Leitsatz (amtlich)
1. Eine schriftliche Abtretung der Kostenerstattungsforderung an den Prozeßbevollmächtigten ist keine genügende Grundlage für eine Festsetzung der Kosten zu seinen Gunsten statt zugunsten der abtretenden Prozeßpartei.
2. Werden die Kosten dennoch für den Prozeßbevollmächtigten festgesetzt, so ist die Kostenfestsetzung wirkungslos.
Normenkette
FGO §§ 149, 155; ZPO § 103 Abs. 1
Tatbestand
Der Beschwerdegegner war Prozeßbevollmächtigter der Steuerpflichtigen in deren Rechtsstreit gegen das FA wegen Grunderwerbsteuer. In diesem Rechtsstreit entschied das FG durch Beschluß vom 31. Juli 1968 u. a. , daß das FA 3/4 der Kosten des Einspruchsverfahrens und 2/3 der Kosten des Klageverfahrens zu tragen habe und daß die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt werde. Mit Schriftsatz vom 5. August 1968 stellte der Beschwerdegegner den Antrag, die vom FA der Steuerpflichtigen zu erstattenden Kosten auf insgesamt 570,13 DM festzusetzen. Durch Beschluß vom 23. August 1968 entschied die Geschäftsstelle des FG, "auf Antrag des Prozeßbevollmächtigten" würden die vom FA "nach dem rechtskräftigen Beschluß des Finanzgerichts vom 31.7.1968 an den Antragsteller zu erstattenden Kosten auf DM 483,78 ... festgesetzt". Der Beschwerdegegner legte gegen diesen Beschluß Erinnerung ein. Das FG änderte daraufhin den Kostenfestsetzungsbeschluß durch den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß die zu erstattenden Kosten auf 554,90 DM festgesetzt wurden. In den Gründen führt das FG aus, der Beschwerdegegner sei "als Bevollmächtigter im eigenen Namen aktiv legitimiert", weil die Steuerpflichtige ihm den Kostenerstattungsanspruch abgetreten habe. Gegen den Beschluß ließ das FG die Beschwerde zu.
Das FA legte gegen den Beschluß Beschwerde ein. Es strebt eine Herabsetzung der festgesetzten Kosten an.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde hat Erfolg.
Die Vorentscheidungen sind aufzuheben, da sie wirkungslos sind.
Eine Entscheidung über die Höhe der zu erstattenden Kosten (Kostenfestsetzung) ist wirkungslos, wenn die Entscheidung über die Auferlegung der Kosten (Kostenentscheidung), auf Grund der die Kostenfestsetzung vorgenommen worden ist, fortfällt oder wenn eine solche Kostenentscheidung nicht ergangen ist (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts - BAG - 5 AZR 268/60 vom 12. Oktober 1962, Neue Juristische Wochenschrift 1963 S. 1027 - NJW 1963, 1027 -; Beschluß des Oberlandesgerichts - OLG - Hamburg vom 6. Februar 1909, "Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte", Bd. 19 S. 82). Die Kostenfestsetzung ist in ihrem Bestand nämlich vom Bestehen der Kostenentscheidung abhängig (vgl. Stein-Jonas, Kommentar zur ZPO, 19. Aufl., § 104 VI 3 und VII 2; Baumbach-Lauterbach, ZPO, 30. Aufl., Einführung 2 A zu §§ 103-107). Sie teilt unmittelbar das Schicksal der Kostenentscheidung (vgl. Beschluß des BFH Gr. S. 8/66 vom 18. Juli 1967, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 90 S. 156 [159] - BFH 90, 156 [159] -, BStBl II 1968, 59).
