Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Einstufung eines Volkswagens T 4 “Caravelle”, eines Land Rovers “Discovery” und eines Mercedes “Sprinter”
Leitsatz (NV)
1. Nach Aufhebung von § 23 Abs. 6a StVZO ist auch bei Kraftfahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 2,8 t die Beurteilung, ob ein LKW oder ein PKW vorliegt, anhand von Bauart und Einrichtung des Fahrzeugs zu bestimmen.
2. Für die vom Tatsachengericht unter Berücksichtigung der Gesamtheit aller technischen Merkmale vorzunehmende Bewertung der objektiven Beschaffenheit des jeweiligen Fahrzeugs ist die Einstufung in eine Fahrzeugklasse der Richtlinie 70/156/EWG unerheblich.
3. Die Erfüllung der im Anhang II C 1 b Richtlinie 2001/116/EG ausgewiesenen Lastenformel kann nicht als allein ausschlaggebendes Merkmal angesehen werden.
4. Dass der Halter des Fahrzeuges lediglich die Absicht besitzt, einen Umbau des Fahrzeugs in einen LKW vorzunehmen, reicht für die Einstufung als LKW ebenso wenig aus, wie bloße Vorbereitungshandlungen.
5. Der Umstand, dass im Fahrzeugbrief acht Sitzplätze eingetragen sind, vermag die Einstufung des Fahrzeugs als LKW nicht von vornherein auszuschließen.
Normenkette
KraftStG § 2 Abs. 2, § 8 Nr. 2, § 9 Abs. 1 Nr. 3; StVZO § 23 Abs. 6a; PBefG § 4 Abs. 4 Nr. 1; EWGRL 156/70; EGRL 116/2001
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Auf den Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) sind drei Kfz --ein Volkswagen T 4 "Caravelle", ein Land Rover "Discovery" und ein Mercedes "Sprinter", jeweils mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 2,8 t-- zugelassen. Diese Fahrzeuge wurden vom Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) zunächst als "andere Fahrzeuge" i.S. von § 8 Nr. 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) eingestuft und nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 KraftStG der Gewichtsbesteuerung unterworfen. Mit Bescheiden vom 20. Juni 2005, 1. August 2005 und 15. September 2005 hat das FA unter Hinweis auf die Aufhebung der in § 23 Abs. 6a der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) getroffenen Sonderregelung für Kombinationsfahrzeuge mit Wirkung zum 1. Mai 2005 eine Einstufung der drei Fahrzeuge als PKW und eine entsprechende Neufestsetzung der Kraftfahrzeugsteuer vorgenommen.
Gegen alle drei Änderungsbescheide legte der Antragsteller Einspruch ein. Über die Rechtsbehelfe ist noch nicht entschieden worden. Seine Anträge auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide in Höhe der Differenzbeträge zwischen der PKW- und LKW-Besteuerung lehnte das Finanzgericht (FG) mit der Begründung ab, dass die drei Fahrzeuge nach der Richtlinie 2001/116/EG (RL 2001/116/EG) der Kommission vom 20. Dezember 2001 zur Anpassung der Richtlinie 70/156/EWG (RL 70/156/EWG) des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Betriebserlaubnis für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger an den technischen Fortschritt (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002 Nr. L 18/1) als PKW der Klasse M1, d.h. für die Personenbeförderung ausgelegte und gebaute Kfz mit höchstens acht Sitzplätzen außer dem Fahrersitz, einzustufen seien und dass eine Besteuerung als LKW folglich nicht in Betracht komme. Dies gelte unabhängig davon, ob man von der Aufbauart AC (Kombilimousine) oder der Aufbauart AF (Mehrzweckfahrzeug) ausgehe. Nach ersatzloser Aufhebung des § 23 Abs. 6a StVZO sei die steuerliche Einstufung der streitgegenständlichen Fahrzeuge nach den "von den Mitgliedstaaten verbindlich anzuwendenden Begriffsbestimmungen für Fahrzeugklassen und Fahrzeugtypen" des europäischen Gemeinschaftsrechts vorzunehmen.
