Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert bei gerügter Überschreitung des Klageantrags durch das FG; keine Bindung des BFH an Streitwertfestsetzung des FG
Leitsatz (NV)
1. Wird die Zulassung der Revision mit der Begründung begehrt, das FG sei über den Klageantrag hinausgegangen, so ist die gerügte Überschreitung des Klageantrags bei der Bestimmung des Wertes des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 18. Februar 1986 VII R 98/85, BFHE 146, 279, BStBl II 1986, 571).
2. Die Revisionsinstanz ist nicht an eine möglicherweise unzutreffende Streitwertermittlung des FG oder des Kostenbeamten des FG gebunden (Anschluß an BFH-Beschlüsse vom 25. Februar 1994 XI E 1/94, BFH/NV 1994, 819; vom 18. Februar 1994 VIII E 5/93, BFH/NV 1995, 330; Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 1992 6 B 42.92, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 360, § 14 GKG Nr. 4).
Normenkette
GKG § 5 Abs. 1, § 13 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 14 Abs. 2 S. 1
Tatbestand
Der Kostenschuldner und Erinnerungsführer (Erinnerungsführer) wird mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Nach dem Ausbau des Dachgeschosses ihres Reihenhauses bemühten sich die Eheleute erfolglos um eine Artfortschreibung des Einheitswerts zur Grundstücksart "Zweifamilienhaus". In ihren Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1982 und 1983 erklärten sie bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung jeweils Mieteinnahmen in Höhe von ... DM, einen Mietwert für die selbstgenutzte Wohnung von ... DM und Werbungskosten von ... DM (1982) bzw. von ... DM (1983) sowie nicht bezifferte Absetzungen für Abnutzungen (AfA). Demgegenüber ermittelte das Finanzamt (FA) in den Einkommensteuerbescheiden für 1982 und 1983 die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) und ließ lediglich jeweils erhöhte AfA nach § 7 b EStG in Höhe von ... DM (5 v. H. von ... DM) zum Abzug zu. Gleichzeitig lehnte es eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen ab. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Im Klageverfahren entschied das Finanzgericht (FG) über den ausweislich des Sitzungsprotokolls gestellten Antrag der Eheleute, das Wohnhaus bei den Einkommensteuerveranlagungen 1982 und 1983 mit Wirkung ab dem 1. April 1982 im Billigkeitswege als Zweifamilienhaus zu behandeln. Das FG wies die Klage ab. Ein Streitwert wurde nicht festgestellt. Nach Zustellung des Urteils begehrten die Eheleute, das Sitzungsprotokoll zu berichtigen, weil sie den Klageantrag auf das Jahr 1982 beschränkt hätten. Das FG lehnte den Berichtigungsantrag ab.
Der Erinnerungsführer legte gegen das Urteil Beschwerde ein mit dem Antrag, "die Revision zuzulassen und das Urteil ... aufzuheben und das Wohnhaus bei der Einkommensteuerveranlagung 1982 mit Wirkung vom 1. April 1982 im Billigkeitswege als Zweifamilienhaus anzuerkennen". Der erkennende Senat verwarf mit Beschluß vom ... die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision als unzulässig und legte dem Erinnerungsführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens auf. Ein Streitwert wurde nicht festgesetzt.
Die Kostenstelle des FG ermittelte in ihrer Kostenrechnung den Kostenansatz ausgehend von einem Streitwert von ... DM.
Mit Kostenrechnung vom 10. Januar 1994 setzte die Kostenstelle des Bundesfinanzhofs (BFH) gegen den Erinnerungsführer die Gerichtskosten in Höhe von ... DM an. Hierbei legte sie einen höheren Streitwert als die Kostenstelle des FG zugrunde, den sie ausgehend von zusätzlich begehrten Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung von ... DM für 1982 und ... DM für 1983 ermittelt hatte.
Mit seiner Erinnerung gegen die Kostenrechnung macht der Erinnerungsführer geltend, in der zweiten Instanz könne der Streitwert nicht höher sein als in der ersten Instanz. Zu Unrecht habe die Kostenstelle des BFH den für das ganze Jahr 1982 erklärten Werbungskostenüberschuß zugrunde gelegt. Der Klageantrag habe sich lediglich auf die Besteuerung ab April 1982 bezogen. Ein Streitwert für 1983 dürfe mangels eines entsprechenden Klageantrags nicht angesetzt werden.