Im vorliegenden Fall ist eine Kostenentscheidung, die als Grundlage der in den Vorentscheidungen vorgenommenen Kostenfestsetzung dienen könnte, nicht vorhanden. Die Kostenentscheidung des FG in dem Beschluß vom 31. Juli 1968 kann nicht als Grundlage für die Kostenfestsetzung in den Vorentscheidungen herangezogen werden. Grundlage einer Kostenfestsetzung kann nur eine Kostenentscheidung sein, die zugunsten desjenigen ergangen ist, der die Kostenerstattung begehrt. Das ergibt sich auch aus § 103 der ZPO. Nach dieser Vorschrift kann nur derjenige den Anspruch auf Kostenerstattung im eigenen Namen geltend machen, der nach dem Titel der Erstattungsberechtigte ist (Stein-Jonas, a. a. O., § 103 II 2; Baumbach-Lauterbach, a. a. O., § 103 Anm. 2 A). Gemäß § 155 FGO ist diese Regelung bei der Kostenfestsetzung im finanzgerichtlichen Verfahren (§ 149 FGO) sinngemäß anzuwenden (vgl. Tipke-Kruse, AO/FGO, Kommentar, 2.-4. Aufl., FGO § 149 A 1). Die Regelung in § 103 ZPO beruht darauf, daß das Kostenfestsetzungsverfahren ein Nachverfahren ist, das sich an die Kostenentscheidung anschließt und dazu dient, den nach Maßgabe der Kostenentscheidung zu erstattenden Betrag festzustellen (vgl. Stein-Jonas, a. a. O., § 103 I). Diesem Zweck dient auch die Kostenfestsetzung nach § 149 FGO im finanzgerichtlichen Verfahren (vgl. Beschluß des BFH Gr. S. 5-7/66 vom 18. Juli 1967, BFH 90, 150 [153], BStBl II 1968, 56). Durch die Festsetzung der zu erstattenden Kosten im Verfahren nach § 149 FGO wird die Kostenentscheidung lediglich um den zu erstattenden Kostenbetrag ergänzt (Beschluß des BFH Gr. S. 8/66 vom 18. Juli 1967, a. a. O.).
Als Titel der nach § 103 ZPO als Grundlage der Kostenfestsetzung erforderlich ist, kann im vorliegenden Fall nicht die Kostenentscheidung des FG in dem Beschluß vom 31. Juli 1968 herangezogen werden. Nach dieser Entscheidung ist die Steuerpflichtige und nicht der Beschwerdegegner erstattungsberechtigt.
Der Auffassung, daß der Prozeßbevollmächtigte im eigenen Namen die Festsetzung der Kosten nach § 149 FGO verlangen kann, wenn ihm der Erstattungsanspruch abgetreten worden ist (vgl. Ziemer-Birkholz, FGO, § 139, Anm. 39; Becker-Riewald-Koch, AO/FGO, Kommentar, Bd. III, 9. Aufl., FGO § 139 Anm. 4 Abs. 9 und § 149 Erl. 2; Klempt-Meyer: Das Kostenrecht des Steuerprozesses, 1969, S. 85), kann nicht gefolgt werden. Im Schrifttum und in der Rechtsprechung wird überwiegend die Auffassung vertreten, daß die Abtretung der Forderung auf Kostenerstattung allein für eine Festsetzung zugunsten des Prozeßbevollmächtigten nicht ausreicht und daß der Prozeßbevollmächtigte den Antrag auf Kostenerstattung im Kostenfestsetzungsverfahren nur namens der durch ihn vertretenen Partei stellen kann (vgl. Stein-Jonas, a. a. O., § 103 II 2 a; Baumbach-Lauterbach, a. a. O., § 103, Anm. 2 A; Schunck-de Clerck, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 2. Aufl., § 164 Erl. 2 b; Klinger, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl., S. 700; v. Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur AO/FGO, V., 1.-5. Aufl., Erläuterungen zu § 149 FGO; Tipke-Kruse, a. a. O., FGO § 149 A 2; Kühn, AO, FGO, 9. Aufl., FGO § 149 A 3; Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Münster III B 519/65 vom 27. Dezember 1965, NJW 1966, 2425 [2426]). Diese Auffassung entspricht der Regelung in § 103 Abs. 1 ZPO, der dargelegten besonderen Gestaltung des Kostenfestsetzungsverfahrens als Nachverfahren und dem bereits genannten Zweck der Kostenfestsetzung, die Kostenentscheidung durch den zu erstattenden Kostenbetrag zu ergänzen. Allein durch die Abtretung erreicht der Prozeßbevollmächtigte nicht die besondere rechtliche Stellung des Abtretenden, die diesen aufgrund der Kostenentscheidung berechtigt, die Kostenfestsetzung zu fordern. Im zivilgerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren ist dazu die Erteilung der Vollstrekkungsklausel (§ 727 ZPO) für den Prozeßbevollmächtigten erforderlich (Baumbach-Lauterbach, a. a. O., § 103 Anm. 2 A, Stein-Jonas, a. a. O., § 103 II 2 a). Ob auch im finanzgerichtlichen Verfahren in solchen Fällen eine Vollstreckungsklausel erteilt werden kann, obwohl sie gemäß § 153 FGO grundsätzlich nicht erforderlich ist, braucht in diesem Verfahren nicht entschieden zu werden. Hier ist lediglich die Feststellung erforderlich, daß der Kostengläubiger die Stellung, die der Steuerpflichtigen aufgrund der Kostenentscheidung eingeräumt worden ist, durch die Abtretung nicht erreicht hat.
