Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsatzbeschwerde bei Rechtsstreit über Vertragsauslegung
Leitsatz (NV)
Geht es im Kern nur um die Auslegung von Gesellschaftervereinbarungen, muß bei einer NZB die Rechtsfrage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung den eingeschränkten Prüfungsbereich des Revisionsgerichts bei Vertragsauslegungen betreffen.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
I. Die in GbR X-Straße verbundenen Personen erwarben im Juni 1990 zur gesamten Hand ein bebautes Grundstück in Z. Der Gesellschaftsvertrag sah vor, das Grundstück nach dem Wohnungseigentumsgesetz zu teilen und noch zu vereinbaren, daß und wie die Eigentumswohnungen den Gesellschaftern bei der Auseinandersetzung zugewiesen werden. Der Vertrag enthielt ferner Regelungen über eine Kündigung sowie das Ausscheiden eines Gesellschafters und bestimmte, daß in solch einem Fall die Gesellschaft fortgeführt wird.
Zu den Gesellschaftern gehörte u.a. die Y/A-GbR. Nach Grundstückserwerb waren die Herren B und C durch Anteilserwerb unter Lebenden weitere Gesellschafter geworden.
Die Auseinandersetzung der GbR X-Straße erfolgte in Teilschritten. Zunächst wurden das Hinterhaus aufgeteilt und die darin befindlichen Eigentumswohnungen einzelnen Gesellschaftern übertragen. Dabei erhielten die Gesellschafter A und E drei Eigentumseinheiten zur gesamten Hand (E/A-GbR) überschrieben. Am 17. Oktober 1994 kam es sodann zur notariellen Beurkundung eines Teilungsvertrages bezüglich des Vorderhauses, verbunden mit einer weiteren Auseinandersetzung der GbR X-Straße. In den Vertrag waren auch die Gesellschafter einbezogen, die bereits im Hinterhaus abgefunden worden waren, weil die Aufteilung des Vorderhauses geringfügige Änderungen der Aufteilung des Hinterhauses erforderlich machte.
In Durchführung dieser weiteren Auseinandersetzung wurden die im Vorderhaus befindlichen Eigentumswohnungen Nr. 5 und 7 im Grundbuch auf die Herren B und C in GbR, die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eingetragen. Während die Klägerin meint, daß es sich bei ihr noch um die nunmehr auf zwei Gesellschafter geschrumpfte GbR X-Straße handele, und nur eine weitere Teilauseinandersetzung stattgefunden habe, nahm der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) an, es handle sich um zwei verschiedene Gesellschaften. Im Rahmen der vollständigen Auseinandersetzung der GbR X-Straße seien die beiden Wohnungen auf die Klägerin übertragen worden; dies erfülle den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983.
Mit Bescheid vom 20. Februar 1995 setzte das FA gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von … DM fest. Als Bemessungsgrundlage diente der Betrag, der bei Verteilung der zuvor auf dem ungeteilten Grundstück lastenden Grundschuld auf die Wohnungen Nr. 5 und 7 entfiel.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) folgte der Beurteilung des FA, daß ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 vorliege und die GbR X-Straße vollständig auseinandergesetzt worden sei. Dabei seien sämtliche Wohnungen und Teileigentumseinheiten auf die Gesellschafter ―zum Teil in gesamthänderischer Verbundenheit― übertragen worden, weil keiner der Gesellschafter von der im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Möglichkeit einer Kündigung oder des Ausscheidens Gebrauch gemacht und die gewählte Art der Auseinandersetzung durch Zuteilung der einzelnen Wohnungen dem Gesellschaftsvertrag entsprochen habe. Einem Fortbestand der GbR X-Straße stehe zudem entgegen, daß neben der Klägerin auch andere Gesellschafter Teileigentum in gesamthänderischer Verbundenheit erworben hätten. Die GbR X-Straße könne aber nicht in mehreren Gesellschaften fortbestehen.