Allein das Vorhandensein einer EG-Typgenehmigung für den Volkswagen T 4 "Caravelle" lasse den Ausschluss eines Fahrzeugs der Klasse N (für die Güterbeförderung ausgelegte und gebaute Kfz) und den Rückschluss auf ein Fahrzeug der Klasse M1 zu. Den Land Rover wiesen die zugehörigen Fahrzeugpapiere eindeutig als Kombilimousine aus, die EG-Typgenehmigung verdeutliche die Einstufung als Fahrzeug der Klasse M1. Deshalb könne er nicht als Mehrzweckfahrzeug eingestuft werden, obwohl er entsprechend der Beschreibung für Mehrzweckfahrzeuge zur Beförderung von Fahrgästen und deren Gepäck oder von Gütern in einem einzigen Innenraum ausgelegt sei. Der Mercedes "Sprinter" werde in den zugehörigen Fahrzeugpapieren als Kombilimousine bezeichnet. Aufgrund der im Fahrzeugbrief eingetragenen acht Sitzplätze sei auszuschließen, dass das Fahrzeug nicht als Fahrzeug der Klasse M1, sondern als Fahrzeug der Klasse N eingestuft werden könne. An die aufgrund der RL 70/156/EWG vorzunehmende verkehrsrechtliche Einstufung seien die Finanzbehörden gebunden. Diese sei eine Besteuerungsgrundlage technischer Art i.S. von § 2 Abs. 2 Satz 2 KraftStG, deren Feststellung nicht der Finanzbehörde oder dem FG obliegen könne.
Mit seiner vom FG zugelassenen Beschwerde macht der Antragsteller geltend, dass das FG die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht beachtet habe, nach der die Einstufung eines Kfz als PKW oder LKW unter Berücksichtigung sämtlicher, die Bauart und Einrichtung prägenden Merkmale zu erfolgen habe. Ein wesentliches Indiz für die Einordnung als LKW sei der Umstand, dass ein Mehrzweckfahrzeug durch einen auf Dauer angelegten Umbau einen Laderaum erhalten habe, der mehr als die Hälfte der Nutzfläche ausmache. Dieses Kriterium sei beim Land Rover "Discovery", bei dem drei Sitze entfernt und dafür Regale eingebaut worden seien, erfüllt. In derartigen Umbaufällen könne einer Umwidmung des Fahrzeugs vom PKW zum LKW nicht die serienmäßige Grundausstattung entgegengehalten werden. Im Übrigen sei das Fahrzeug auch nach der RL 2001/116/EG nicht als PKW der Klasse M1 zu qualifizieren.
Auch beim Mercedes "Sprinter" seien Umbaumaßnahmen zum Transporter-Kastenwagen, z.B. der Einbau von Metallschienen, vorgenommen worden. Die dauerhafte Entfernung eines Sitzes sei bereits vorbereitet. Auch dieses Fahrzeug sei in Anwendung der in der RL 70/156/EWG angegebenen Formel nicht als Fahrzeug der Klasse M1 einzustufen. Dies treffe auch auf den Volkswagen T 4 zu. Auch bei diesem Fahrzeug sei die dauerhafte Entfernung eines Sitzes bereits vorbereitet.
Das FA tritt der Beschwerde entgegen. Die EG-Typgenehmigung weise die Fahrzeuge eindeutig als PKW der Klasse M1 aus. Beim Land Rover seien zur Einstufung als PKW der dauerhafte Ausbau der zweiten Sitzreihe und eine Seitenverblechung der hinteren Fenster erforderlich.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage gelangt der beschließende Senat zu der Auffassung, dass das FG seine Entscheidung zu Unrecht auf die Einordnung der drei Fahrzeuge in die in der RL 70/156/EWG i.d.F. der RL 2001/116/EG festgelegte Klasse M1 gestützt und daher weitere Umstände, wie z.B. die vom Antragsteller angeführten Um- bzw. Einbauten von vornherein unberücksichtigt gelassen hat.
