Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe – Abgabe einer vereinfachten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
Leitsatz (NV)
§ 2 Abs. 2 PKHFV ist auf Parteien, die keine Leistungen nach SGB XII, sondern Leistungen nach SGB II beziehen, nicht anwendbar.
Normenkette
FGO § 142; ZPO § 117 Abs. 3-4, 2; PKHFV § 2 Abs. 2
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Tatbestand
Rz. 1
I. Das Finanzgericht hat der Klage des Klägers, Revisionsbeklagten und Antragstellers (Antragsteller) gegen die Beklagte (Familienkasse) durch Urteil vom 28. August 2013 stattgegeben und die Revision gegen sein Urteil zugelassen. Die Familienkasse hat form- und fristgerecht Revision eingelegt. Das Revisionsverfahren wird beim beschließenden Senat unter dem Aktenzeichen V R 40/13 geführt.
Rz. 2
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 16. Februar 2016 hat der Antragsteller beantragt, ihm für die Rechtsverteidigung in dem Revisionsverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen. Gleichzeitig reichte er eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ein, die aus den Abschnitten A bis D und H bis K des in der Verordnung zur Verwendung eines Formulars für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- und Verfahrenskostenhilfe (Prozesskostenhilfeformularverordnung –PKHFV–, BGBl I 2014, 34) bestimmten Formulars bestand und der als Anlagen ein Bescheid über die vorläufige Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sowie Unterlagen zum Nachweis seiner Unterhaltspflicht gegenüber seinem Sohn beigefügt waren.
Entscheidungsgründe
Rz. 3
II. Die Voraussetzungen für die Gewährung von PKH liegen nicht vor.
Rz. 4
1. Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 117 der Zivilprozessordnung (ZPO) sind dem Antrag auf PKH eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen (§ 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ist danach ermächtigt, zur Vereinfachung und Vereinheitlichung des Verfahrens durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Formulare für die Erklärung einzuführen (§ 117 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Soweit Formulare für die Erklärung eingeführt sind, muss sich die Partei ihrer bedienen (§ 117 Abs. 4 ZPO).
Rz. 5
Nach § 2 Abs. 2 PKHFV muss eine Partei, die nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) laufende Leistungen zum Lebensunterhalt bezieht, die Abschnitte E bis J des in der Anlage bestimmten Formulars nicht ausfüllen, wenn sie der Erklärung den zum Zeitpunkt der Antragstellung aktuellen Bewilligungsbescheid des Sozialamtes beifügt, es sei denn, das Gericht ordnet dies ausdrücklich an.
Rz. 6
2. Der Antrag vom 16. Februar 2016 entspricht diesen Anforderungen nicht.
Rz. 7
a) Der Antragsteller hat das nach § 142 FGO i.V.m. § 117 Abs. 3 und 4 ZPO und § 1 einschließlich Anlage PKHFV verpflichtend eingeführte Formular nur unvollständig eingereicht. Die Abschnitte E bis G fehlen.
Rz. 8
b) Die Erklärung des Antragstellers kann nicht als vereinfachte Erklärung nach § 2 Abs. 2 PKHFV behandelt werden. Er hat keinen Bewilligungsbescheid über Leistungen nach dem SGB XII, sondern einen Bewilligungsbescheid über Leistungen nach dem SGB II beigefügt.
Rz. 9
c) Eine analoge Anwendung des § 2 Abs. 2 PKHFV zugunsten von Antragstellern, die Leistungen nach SGB II beziehen und darüber einen Bewilligungsbescheid vorlegen, kommt nicht in Betracht. Eine Analogie erfordert eine vergleichbare Interessenlage (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 11. Februar 2015 X R 36/11, BFHE 249, 159, BStBl II 2015, 545, Rz 68). Ein Bescheid über Leistungen nach SGB II gibt aber nicht in vergleichbarer Weise wie ein Bescheid über Leistungen nach SGB XII Aufschluss über die Voraussetzungen der PKH, da das Recht der PKH an das SGB XII anknüpft und die Anspruchsvoraussetzungen nach SGB II und nach SGB XII voneinander abweichen.
Rz. 10
d) Auf Unkenntnis kann sich der Antragsteller schon deswegen nicht berufen, weil er anwaltlich vertreten ist. Zudem muss sich ein Antragsteller über die Voraussetzungen einer Bewilligung von PKH selbst kundig machen (BFH-Beschluss vom 18. März 2014 III S 35/13 (PKH), BFH/NV 2014, 893, Rz 13).
Rz. 11
3. Gerichtsgebühren sind für dieses Verfahren nicht zu erheben (§ 142 FGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO, § 1 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 3 des Gerichtskostengesetzes und des Kostenverzeichnisses der Anlage 1).
Fundstellen
Haufe-Index 9254687 |
BFH/NV 2016, 944 |