Durch die Aufhebung der Vorentscheidungen geht der Senat mit seiner Entscheidung zwar über das Begehren das FA hinaus. Gleichzeitig wirkt sich diese Entscheidung hinsichtlich des Teils der festgesetzten Kosten, der nicht Gegenstand der Anfechtung ist, zum Nachteil des Beschwerdegegners aus. Das ist im vorliegenden Fall aber deshalb unbeachtlich, weil die Vorentscheidungen über die Kostenfestsetzung wirkungslos sind. Auch bei einer Entscheidung durch Beschluß darf das Gericht zwar grundsätzlich nicht über das Begehren des Rechtsbehelfsführers hinausgehen (§§ 96 Abs. 1 Satz 2, 113 Abs. 1 FGO). Außerdem ist auch im Kostenfestsetzungsverfahren das Verbot der "reformatio in peius" zu beachten (Beschluß des BFH VII B 45/68 vom 16. Dezember 1969, BFH 98, 12, BStBl II 1970, 251). Diese Grundsätze werden aber dann nicht verletzt, wenn wirkungslose Entscheidungen aufgehoben werden.
Es wird allerdings die Auffassung vertreten, daß das Verböserungsverbot im Kostenfestsetzungsverfahren auch dann zu beachten sei, wenn eine Entscheidung über die Auferlegung der Kosten nicht vorliege (Beschluß des OLG Köln 8 W 48/66 vom 26. August 1966, NJW 1967, 114). Zur Begründung dieser Auffassung wird zunächst auf die Meinung hingewiesen, daß das Verböserungsverbot dann nicht zu beachten sei, "wenn es um von Amts wegen zu berücksichtigende Mängel in den Prozeßvoraussetzungen oder um die Art der prozessualen Erledigung des Rechtsstreits" gehe. Sodann wird eingeräumt, es möge schwer erträglich sein, dem Verböserungsverbot den Vorrang zu geben, wenn schwerwiegende Verfahrensverstöße begangen worden seien. Das sei, so wird weiter dargelegt, aber dann nicht der Fall, wenn der Kostenfestsetzung der Kostentitel fehle.
Die in der Rechtsprechung und im Schrifttum noch überwiegend vertretene Auffassung, daß das Verböserungsverbot und die Bindung an das Begehren des Rechtsbehelfsführers nicht zu beachten seien, wenn besondere von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel vorliegen (vgl. Urteil des BFH VI R 95/66 vom 2. August 1968, BFH 93, 259 [261], BStBl II 1968, 787; Urteile des Bundesgerichtshofs V ZR 166/52 vom 13. Juli 1954, Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 14 S. 294 [295] - BGHZ 14, 294 [295] -; I ZR 201/53 vom 8. Juli 1955, BGHZ 18, 98 [106], und III ZR 320/54 vom 9. Juli 1956, BGHZ 21, 214; Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 9. Aufl., § 138 I 2 b; Baumbach-Lauterbach, a. a. O., § 536 Anm. 3), wird zwar auch im Schrifttum zunehmend angegriffen (vgl. Blomeyer, Zivilprozeßrecht, 1963, § 99 II; Stein-Jonas, a. a. O., § 536 I 2 a; Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht, 10. Aufl., § 141 II 2 d). Im vorliegenden Fall hängt die Entscheidung aber nicht davon ab, ob dem Verbot der Verböserung und der Bindung an das Begehren des Rechtsbehelfsführers der Vorzug gegenüber der Beachtung von besonders bedeutsamen Verfahrensverstößen zu geben ist. Eine solche Abwägung kann nur in solchen Fällen Bedeutung erlangen, in denen zu entscheiden ist, ob die rechtliche Stellung, die ein Verfahrensbeteiligter durch eine Vorentscheidung erlangt hat, beeinträchtigt werden soll oder ob einem Verfahrensbeteiligten eine bessere Rechtsstellung einzuräumen ist, als er begehrt. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Mit der Aufhebung der Vorentscheidungen werden lediglich Entscheidungen beseitigt, die nicht die angestrebte Wirkung haben. Dadurch wird die Rechtsstellung der Beteiligten weder beeinträchtigt noch über deren Begehren hinaus verbessert.
Über den Antrag auf Festsetzung der zu erstattenden Kosten wird erneut zu entscheiden sein. Der Senat kann nicht abschließend darüber befinden, ob der Beschwerdegegner den Antrag überhaupt im eigenen Namen gestellt hat und ob die Abtretung in der Prozeßvollmacht der Kostenfestsetzung zugunsten der Steuerpflichtigen aufgrund der Kostenentscheidung entgegensteht, da wirksame Vorentscheidungen über die Kostenfestsetzung nicht vorliegen.
Fundstellen
Haufe-Index 69196 |
BStBl II 1971, 242 |
BFHE 1971, 57 |