1. Das KraftStG enthält keine eigenständigen Definitionen der Kraftfahrzeugarten. Ob ein Fahrzeug als der Hubraumbesteuerung unterliegender PKW anzusehen ist (§ 8 Nr. 1 KraftStG), richtet sich nach Verkehrsrecht. Denn die Bedeutung der im KraftStG verwendeten verkehrsrechtlichen Begriffe bestimmt sich nach § 2 Abs. 2 Satz 1 KraftStG grundsätzlich nach den verkehrsrechtlichen Vorschriften. Zu diesen gehörte bis zu seiner Aufhebung mit Wirkung ab 1. Mai 2005 auch § 23 Abs. 6a StVZO, der Kfz, die nach ihrer Bauart und Einrichtung zur Beförderung von Personen und Gütern geeignet und bestimmt sind (sog. Kombinationskraftwagen), bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 2,8 t den PKW zuordnete. Der Begriff des PKW ist jedoch dem deutschen Recht über diese Vorschrift hinaus geläufig und hat eben die Bedeutung, die ihm die ständige Rechtsprechung des beschließenden Senats im Anschluss an jene Vorschrift beigelegt hat. Der Senat hat eine Bestätigung seiner Rechtsprechung zur Abgrenzung von PKW und LKW in den Bestimmungen des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) gefunden (Senatsurteil vom 1. August 2000 VII R 26/99, BFHE 194, 257, BStBl II 2001, 72). Nach § 4 Abs. 4 Nr. 1 PBefG sind PKW solche Kfz, die nach ihrer Bauart und Ausstattung zur Beförderung von nicht mehr als neun Personen (einschließlich Fahrer) geeignet und bestimmt sind. Als LKW sind hingegen die nach ihrer Bauart und Einrichtung zur Beförderung von Gütern bestimmten Kfz anzusehen (§ 4 Abs. 4 Nr. 3 PBefG).
a) Ob ein PKW oder LKW vorliegt, ist nach der ständigen Senatsrechtsprechung anhand von Bauart und Einrichtung des Fahrzeugs zu beurteilen. Dabei obliegt es dem Tatsachengericht, unter Berücksichtigung der Gesamtheit aller Merkmale eine Bewertung der objektiven Beschaffenheit des jeweiligen Fahrzeugs vorzunehmen. Als für die Einstufung relevante Merkmale zu berücksichtigen sind z.B. die Zahl der Sitzplätze, die verkehrsrechtlich zulässige Zuladung, die Größe der Ladefläche, die Ausstattung mit Sitzbefestigungspunkten und Sicherheitsgurten, die Verblechung der Seitenfenster, die Beschaffenheit der Karosserie und des Fahrgestells, die Motorisierung und die damit erreichbare Höchstgeschwindigkeit, das äußere Erscheinungsbild und bei Serienfahrzeugen die Konzeption des Herstellers (Senatsurteile vom 26. November 1991 VII R 88/90, BFH/NV 1992, 414; vom 5. Mai 1998 VII R 104/97, BFHE 185, 515, BStBl II 1998, 489; vom 26. Juni 1997 VII R 12/97, BFH/NV 1997, 810, und in BFHE 194, 257, BStBl II 2001, 72). Dabei kann kein Merkmal von Bauart und Einrichtung des Fahrzeugs als von vornherein alleinentscheidend angesehen werden, mag auch einzelnen Merkmalen ein besonderes Gewicht zukommen und eine Zuordnung als PKW oder LKW nahe legen (Senatsurteil in BFHE 185, 515, BStBl II 1998, 489).
