Entscheidungsstichwort (Thema)
Einheitlicher Erwerbsgegenstand: Mehrheit von Personen auf der Veräußererseite; Veränderung des Bebauungskonzepts nach Weiterveräußerung des Grundstücks
Leitsatz (NV)
1. Für das Merkmal des objektiven abgestimmten Verhaltens der Veräußererseite reicht deren tatsächliches, einvernehmliches Zusammenwirken aus. Ein bestimmtes Maß an kapitalmäßiger Verflechtung auf der Veräußererseite beteiligter Gesellschaften ist nicht erforderlich.
2. Maßgebender Beurteilungszeitpunkt für das Vorliegen eines grunderwerbsteuerrechtlich einheitlichen Erwerbsgegenstands ist der Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags. Spätere Veränderungen eines Bebauungskonzepts nach Weiterveräußerung des Grundstücks sind unerheblich.
Normenkette
GrEStG 1983 § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Berlin (Urteil vom 29.04.2004; Aktenzeichen 1 K 1065/04) |
Tatbestand
I. Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der X-AG (X). Mit notariell beurkundetem Grundstückskaufvertrag vom 11. Dezember 1996 erwarb die X von der Projektgemeinschaft … GbR (P-GbR) Teilflächen eines Grundstücks. Gesellschafter der P-GbR war u.a. eine GmbH & Co. KG, zu deren Kommanditisten der Architekt Z gehörte. Ebenfalls am 11. Dezember 1996 schloss die X mit der P-GbR einen notariell beurkundeten Projektentwicklungsvertrag, in dem sich die P-GbR gegenüber der X u.a. zum Abbruch des auf dem Grundstück vorhandenen Gebäudebestands sowie zur Vermittlung und Vorbereitung eines Generalunternehmervertrags gemäß beigefügter Baubeschreibung verpflichtete. Die X hatte bereits am 5. Dezember 1996 mit der T-GmbH (T), deren alleiniger Gesellschafter Z war, einen Generalübernehmervertrag über die schlüsselfertige Errichtung eines Bauwerks auf dem Kaufgrundstück abgeschlossen. Am 18. Dezember 1996 veräußerte die X das erworbene Grundstück an Dritte.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) vertrat die Auffassung, Gegenstand des Erwerbsvorgangs vom 11. Dezember 1996 sei das Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude und setzte gegen die X durch Bescheid vom 15. April 1997 Grunderwerbsteuer in Höhe von … DM fest. Bemessungsgrundlage war der Grundstückspreis, die Vergütungen für den Generalübernehmervertrag sowie für den Grundstücks-Projektentwicklungsvertrag. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Auch die dagegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Der Bundesfinanzhof (BFH) hob das Urteil des Finanzgerichts (FG) auf und verwies die Sache an das FG zurück (BFH-Beschluss vom 30. Januar 2004 II B 111/02, BFH/NV 2004, 661). Im zweiten Rechtsgang wies das FG die Klage erneut ab, ohne die Revision gegen sein Urteil zuzulassen.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger sinngemäß geltend, dass die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 (zweite Alternative) und Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei.
Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
1. Soweit der Kläger im Hinblick auf die vom FG für den Streitfall bejahten Voraussetzungen eines grunderwerbsteuerrechtlich einheitlichen Erwerbsgegenstands sinngemäß den Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 zweite Alternative FGO), der die Fälle der Divergenz mit umfasst, geltend macht, fehlt es an einer hinreichenden Begründung. Wird eine Abweichung von Entscheidungen des BFH gerügt, so sind tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herauszuarbeiten und einander gegenüberzustellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 5. Juli 2002 XI B 67/00, BFH/NV 2002, 1479; vom 12. Juli 2002 II B 33/01, BFH/NV 2002, 1482; vom 12. Juli 2002 XI B 152/01, BFH/NV 2002, 1484; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 42).
