachte Nachforderung, woraufhin die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärten. Mit Beschluß vom 8. März 1973 legte das FG die Kosten des Verfahrens dem HZA auf und erklärte die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig.
Der Urkundsbeamte setzte die erstattungsfähigen Kosten nicht, wie von der Klägerin beantragt, fest. Auf die daraufhin von der Klägerin erhobene Erinnerung änderte das FG Münster mit Beschluß vom 2. Juli 1975 IV 850/72 Ko (EFG 1976, 21) den Kostenfestsetzungsbeschluß und setzte die zu erstattenden Kosten auf 7 177,11 DM fest. Im übrigen wies es die Erinnerung zurück. Unter anderem lehnte das FG die Erstattung einer Besprechungsgebühr in Höhe von 520 DM ab, die die Klägerin mit der Begründung angesetzt hatte, daß ihr Prozeßbevollmächtigter mehrmals fernmündlich mit dem HZA wegen der Aussetzung der Vollziehung verhandelt habe. Es führte dazu aus, daß Vorverfahren i. S. des § 139 Abs. 1 FGO nur das durch einen außergerichtlichen Rechtsbehelf eingeleitete Verfahren sei, das dem Rechtsstreit vorausgehe und der Nachprüfung des Verwaltungsaktes diene (§ 44 Abs. 1 FGO). Das behördliche Aussetzungsverfahren nach § 242 Abs. 2 AO gehöre nicht hierzu, da es nicht der Nachprüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes diene. Beim Verfahren der Aussetzung der Vollziehung handle es sich um ein rechtlich verselbständigtes, mit eigenen Rechtsbehelfen ausgestattetes Verfahren, dessen Beschwerdekosten ausschließlich im Rahmen dieses Verfahrens zu erstatten seien und dies auch nur, wenn es sich bis zu einem Klageverfahren entwickelt habe. § 119 Abs. 3 BRAGebO greife nicht Platz. Diese Bestimmung befasse sich im Gegensatz zu § 139 FGO nicht mit der Frage der Erstattungsfähigkeit von Kosten im Verhältnis der Beteiligten eines Rechtsstreits, sondern nur mit Gebührenansprüchen des Rechtsanwalts im Verhältnis zu seinem Auftraggeber.
Das FG ließ die Beschwerde zu.
Ihre gegen den Beschluß eingelegte Beschwerde begründete die Klägerin wie folgt: Die Besprechungsgebühr gehöre deshalb zu den erstattungsfähigen Kosten des Vorverfahrens i. S. von § 139 Abs. 1 FGO, weil nach § 119 Abs. 3 BRAGebO das Verwaltungsverfahren auf Aussetzung der Vollziehung mit dem Einspruchsverfahren zusammen eine Angelegenheit bilde. § 119 Abs. 3 BRAGebO sei nicht mit § 119 Abs. 1 BRAGebO zu vergleichen. Letztere Vorschrift befasse sich offensichtlich mit den Gebühren eines Verwaltungsverfahrens, welches dem Vorverfahren i. S. von § 139 Abs. 1 FGO vorangegangen sei. Damit sei klar, daß die Kosten dieses vorangegangenen Verwaltungsverfahrens keine Kosten des Vorverfahrens i. S. von § 139 Abs. 1 FGO darstellten. Ihre Verbindung mit den Kosten des Vorverfahrens habe nur gebührenrechtliche Bedeutung. Im Falle des § 119 Abs. 3 BRAGebO bestehe eine andere Situation. Die Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheides setze voraus, daß dieser angefochten sei, also bereits ein Vorverfahren i. S. des § 139 Abs. 1 FGO schwebe. Gegenstand des Einspruchs sowie des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung, die in der Regel gleichzeitig eingelegt bzw. beantragt würden, sei die Frage der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheides. Unterschiede bestünden lediglich in dem Grad der Prüfung dieser Frage. Eine rechtliche Verselbständigung dieses eine Einheit bildenden Verfahrens über den Einspruch und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung finde erst statt, wenn die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ablehne. Sämtliche nach § 119 Abs. 3 BRAGebO entstandenen Gebühren seien als solche des Vorverfahrens i. S. des § 139 Abs. 1 FGO zu behandeln, und zwar gleichgültig, ob ihr Schwergewicht mehr auf dem Einspruchsverfahren oder dem Verfahren der Aussetzung der Vollziehung liege.
Das HZA beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Das FG hat zu Recht entschieden, daß die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr geltend gemachten Besprechungsgebühr (§ 118 Abs. 1 Nr. 2 BRA-GebO) hat. Zu den Kosten des Verfahrens, die nach dem Beschluß des FG dem HZA zur Last fallen, gehören gemäß § 139 Abs. 1 FGO auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Verfahrens. Da das FG die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt hat, sind grundsätzlich auch die der Klägerin im Vorverfahren entstandenen Anwaltskosten erstattungsfähig. Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin gehört im Streitfall die im Verlaufe des Einspruchsverfahrens entstandene Besprechungsgebühr nicht zu den erstattungsfähigen Kosten. Wie im Beschwerdeverfahren nicht mehr bestritten wird, betrafen die vom bevollmächtigten Rechtsanwalt nach Einlegung des Einspruchs mit dem HZA geführten Ferngespräche stets nur die Frage der Aussetzung der Vollziehung bzw. der dazu vom HZA geforderten Sicherheitsleistung. Das HZA hat dem gemäß § 242 Abs. 2 AO gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung entsprochen. Die Klägerin war daher weder darauf angewiesen, gegen einen ablehnenden Bescheid Beschwerde einzulegen noch nach einer evtl. Zurückweisung dieser Beschwerde Klage zu erheben. Das FG war im Klagewege nur mit der Frage befaßt, ob der angefochtene Bescheid rechtmäßig war. Die nach Erledigung der Hauptsache ergangene isolierte Kostenentscheidung betrifft danach, soweit es um die Erstattung auch der Kosten des Vorverfahrens geht, nur die im Einspruchsverfahren entstandenen Rechtsanwaltsgebühren.
An diesem Ergebnis ändert im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin nichts, daß gemäß § 119 Abs. 3 BRA-GebO das Verwaltungsverfahren auf Aussetzung der Vollziehung zusammen mit den in Absatz 1 genannten Verfahren (im Streitfalle kommt, weil der Rechtsanwalt erst im Einspruchsverfahren von der Klägerin bevollmächtigt worden ist, nur das Einspruchsverfahren in Betracht) eine Angelegenheit ist. Diese Bestimmung besagt lediglich, daß der Rechtsanwalt im Verhältnis zu seinem Mandanten keine besondere Gebühr erhält, wenn er gleichzeitig im Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung und im Einspruchsverfahren mit der Vertretung beauftragt ist (vgl. Lauterbach-Hartmann, Kostengesetze, 18. Aufl., § 119 BRAGebO Anm. 3). Die verfahrensrechtliche Selbständigkeit des Verfahrens der Aussetzung der Vollziehung neben dem Einspruchsverfahren wird durch diese rein gebührenrechtliche Regelung nicht berührt. Daran besteht im übrigen schon nach dem Wortlaut des § 119 Abs. 3 BRAGebO keinerlei Zweifel.
Fundstellen
Haufe-Index 72072 |
BStBl II 1977, 557 |
BFHE 1978, 15 |