b) Die Einstufung eines Fahrzeugs durch die Verkehrsbehörde hat als solche weder kraftfahrzeugsteuerrechtlich bindende Wirkung, wie sich im Umkehrschluss aus § 2 Abs. 2 Satz 2 KraftStG ergibt, noch lässt sie im Allgemeinen deshalb einen zuverlässigen Rückschluss auf die richtige kraftfahrzeugsteuerrechtliche Beurteilung zu, weil die Verkehrsbehörden insofern eine überlegene Sachkunde anwenden könnten (BFH-Urteile vom 30. September 1981 II R 56/78, BFHE 134, 367, BStBl II 1982, 82, und in BFHE 194, 257, BStBl II 2001, 72). Vielmehr hat die Kraftfahrzeugsteuerstelle die Einstufung eigenverantwortlich vorzunehmen. Auch der Fahrzeugklassifikation des Herstellers und der darauf beruhenden verkehrsrechtlich orientierten Beurteilung durch das Kraftfahrtbundesamt kommt keine kraftfahrzeugsteuerrechtliche Bindungswirkung zu (Senatsurteil vom 8. Februar 2001 VII R 73/00, BFHE 194, 264, 269, BStBl II 2001, 368). Entgegen der Auffassung des FG sind die Finanzbehörden an die von der Verkehrsbehörde vorgenommene Einstufung eines Fahrzeugs in die Klasse M1 (Anhang C der RL 2001/116/EG) nicht gebunden. Sofern ausreichende Umbaumaßnamen vorgenommen worden sind, kann auch ein Kfz der Klasse M1 der Gewichtsbesteuerung unterliegen.
2. Mit der Aufhebung von § 23 Abs. 6a StVZO durch die Siebenundzwanzigste Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung vom 2. November 2004 (BGBl I, 2712) ist die bis dahin nur für Kombinationskraftwagen bestehende Sonderregelung ersatzlos entfallen. Daher kann auch die Rechtsprechung des Senats, nach der Kombinationskraftwagen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 2,8 t ohne Rücksicht auf Typ und Erscheinungsbild des Fahrzeugs nicht als PKW zu besteuern sind (BFH-Urteil vom 31. März 1998 VII R 116/97, BFHE 185, 511, BStBl II 1998, 487), keine Geltung mehr beanspruchen.
Nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage vermag der beschließende Senat der Rechtsansicht des FG, dass nach der Aufhebung von § 23 Abs. 6a StVZO die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Einstufung eines Fahrzeugs als PKW oder LKW nach den in der RL 70/156/EWG i.d.F. der RL 2001/116/EG für Fahrzeugklassen und Fahrzeugtypen festgelegten Begriffsbestimmungen in Betracht komme, nicht zu folgen (vgl. BFH-Beschluss vom 21. August 2006 VII B 333/05, BStBl II 2006, 721, BFH/NV 2006, 2001).
a) Wie bereits ausgeführt, enthält neben der StVZO auch das PBefG Festlegungen zur Abgrenzung von PKW und LKW. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass eine unmittelbare Anwendung der im Gemeinschaftsrecht festgelegten Begriffsbestimmungen auf das Kraftfahrzeugsteuerrecht nicht geboten ist. Vielmehr hat die Kraftfahrzeugsteuerstelle eine eigenständige Einstufung des Kfz vorzunehmen, ohne an die vorgenannten gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben gebunden zu sein. Hinsichtlich der in § 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 der Straßenverkehrsordnung für andere Kfz als PKW festgelegten Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) entschieden, dass die RL 70/156/EWG einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die ein Fahrzeug den auf LKW anzuwendenden Regelungen unterwirft, obwohl dieses Fahrzeug aufgrund einer anhand der RL 70/156/EWG erteilten EG-Typgenehmigung als PKW zugelassen worden ist (EuGH-Urteil vom 13. Juli 2006 Rs. C-83/05, Neue Juristische Wochenschrift 2006, 2539). Zur Begründung seiner Entscheidung hat der EuGH auf den Sinn und Zweck der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen abgestellt. Die Bestimmungen über die Typgenehmigung dienten dazu, durch eine Harmonisierung der technischen Vorschriften und Merkmale Hemmnisse für den freien Warenverkehr zu beseitigen. In Bezug auf Geschwindigkeitsgebote seien der RL 70/156/EWG keine an die Mitgliedstaaten gerichteten Vorschriften zu entnehmen. Darüber hinaus enthalte die Richtlinie keine Bestimmung über die Einstufung von Kfz in die Klasse der "Personenkraftwagen", sondern lediglich eine internationale Einteilung der Kfz in die im Anhang II definierten Klassen M, N und O.