Der Erinnerungsführer beantragt sinngemäß, die Kostenrechnung abzuändern.
Der Vertreter der Staatskasse beim BFH beantragt, die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Erinnerung ist im Ergebnis unbegründet.
1. Mit der Erinnerung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) können auch Einwendungen gegen den vom Kostengläubiger zugrunde gelegten Streitwert geltend gemacht werden (BFH-Beschluß vom 10. April 1990 III E 2/89, BFH/NV 1991, 552).
Für den Streitwert einer Nichtzulassungsbeschwerde ist der Wert des künftigen Revisionsbegehrens entscheidend (BFH-Beschluß vom 12. August 1994 V E 1/94, BFH/NV 1995, 428). Im Revisionsverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelklägers (§ 14 GKG). Im übrigen gilt in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit für die Streitwertbestimmung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG, daß bei einem Antrag, der einen auf eine bezifferte Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt betrifft, deren Höhe maßgebend ist (§ 13 Abs. 2 GKG), während in den anderen Fällen der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen ist (§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG).
2. Das angekündigte Revisionsbegehren bezog sich zum einen auf die Höhe der Steuerfestsetzung für 1982. Zu Recht beantragt der Erinnerungsführer, daß für die Streitwertermittlung insoweit nur der für die Monate April bis Dezember 1982 begehrte zusätzliche Werbungskostenüberschuß zugrunde gelegt wird. Den auf diese Monate entfallenden Anteil an dem in der Steuererklärung bezifferten Werbungskostenüberschuß schätzt der Senat auf ... DM (9/12 von ... DM). Jedoch hatte der Erinnerungsführer nicht nur diesen bezifferten Werbungskostenüberschuß geltend gemacht, sondern darüber hinaus sinngemäß erhöhte Absetzungen nach § 7 b EStG in Höhe von ... DM (5 v. H. von ... DM, stets Jahres-AfA) und nach § 7 Abs. 4 EStG in Höhe von rd. ... DM (9/12 von 2 v. H. von rd. ... DM, d. h. zeitanteilig für 9 Monate). Somit ergibt sich bezogen auf die Einkommensteuerfestsetzung 1982 folgender Teilstreitwert: ...
3. Die begehrte Zulassung der Revision und das angekündigte Revisionsbegehren betrafen des weiteren das finanzgerichtliche Urteil wegen Einkommensteuer 1983. Der Erinnerungsführer machte ausdrücklich geltend, dieses sei aufzuheben, weil das FG insoweit über den Klageantrag hinausgegangen sei. Entgegen der Auffassung des Erinnerungsführers ist deshalb im Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision -- unabhängig vom behaupteten Klageantrag im finanzgerichtlichen Verfahren -- auch das Streitjahr 1983 bei der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen (vgl. auch BFH-Urteil vom 18. Februar 1986 VII R 98/85, BFHE 146, 279, BStBl II 1986, 571).
Für den Veranlagungszeitraum 1983 ergibt sich folgender Teilstreitwert: ...
4. Der (Gesamt-)Streitwert in Höhe von ... DM ( ... DM Teilstreitwert 1982 und ... DM Teilstreitwert 1983) ist dem Kostenansatz für das Beschwerdeverfahren zugrunde zu legen, obwohl der Kostenansatz des FG auf der Annahme eines niedrigeren Streitwerts beruht. Die Revisionsinstanz ist nicht an eine möglicherweise unzutreffende Streitwertermittlung des FG oder des Kostenbeamten des FG gebunden (BFH-Beschlüsse vom 25. Februar 1994 XI E 1/94, BFH/NV 1994, 819; vom 18. Februar 1994 VIII E 5/93, BFH/NV 1995, 330; Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 1992 6 B 42.92, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 360, § 14 GKG Nr. 4). Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 GKG wird der Streitwert des Revisionsverfahrens zwar durch den Wert des Streitgegenstands der ersten Instanz begrenzt. Hierfür kommt es jedoch nicht auf die Höhe des in der ersten Instanz angesetzten, sondern des nach § 13 GKG objektiv angemessenen Streitwerts an. Ist letzterer in der ersten Instanz zu niedrig ermittelt worden, so darf ihn das Rechtsmittelgericht erhöhen.
Fundstellen
Haufe-Index 421822 |
BFH/NV 1997, 519 |