Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf Vorabentscheidung vom 07.07.1987 - VII K 3/86

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Tarifierung eines Halberzeugnisses aus Kunststoff, Kohlenstoffasern und Glasfasergewebe.

2. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden gemäß Art.177 Abs.1 und 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft folgende Fragen vorgelegt: a) Ist der Gemeinsame Zolltarif dahin auszulegen, daß aus Epoxidharz (Anteil 36 GHT), Kohlenstoffasern (Anteil 42 GHT) und Glasfasergewebe (Anteil 22 GHT) bestehende, zur Herstellung von Rohren bestimmte Halberzeugnisse in Folienform als Kunststofferzeugnisse zur Tarifnr. 39.01 des Gemeinsamen Zolltarifs gehören? b) Falls Erzeugnisse der vorstehenden Art von Kap.39 des Gemeinsamen Zolltarifs ausgeschlossen sind: Ist der Gemeinsame Zolltarif dahin auszulegen, daß entsprechende Erzeugnisse nach dem dann als charakterbestimmend anzusehenden Kohlenstoffaseranteil zu tarifieren und somit der Tarifnr. 68.16 des Gemeinsamen Zolltarifs zuzuweisen sind?

 

Normenkette

GZT Tarifnr 39.01 Tarifst C-7; GZT Tarifnr 68.16 Tarifst B; GZT ATV 3b; EWGVtr Art. 177 Abs. 1, 3

 

Nachgehend

EuGH (Entscheidung vom 21.06.1988; Aktenzeichen 253/87)

 

Tatbestand

Die Beklagte (Oberfinanzdirektion --OFD--) erteilte der Klägerin auf deren Antrag eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) --Nr.535/1983 vom 19.Dezember 1983-- über "Kohlenstoffaser- Prepregs", die aus den USA eingeführt und zur Herstellung von Angelruten und Rohren verwendet werden. Die OFD beschrieb die Ware als nicht vollständig auskondensierte (härtbare) Epoxidharzfolie, in die eine Lage Kohlenstoffaser-Multifilamente (Anteil 42 GHT) und eine Lage Glasfasergewebe (Anteil 22 GHT) vollständig eingebettet sei, und wies sie der Tarifst. 39.01 C VII des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) --"anderes" Polykondensationserzeugnis-- zu. Gegen diese vZTA legte die Klägerin Einspruch ein. Die OFD wies den Einspruch zurück.

Mit der Klage wird geltend gemacht, charakterbestimmend für das insbesondere zum Einsatz im Flugzeugbau entwickelte Erzeugnis seien die Kohlenstoffasern, wie sich schon aus dem Verhältnis ihres Wertes (150 : 6) und ihres Gewichts zu Wert und Gewicht des Epoxidharzes ergebe, das der Vorimprägnierung (preimpregnated-"Prepreg"), der Verklebung und dem Schutze der Fasern diene. Biegesteifigkeit und Bruchfestigkeit der Ware würden zu über 95 v.H. durch die Kohlenstoffasern bewirkt, nicht durch das Harz. Eine nur glasfaserverstärkte Kunststoffolie liege nicht vor. Das Harz übe lediglich eine Hilfs- und Nebenfunktion aus; würde zuviel Harz beim Imprägnieren eingesetzt, so könne der entscheidende Vorteil --hohe Biege- und Bruchfestigkeit bei äußerst leichtem Gewicht-- nicht erreicht werden. Sowohl in Frankreich als auch in der Schweiz würden entsprechende Waren (als "fibres de carbone") - richtig - der Tarifnr. 68.16 zugewiesen.

Die OFD trägt vor, die in der Ware --einer 0,28 mm dicken Harzplatte mit Faser- und Gewebeeinlagerung-- enthaltenen Kohlenstoffasern und das Glasfasergewebe seien mit dem Epoxidharz nicht nur imprägniert oder vorbehandelt, sondern vollständig und bleibend darin eingebettet. Diese Einbettung und Umschließung der einzelnen Fasern sei eine Voraussetzung für die Erzielung der angestrebten Produkteigenschaften. Da Kap.39 GZT auch Kunststoffe mit Gerüststoffen umfasse, sei die Ware zolltariflich als Kunststoff (der Tarifst. 39.01 C VII) zu behandeln, ohne daß es auf die Wert- und Gewichtsanteile ihrer Komponenten ankomme.