b) Diese Überlegungen sind auf das Steuerrecht übertragbar. Ebenso wenig wie im Hinblick auf Geschwindigkeitsbeschränkungen sind der RL 70/156/EWG i.d.F. der RL 2001/116/EG für die Mitgliedstaaten verbindliche Festlegungen hinsichtlich der Einteilung von Kfz für die Zwecke der Erhebung von Kraftfahrzeug- oder Zulassungssteuern zu entnehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Gegensatz zur Mehrwertsteuer und zu den besonderen Verbrauchsteuern die Besteuerung von PKW in der Gemeinschaft nicht harmonisiert ist. Bis zur Verabschiedung entsprechender, insbesondere auf Art. 93 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft gestützter Gemeinschaftsrechtsakte, sind die Mitgliedstaaten folglich in ihrer Entscheidung frei, ob und in welcher Höhe sie eine Kraftfahrzeug- oder Zulassungssteuer erheben wollen (vgl. Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Rates über die Besteuerung von Personenkraftwagen KOM (2005) 261 endg.). Unter diesen Umständen liegt die Annahme fern, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber mit den Regelungen über Typgenehmigungen für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger zugleich verbindliche Festlegungen hinsichtlich der Besteuerung von Kfz treffen wollte.
c) Maßgebend für die Einordnung eines Kfz als PKW ist demnach die in § 4 Abs. 4 Nr. 1 PBefG festgelegte Definition, die einer richtlinienkonformen Auslegung nicht bedarf. Dagegen kann der in der RL 2001/116/EG vorgenommenen Einteilung der für die Personenbeförderung ausgelegten und gebauten Kfz in die Klassen M1 bis M3 sowie der weiteren Differenzierung und entsprechenden Kodierung nach den jeweiligen Aufbauarten (Limousine, Schrägheck-, Kombi- oder Kabrio-Limousine, Coupé oder Mehrzweckfahrzeug) für die Zulässigkeit von Personenbeförderungen nach dem PBefG ebenso wenig entnommen werden wie für die zutreffende Besteuerung eines Kfz nach dem KraftStG. Zwar nimmt die StVZO an verschiedenen Stellen Bezug auf das einschlägige Gemeinschaftsrecht und die Typgenehmigung (z.B. in § 19 Abs. 1, § 22a Abs. 3, § 23 Abs. 1 und § 30 Abs. 4 StVZO), doch ist die Umsetzung der Richtlinienbestimmungen nicht dadurch erfolgt, dass in die StVZO eine allgemeingültige und die Definition in § 4 Abs. 4 Nr. 1 PBefG verdrängende Begriffsbestimmung für PKW aufgenommen worden ist. Dies war bereits deshalb nicht veranlasst, weil die RL 70/156/EWG --worauf der EuGH zutreffend hingewiesen hat-- eine Bestimmung über die Einstufung von Kfz in die Klasse "Personenkraftwagen" nicht enthält.
d) Auch der Begründung für die Aufhebung von § 23 Abs. 6a StVZO (BRDrucks 600/04) lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Dort wird lediglich darauf verwiesen, dass der Regelungsgehalt der Vorschrift nicht mit den in der RL 70/156/EWG für Fahrzeuge der Klasse M1 (PKW) vorgegebenen Begriffsbestimmungen für Fahrzeugklassen und Fahrzeugtypen vereinbar sei, die eine Begrenzung der zulässigen Gesamtmasse für Kfz dieser Klasse nicht vorsähen; die Vorschrift sei aus verkehrrechtlicher Sicht entbehrlich. Im Ergebnis wurde mit der Rechtsänderung keine neue Begriffsbestimmung für PKW in die StVZO eingeführt, sondern lediglich die nationale Sonderregelung für Kombinationskraftwagen abgeschafft, die aufgrund der Rechtsprechung des BFH zu einer privilegierten Gewichtsbesteuerung von Fahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 2,8 t geführt hatte und deren Steuerprivileg als ungerechtfertigt empfunden wurde und auch heute noch empfunden wird (vgl. z.B. BTDrucks 16/519). Motiviert war die Rechtsänderung insbesondere durch eine Entschließung des Deutschen Bundestages vom 1. Juli 2004, in der die Bundesregierung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH aufgefordert wurde, durch ersatzlose Streichung des § 23 Abs. 6a StVZO schnellstmöglich die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die als Nutzfahrzeuge zugelassenen schweren Geländewagen nur noch als PKW zugelassen und besteuert werden können (BTDrucks 15/3468). In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage von Abgeordneten des Deutschen Bundestages zur Abschaffung des Steuerprivilegs für Geländewagen hat die Bundesregierung am 20. Juli 2004 die Aufhebung von § 23 Abs. 6a StVZO in Aussicht genommen, ohne die Rechtsänderung mit der Notwendigkeit einer Anpassung an gemeinschaftsrechtliche Vorgaben zu begründen (BTDrucks 15/3618). Dies belegt, dass die vom FG zur Entscheidungsfindung herangezogene Gesetzesbegründung den Anlass zur ersatzlosen Aufhebung von § 23 Abs. 6a StVZO und den Willen des Gesetzgebers nur unvollständig wiedergibt.