In der Beschwerdebegründung fehlt es bereits an der Herausarbeitung eines bestimmten (abstrakten und die angefochtene Entscheidung tragenden) Rechtssatzes aus der FG-Entscheidung, welcher von den behaupteten Divergenzentscheidungen abweicht. Das FG ist hinsichtlich der Anforderungen an einen grunderwerbsteuerrechtlich einheitlichen Erwerbsgegenstand ausdrücklich von den in der Rechtsprechung des BFH (u.a. Entscheidungen vom 23. November 1994 II R 53/94, BFHE 176, 450, BStBl II 1995, 331; vom 28. April 1998 II B 121/97, BFH/NV 1998, 1522) entwickelten Grundsätzen ausgegangen und hat auf dieser Grundlage angenommen, dass im Streitfall die X aufgrund des praktisch zeitgleich mit dem Grundstückskaufvertrag abgeschlossenen Projektentwicklungsvertrags das von der P-GbR unterbreitete einheitliche Angebot angenommen hat und damit an das von dieser vorbereitete Bebauungskonzept gebunden war. Das abgestimmte Verhalten auf der Veräußererseite hat das FG aus deren personeller Verflechtung über den Architekten Z abgeleitet.
Mit seinen Einwendungen gegen das vom FG bejahte abgestimmte Verhalten der Veräußererseite rügt der Kläger lediglich fehlerhafte Rechtsanwendung, also die inhaltliche Richtigkeit des Urteils; damit kann jedoch die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (z.B. BFH-Beschluss vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476). Der Kläger verkennt im Übrigen, dass für das Merkmal des objektiv abgestimmten Verhaltens der Veräußererseite deren tatsächliches, einvernehmliches Zusammenwirken ausreicht (BFH-Urteile vom 28. Juli 1993 II R 66/90, BFH/NV 1994, 339; vom 30. April 2003 II R 29/01, BFH/NV 2003, 1446). Dieses Zusammenwirken fordert daher, anders als die Beschwerde meint, kein bestimmtes Maß an kapitalmäßiger Verflechtung der auf der Veräußererseite beteiligten Gesellschaften.
Auch die gerügte Divergenz der Vorentscheidung von dem BFH-Beschluss vom 2. September 1993 II B 71/93 (BFHE 172, 534, BStBl II 1994, 48) liegt nicht vor. Diese Entscheidung betrifft die Verpflichtung des Erwerbers eines sich im Zustand der Bebauung befindlichen Grundstücks gegenüber dem Grundstücksveräußerer, an dessen Stelle in einen bestehenden Vertrag mit einem Dritten über die Errichtung des Bauvorhabens einzutreten. Eine solche Sachverhaltsgestaltung ist vorliegend nicht gegeben.
Soweit sich die Beschwerde gegen die Einbeziehung von Abbruchkosten und ferner von Planungskosten in die grunderwerbsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage wendet, ist eine Divergenz ebenfalls nicht dargelegt.
2. Auch die vom Kläger sinngemäß geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) sind nicht schlüssig dargelegt.
a) Zur schlüssigen Darlegung des vom Kläger unter Hinweis auf § 355 der Zivilprozessordnung (ZPO) gerügten Verstoßes gegen die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (dazu § 81 FGO) gehört u.a. der Vortrag, dass die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. Ist das finanzgerichtliche Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, müssen alle Begründungen durch den gerügten Mangel beeinflusst sein (BFH-Beschlüsse vom 9. Dezember 1987 V B 61/85, BFH/NV 1988, 576, 578; vom 8. Januar 1998 X B 122/97, BFH/NV 1998, 730; vom 4. Juli 2001 VIII B 70/00, BFH/NV 2001, 1552, 1553; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 97).
