Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbraucherinsolvenzverfahren als Unterbrechungsgrund; Abfluss bei Stornierung einer Lastschrift; fingiertes Treuhandgeschäft
Leitsatz (NV)
- Der bloße Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens führt noch nicht zu einer Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 240 ZPO, § 155 FGO.
- Wird eine Lastschrift mangels Deckung des belasteten Kontos beim Auftraggeber durch Rückbelastung storniert, so wird in diesem Vorgang gewöhnlich ein Abfluss i.S. des § 11 Abs. 2 EStG zu sehen sein.
- Die Umstände können dafür sprechen, dass ein angeblich beruflich veranlasstes Treuhandgeschäft in Wirklichkeit der privaten Geldbeschaffung dient.
Normenkette
FGO § 155; EStG § 4 Abs. 4, § 11 Abs. 2; ZPO § 240; InsO § 21 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) für eine Klage, mit der er die Anerkennung von Betriebsausgaben geltend macht. Er war im Streitjahr (1994) als Rechtsanwalt selbständig tätig. Seinen Gewinn ermittelte er durch Überschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Der Antragsteller trägt vor, er sei durch einen beruflich bedingten Betrug geschädigt worden. Aufgrund dieses Betruges sei ihm ein Verlust in Höhe von 152 060 DM entstanden. Der Betrugsfall habe sich wie folgt ereignet:
Am 2. Dezember 1994 sei bei ihm, dem Antragsteller, der ihm bekannte Bauleiter A erschienen. Dieser habe den Antragsteller gebeten, für ihn, A, einen Betrag in Höhe von 219 550 DM treuhänderisch zu verwalten. Zu diesem Zweck habe Herr A ihm eine vorbereitete Einzugsermächtigung für sein Konto bei der Kreissparkasse übergeben. Hierüber habe er, der Antragsteller, einen Aktenvermerk gefertigt. In diesem Aktenvermerk ist als Grund für die Einschaltung des Antragstellers angegeben, dass Herr A wegen seiner Tätigkeit in B nicht in der Lage sei, Beträge von seinem Konto in C bar abzuheben. Außerdem trägt der Antragsteller vor, Herr A habe einem möglichen Zugriff seiner früheren Freundin auf das Konto zuvorkommen wollen.
Am 5. Dezember 1994 habe er, der Antragsteller, nach Rückfrage bei der Kreissparkasse, ob das Konto gedeckt sei, einen Lastschriftauftrag über den Betrag in Höhe von 219 550 DM zugunsten seines eigenen Kontos bei der Raiffeisenbank eingereicht. Die Einziehung des Betrages auf sein eigenes Konto statt auf Anderkonto sei gewählt worden, weil Herr A gesagt habe, er benötige größere Beträge in bar.
Am 6. Dezember 1994 sei der Betrag seinem Konto bei der Raiffeisenbank gutgeschrieben worden. Am 8. Dezember 1994 habe er einen Betrag in Höhe von 69 550 DM von seinem Konto abgehoben und Herrn A übergeben. Am darauf folgenden Tag habe er Herrn A einen weiteren Betrag in Höhe von 150 000 DM ausgehändigt. Zu diesem Zweck habe er von seinem Konto bei der Raiffeisenbank 16 000 DM abgehoben. Den Rest habe er anderweitig beschafft.
Am 15. Dezember 1994 sei eine Rücklastschrift erfolgt, weil das Konto des Herrn A bei der Kreissparkasse nicht gedeckt gewesen sei. Nachdem er Herrn A diesen Umstand telefonisch vorgehalten habe, habe ihm am 16. Dezember 1994 ein unbekannter Mann den Betrag von 67 500 DM in einer Papiertüte übergeben. In der Folgezeit habe er von Herrn A weder weitere Beträge erhalten, noch je wieder etwas von ihm gehört. Am 30. Mai 1995 habe er Strafanzeige wegen Betruges erstattet.
Der Beklagte, Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) hielt dieses Vorbringen für nicht glaubhaft und erkannte den als Betriebsausgaben geltend gemachten Betrag in Höhe von 152 060 DM (219 550 DM ./. 67 500 DM zuzüglich 10 DM Gebühr für die Rückbelastung) nicht an. Hiergegen wandte sich der Kläger nach erfolglosem Einspruch mit der Klage, über die noch nicht entschieden ist. Der zur Durchführung des Klageverfahrens gestellte Antrag auf PKH hatte keinen Erfolg.
Hiergegen wendet sich die vorliegende Beschwerde.
Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 1999 hat der Antragsteller mitgeteilt, dass er einen Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens gestellt habe. Zur Sicherung der künftigen Insolvenzmasse hat das Amtsgericht … am 9. Dezember 1999 den Gläubigern untersagt, Maßnahmen der Zwangsvollstreckung zu ergreifen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Eine Unterbrechung gemäß § 240 der Zivilprozeßordnung (ZPO), § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist nicht eingetreten, weil bisher weder das Insolvenzverfahren eröffnet, noch gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist.
Das Finanzgericht (FG) hat den Antrag auf PKH im Ergebnis zutreffend abgelehnt. Die Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 FGO i.V.m. § 114 ZPO).