e) Entgegen der Auffassung des Antragstellers bestimmt sich die Besteuerung der streitgegenständlichen Kfz nicht nach den in der RL 2001/116/EG getroffenen Festlegungen, sondern nach einer komplexen Gesamtwürdigung der die Bauart und Einrichtung bestimmenden Merkmale unter Berücksichtigung der hierzu entwickelten BFH-Rechtsprechung. Dabei kann der Umstand, dass ein Fahrzeug die im Anhang II C 1 b der RL 2001/116/EG festgelegte Bedingung P - (M + N x 68) ≫ N x 68 erfüllt, d.h. dass die unter Berücksichtigung der zulässigen Gesamtmasse maximal zuladbare Nutzlast größer ist, als die bei Ausnutzung sämtlicher Sitzplätze (außer dem Fahrersitz) erreichbare Personenlast, nicht als allein ausschlaggebendes Merkmal angesehen werden. Wie bereits ausgeführt, ist die Gesamtheit der technischen Merkmale einer tatrichterlichen Würdigung zu unterziehen. Im Streitfall sind daher unter Beachtung der vorliegenden BFH-Rechtsprechung auch die Größe der Ladefläche, der dauerhafte Ausbau von Sitzen bzw. Sitzreihen, die Ausstattung mit Sicherheitsgurten bzw. mit Sitzbefestigungspunkten, das äußere Erscheinungsbild sowie die Frage von Bedeutung, ob und welche von der eigentlichen Herstellerkonzeption abweichende Umbaumaßnahmen vorgenommen worden sind. Dass die bloße Absicht besteht, eine dieser Maßnahmen noch durchzuführen, reicht jedoch ebenso wenig aus, wie bloße Vorbereitungshandlungen. Andererseits vermag der Umstand, dass im Fahrzeugbrief acht Sitzplätze eingetragen sind, nicht von vornherein die Einstufung als LKW auszuschließen. Denn es könnten Umbaumaßnahmen vorgenommen worden sein, wie z.B. der Ausbau von Sitzen und das Unbrauchbarmachen der Sitzbefestigungspunkte, die in den Fahrzeugpapieren nicht ersichtlich sind.
3. Da das FG seine Entscheidung ausschließlich darauf gestützt hat, dass die Fahrzeuge des Antragstellers nach der RL 2001/116/EG als Fahrzeuge der Klasse M1 einzustufen sind und zumindest in zwei Fällen eine entsprechende EG-Typgenehmigung tatsächlich erteilt worden ist, war der Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Obwohl der BFH im Streitfall Tatsacheninstanz ist, erscheint es dem Senat zweckmäßig, die Sache an das FG zurückzugeben. Eine Zurückverweisung ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH auch im Beschwerdeverfahren möglich (Senatsentscheidungen vom 4. Mai 2004 VII B 318/03, BFH/NV 2004, 1363, und vom 8. August 1995 VII B 61/95, BFH/NV 1996, 105).
Fundstellen
Haufe-Index 1693411 |
BFH/NV 2007, 780 |