Der vom Kläger gerügte Verfahrensmangel betrifft ausdrücklich nur den Teil der Gründe der Vorentscheidung, die das FG unter Rückgriff auf das Ergebnis der Beweisaufnahme im Beweistermin vom 12. Juni 2002, "ohne dass es hierauf entscheidend ankäme", lediglich zur Abrundung seines Entscheidungsergebnisses herangezogen hat. Nach dem Beschwerdevorbringen sind die weiteren Entscheidungsgründe nicht von dem gerügten Verfahrensmangel betroffen; nach Ansicht des Klägers kommt es aufgrund des gerügten Verstoßes gegen die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme auf das vom FG zur "Abrundung" herangezogene Ergebnis der Beweisaufnahme im Beweistermin vom 12. Juni 2002 nicht an. Es fehlt jedoch an jedem Vorbringen zu der Frage, inwiefern die Vorentscheidung ohne den Verfahrensfehler möglicherweise anders ausgefallen wäre.
b) Soweit der Kläger sinngemäß Verletzung der Sachaufklärungspflicht im Hinblick auf die vom FG unterlassene Beweisaufnahme über eine von der X selbst geplante Bebauung der erworbenen Grundstücksflächen und deren fehlende Bindung an ein von der Veräußererseite vorgegebenes Bebauungskonzept geltend macht, ist ein Verfahrensmangel ebenfalls nicht schlüssig dargelegt.
Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung des Verfahrensmangels gehört auch der Vortrag, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 17. November 1997 VIII B 16/97, BFH/NV 1998, 608, und vom 8. Oktober 2003 VII B 51/03, BFH/NV 2004, 217). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz nach § 76 Abs. 1 FGO einschließlich des Prinzips der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter --ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge-- verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO), hat die unterlassene rechtzeitige Rüge den endgültigen Rügeverlust zur Folge. Der Kläger hat weder substantiiert dargelegt noch ist es aus dem Sitzungsprotokoll des FG ersichtlich, dass er in der mündlichen Verhandlung vor dem FG Beweisanträge bezüglich einer im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags vorliegenden eigenen Bebauungsplanung der X zu Protokoll erklärt und die unterlassene Beweisaufnahme gerügt hat.
Sollte das Beschwerdevorbringen dahin zu verstehen sein, das FG hätte auch unabhängig von einem entsprechenden Beweisantrag von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 FGO) eine Beweisaufnahme durchführen müssen, so wären für eine schlüssige Verfahrensrüge Ausführungen u.a. dazu erforderlich gewesen, inwiefern eine weitere Aufklärung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (so z.B. BFH-Beschlüsse vom 18. März 2004 VII B 53/03, BFH/NV 2004, 978; vom 28. Juli 2004 IX B 136/03, BFH/NV 2005, 43). Auch solche Darlegungen fehlen.
c) Ebenfalls unschlüssig ist die der Beschwerde dem Sinne nach zu entnehmende Rüge, das FG habe es verfahrensfehlerhaft unterlassen, das vom Kläger in der mündlichen Verhandlung hilfsweise beantragte Sachverständigengutachten einzuholen. Für das vom Kläger bezeichnete Beweisthema, "dass eine wesentlich andere Bebauung durchgeführt wurde, als zum Zeitpunkt des Grundstückskaufs geplant", fehlt jedes schlüssige Vorbringen, inwiefern die Beweiserhebung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können. Das FG hat im Übrigen --sachlich zutreffend-- das vom Kläger angebotene Beweismittel deshalb als nicht entscheidungserheblich angesehen, weil maßgebender Beurteilungszeitpunkt für das Vorliegen eines grunderwerbsteuerrechtlich einheitlichen Erwerbsgegenstands der Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags ist (so z.B. BFH-Urteil vom 6. März 1991 II R 133/87, BFHE 164, 117, BStBl II 1991, 532). Spätere Veränderungen eines Bebauungskonzepts nach Weiterveräußerung des Grundstücks sind insoweit unerheblich.
Fundstellen
Haufe-Index 1463871 |
BFH/NV 2006, 366 |