1. Es kann dahinstehen, ob ―wie das FG angenommen hat― die Erfolgsaussichten der Klage bereits deshalb zu verneinen sind, weil der Antragsteller den Abfluss des streitigen Betrags nicht dargetan hat. Das FG hat darauf abgestellt, dass der Antragsteller den auf seinem Konto anlässlich der Rückbelastung entstandenen Schuldsaldo im Streitjahr nicht mehr an die Raiffeisenbank zurückgezahlt, sondern ―wie aus den im Einspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen ersichtlich― am 6. Januar 1995 in gleicher Höhe ein vollstreckbares Schuldanerkenntnis unterschrieben hat. Es liegt demgegenüber näher, den Abfluss i.S. des § 11 Abs. 2 EStG bereits in der Rückbelastung zugunsten der Kreissparkasse zu sehen. Dieser Zahlungsvorgang wäre dann durch die Schuld gegenüber der Raiffeisenbank finanziert worden. Auf den Zeitpunkt der Rückzahlung dieser Schuld käme es ebenso wenig an wie auf den Zeitpunkt der Rückzahlung eines Darlehens, das der Finanzierung von Betriebsausgaben gedient hat.
2. Es kann jedoch bei summarischer Prüfung nicht erwartet werden, dass es dem Antragsteller im Klageverfahren gelingen wird, die Richtigkeit seiner Darstellung des Sachverhalts zu beweisen. Die Umstände sprechen vielmehr dafür, dass sich der Antragsteller durch die Transaktion vorübergehend Liquidität verschaffen wollte, die er anderweitig nicht erlangen konnte.
Hierfür spricht bereits der Umstand, dass das Konto bei der Raiffeisenbank, dem der Lastschriftbetrag gutgeschrieben wurde, zu diesem Zeitpunkt einen Schuldsaldo in Höhe von 52 836 DM aufwies. Ferner spricht hierfür, dass der Antragsteller nur hinsichtlich des Betrages in Höhe von 16 000 DM nachgewiesen hat, dass er am 9. Dezember 1994 bar abgehoben wurde. Dagegen hat er über die Abhebung des angeblich am 8. Dezember 1994 an Herrn A ausgezahlten Betrags von 69 555 DM und über die Herkunft des Differenzbetrages zwischen 16 000 DM und der angeblich am 9. Dezember übergebenen Summe von 150 000 DM keine Belege vorgelegt. Das Konto des Antragstellers wies am 9. Dezember 1994 noch ein Guthaben von 73 280 DM aus. Daraus folgt zum einen, dass der Antragsteller ―selbst wenn man unterstellt, er habe bereits am Tag zuvor für Herrn A den Betrag von 69 550 DM abgehoben― einen Betrag des angeblich treuhänderisch verwalteten Geldes in Höhe von 23 889 DM für eigene Zwecke verwendet hat. Zum anderen ist nicht ersichtlich, warum er nicht 73 280 DM statt 16 000 DM abgehoben hat, um sie an Herrn A auszuzahlen.
Die angeblich von Herrn A herrührende Quittung über den Betrag von 150 000 DM liegt lediglich in Kopie vor. Die Echtheit der Unterschrift lässt sich nicht überprüfen. Sie datiert vom 9. Dezember 1994. Aus der vom Antragsteller vorgelegten Zahlungsaufstellung aus der Handakte ergibt sich jedoch, dass die Übergabe am 12. Dezember 1994 erfolgt sein soll. Ebenso schildert es der Kläger in seiner Strafanzeige.
Einen Treuhandvertrag gibt es nicht. Der Antragsteller hat lediglich zwei Kopien eines von ihm gefertigten Aktenvermerks vom 2. Dezember 1994 vorgelegt. Beide Aktenvermerke enthalten handschriftliche Zusätze, die sich nach Text und Datum unterscheiden. Die beiden handschriftlichen Zusätze sind offensichtlich zurückdatiert. Bei den Datumsangaben "5. 12. 94" und "8. 12. 94" lautete die ursprünglich geschriebene Jahreszahl jeweils "96". In beiden Fällen wurde die "4" über die "6" geschrieben. Es ist nahezu ausgeschlossen, dass ein Schriftstück versehentlich zunächst zwei Jahre vordatiert wird.
In der Einkommensteuerakte befindet sich ―offenbar von den damaligen steuerlichen Vertretern des Antragstellers vorgelegt― die Kopie einer Kassenabrechnung. Ihre Überschrift lautet "vom … bis 31. 12. 94" und enthält Vorfälle vom 2. bis zum 29. Dezember 1994. Von den hier in Rede stehenden Vorgängen ist nur die Auszahlung eines Betrags von 150 000 DM vermerkt (Datum nicht eindeutig leserlich, vermutlich 9. Dezember 1994). Im Klageverfahren wurde als Anlage 5 zum Schriftsatz vom 15. März 1999 eine Kassenabrechnung "vom 01. 12. 94 bis 14. 12. 94" in Kopie vorgelegt. Sie enthält gänzlich andere Zahlen. Unter dem Datum vom 8. Dezember 1994 sind der Zugang und die Auszahlung des Betrages von 69 550 DM erfasst. Eine weitere Zahlung von 150 000 DM ist in dieser Kassenabrechnung nicht enthalten.
Demnach sind die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen nicht geeignet, seine Sachverhaltsdarstellung glaubhaft erscheinen zu lassen. Sie sprechen vielmehr umgekehrt gegen seine Glaubhaftigkeit und deuten darauf hin, dass der geltend gemachte "Verlust" im steuerlich nicht relevanten Bereich entstanden ist.
Fundstellen
Haufe-Index 425570 |
BFH/NV 2000, 1087 |