Die in Frankreich und in der Schweiz erteilten zollamtlichen Auskünfte beträfen Waren mit teilweise abweichender Beschaffenheit --über 50 v.H. Kohlenstoffaser bzw. 0,2 mm Dicke-- und seien im übrigen nicht verbindlich.

Auch nachdem die vZTA infolge Aufgliederung der in ihr angewandten Tarifstelle 39.01 C VII durch Verordnung (EWG) Nr.750/87 des Rates vom 16.März 1987 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 76/1) außer Kraft getreten ist, wird der Rechtsstreit fortgeführt.

 

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt von der Auslegung von Gemeinschaftsrecht --des GZT-- ab.

Zu tarifieren sind aus Epoxidharz (Anteil 36 GHT), Kohlenstoffasern und Glasfasergewebe bestehende, zur Herstellung von Rohren bestimmte Halberzeugnisse in Folienform, die von der Klägerin als harzimprägnierte Fasern/Gewebe, von der OFD als faserverstärkte Harzplatten angesehen werden. Der Senat hält die feststehende Beschaffenheit der Waren für tarifierungserheblich; die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob die Steifigkeit der Erzeugnisse im wesentlichen auf den Harz- oder auf den Kohlenstoffaseranteil zurückzuführen ist, ist allenfalls von untergeordneter Bedeutung.

Wären die Erzeugnisse zolltariflich als faserverstärkte Harzplatten zu beurteilen, so wäre die Klage abzuweisen. In diesem Falle lägen "andere" Polykondensationserzeugnisse in Formen gemäß Vorschrift 3 d zu Kap.39 GZT vor, somit Waren der Tarifst. 39.01 C VII GZT (nunmehr ihres Unterabsatzes a 2). Der Umstand, daß in Erzeugnisse aus Kunststoff --hier Epoxidharz, einem Polykondensationserzeugnis; vgl. Vorschrift 2 c zu Kap.39; Erläuterungen zum Zolltarif (ErlZT) zu Tarifnr. 39.01 Teil I Rdziff.32 ff.-- eine Verstärkung aus Fasern eingebettet ist, bleibt ohne Einfluß auf die Tarifierung; vgl. Allgemeine Tarifierungs-Vorschrift (ATV) 2b Satz 1; ErlZT zu Kap.39 Teil I Rdziff.28 und den in ErlZT zu Tarifnr. 39.01 Teil III Rdziff.7 angeführten Tarifentscheid des Ausschusses für das Schema des GZT vom 22.September 1972 über "Epoxyharzfolien" mit Gewebe aus Glasfasern.

Es ist jedoch zweifelhaft, ob Erzeugnisse der vorliegenden Art mit hohem Anteil an Kohlenstoffasern noch den Charakter von Kunststofferzeugnissen aufweisen. Falls dies zu verneinen wäre, müßten die Waren mangels spezifischer Tarifierungsvorschriften nach den Grundsätzen der ATV tarifiert werden. In Betracht käme dann eine Zuweisung zu Tarifst. 68.16 B GZT, wenn der Kohlenstoffaseranteil als charakterbestimmend anzusehen wäre (ATV 3b; vgl. auch ErlZT zu ATV 3 Teil I Rdziff.17). Eine derartige Tarifierung entspräche derjenigen, die französische und schweizerische Zollbehörden für vergleichbare Waren vorgenommen haben.

Wegen der hiernach bestehenden Zweifel über die Tarifierung hat der Senat beschlossen, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die aus dem Tenor dieses Beschlusses ersichtlichen Fragen vorzulegen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61928

BFHE 150, 248

BFHE 1987, 248

HFR 1987, 577-577 (S)

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