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs geltend. Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung sei "die Behandlung von BGB-Gesellschaften im Bereich des Steuerrechts", insbesondere "die Frage der Rechtsnachfolge von Gesellschaften bürgerlichen Rechts" und die Abgrenzung der Rechtsnachfolge von der Neugründung. Das Recht auf Gehör sei verletzt, weil das FG zunächst in einem Aussetzungsbeschluß den Standpunkt der Klägerin geteilt und den des FA als lebensfremd bezeichnet, dann aber in der mündlichen Verhandlung der Hauptsache den neuen Gesichtspunkt eingeführt habe, daß die GbR X-Straße nicht in mehreren Gesellschaften ―sei es zusätzlich in der Y/A-GbR oder in der E/A-GbR― fortbestehen könne. Darauf sei der Klägervertreter nicht vorbereitet gewesen und habe daher nicht vortragen können, daß die letztgenannten beiden Gesellschaften als solche Gesellschafter der GbR X-Straße gewesen und schon deshalb nicht mit dieser identisch seien. Der Klägervertreter habe sich ausdrücklich weitere Ausführungen vorbehalten, sei daran aber durch das Überraschungsurteil gehindert worden.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
1. Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO erhält eine Rechtssache durch eine bestimmte Rechtsfrage, von deren Beantwortung ihre Entscheidung abhängt. Die Beantwortung muß aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegen (Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 26. September 1991 VIII B 41/91, BFHE 165, 287, BStBl II 1991, 924).
An der schlüssigen Darlegung einer solchen Rechtsfrage fehlt es im Streitfall, bei dem es im Kern nur um eine Auslegung der notariell beurkundeten Vereinbarungen vom 17. Oktober 1994 sowie ggf. des Gesellschaftsvertrages und nicht um die Klärung einer über den Einzelfall hinausweisenden Rechtsfrage geht.
Mit der von der Klägerin für bedeutsam gehaltenen Frage nach der Behandlung der BGB-Gesellschaft im Steuerrecht wird ein Rechtsgebiet angesprochen, aber keine für den Streitfall erhebliche konkrete Rechtsfrage bezeichnet. Die Aussage, daß die Frage nach der Rechtsnachfolge bei BGB-Gesellschaften noch weitgehend offen sei, hat ebenfalls keinen ausreichenden Bezug zum Streitfall. Das gilt auch für die Beschränkung der Frage darauf, wie die Neugründung einer BGB-Gesellschaft von der Rechtsnachfolge abzugrenzen sei. Eine Rechtsnachfolge hinsichtlich der GbR X-Straße steht vorliegend nicht (mehr) zur Diskussion. Vielmehr geht es darum, ob die Klägerin noch die auf zwei Gesellschafter geschrumpfte GbR X-Straße oder eine Neugründung darstellt. Daß grundsätzlich beides denkbar ist, ist dabei ebensowenig streitig wie die rechtlichen Unterschiede beider Möglichkeiten. Welche der beiden Möglichkeiten im Streitfall vorliegt, ist eine Auslegungsfrage. Die Auslegung kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob die gesetzlichen Auslegungsregeln ―insbesondere die §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)― beachtet sind, nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen wurde und alle für die Auslegung bedeutsamen Begleitumstände erforscht sind (Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, § 118 Anm. 17). Diesen eingeschränkten Prüfungsbereich betreffend sind keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung dargelegt worden.
2. Auch die Rüge mangelnden rechtlichen Gehörs ist nicht schlüssig. Sie bezieht sich auf die Ausführungen des FG, wonach ein Fortbestehen der GbR X-Straße auch deshalb ausscheide, weil mit der Y/A-GbR sowie der E/A-GbR weitere BGB-Gesellschaften Wohnungs- und Teileigentum erhalten hätten und ein Fortbestand in mehreren Gesellschaften nicht denkbar sei. Darauf ist die Vorentscheidung jedoch nicht gestützt. Sie beruht vielmehr auf einer Auslegung der Urkunde vom 17. Oktober 1994 sowie des Gesellschaftsvertrages der GbR X-Straße.
Fundstellen
Haufe-Index 302286 |
BFH/NV 1999, 1469 |