Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollziehungsaussetzung eines ohne Rechtsgrundlage ergangenen Feststellungsbescheides
Leitsatz (NV)
1. § 69 Abs. 3 Satz 2 FGO ist im Revisionsverfahren nicht anwendbar.
2. Ein Bescheid, mit dem das HZA die Mineralölsteuerbegünstigung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 MinöStG, § 17 Abs. 5 MinöStDV - selbständig feststellend - verneint, ist als der Vollziehung fähiger und damit der Vollziehungsaussetzung zugänglicher Feststellungsbescheid zu behandeln. Die Aussetzung seiner Vollziehung ist bereits deshalb gerechtfertigt, weil ernstlich zweifelhaft erscheint, ob eine Feststellung dieser Art hätte getroffen werden dürfen (Bestätigung der Rechtsprechung).
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3, 2 S. 2; AO 1977 § 179 Abs. 1, § 118; MinöStG § 8 Abs. 2 S. 1; MinöStDV § 17 Abs. 5
Tatbestand
Mit ,,Feststellungsbescheid" vom 17. Oktober 1989 befand der Antragsgegner - Hauptzollamt (HZA) -, daß die von der Antragstellerin zur Stromversorgung ihrer auf Straßenbaustellen befindlichen Asphaltmisch- und -produktionsanlagen betriebenen, fest mit dem Boden verbundenen Drehstromaggregate nicht ,,ortsfest" i. S. v. § 8 Abs. 2 Satz 1 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG), § 17 Abs. 5 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStDV) und die Voraussetzungen für die Verwendung steuerbegünstigten Heizöls mithin nicht gegeben seien. Die gegen diesen mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid nach erfolglosem Einspruch erhobene Anfechtungsklage wurde vom Finanzgericht (FG) abgewiesen, und zwar mit der Begründung, die Anlagen seien trotz ihrer festen Verbindung mit dem Erdboden nicht ortsfest, weil sie nicht dazu bestimmt seien, ihren Standort nicht nur vorübergehend beizubehalten (§ 17 Abs. 5 MinöStDV).
Die Antragstellerin hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt und beantragt, die Vorentscheidung und die angefochtenen Entscheidungen aufzuheben. Der Senat hat über die Revision noch nicht entschieden.
Die Antragstellerin begehrt nunmehr vor dem Bundesfinanzhof (BFH) die Vollziehung des ,,Grundlagenbescheids" des HZA vom 8. Dezember 1989 (Steuerbescheid ohne Leistungsgebot) und des ,,Leistungsbescheids" vom 4. September 1990 (Leistungsgebot), hilfsweise: die Vollziehung des ,,Grundlagenbescheides (Feststellungsbescheides)" vom 17. Oktober 1989 und des ,,Leistungsbescheides" vom 4. September 1990 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage gegen den ,,Feststellungsbescheid" auszusetzen.
Das HZA führt demgegenüber u. a. aus, der Bescheid vom 17. Oktober 1989 sei kein Feststellungsbescheid, sondern ein rechtsfeststellender Bescheid eigener Art (§ 118 der Abgabenordnung - AO 1977 -), der nicht vollziehbar sei.
Entscheidungsgründe
Der Antrag hat Erfolg, soweit er auf Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheides gerichtet ist. Im übrigen ist er abzulehnen.
Dem Hauptantrag kann schon deshalb nicht entsprochen werden, weil der Senat insoweit nicht Gericht der Hauptsache ist (§ 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Gericht der Hauptsache ist der Senat nur, soweit er als Revisionsgericht zu entscheiden hat, nämlich über die Revision gegen das den Feststellungsbescheid bestätigende FG-Urteil, mittelbar über diesen Bescheid selbst. Nicht zuständig ist der Senat dagegen zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheides mit Leistungsgebot. Insoweit kann auch § 69 Abs. 3 Satz 2 FGO nicht herangezogen werden, denn diese Vorschrift ist im Revisionsverfahren nicht anwendbar (Gräber / Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., 1987, § 69 Anm. 136 mit Nachweisen). Über den mit ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheides begründeten Hauptantrag kann der Senat sonach nicht entscheiden. Dasselbe gilt für den Hilfsantrag, soweit dieser die Aussetzung der Vollziehung des Leistungsgebots (zum Steuerbescheid) betrifft.
Hinsichtlich des Hilfsantrags im übrigen ist der Senat Gericht der Hauptsache. Der Hilfsantrag ist hinsichtlich der Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheides begründet.
Der Senat hat in einem im wesentlichen gleichgelagerten Fall entschieden (Beschluß vom 21. Februar 1989 VII B 148, 149/88, BFH/NV 1989, 676), daß Bescheide der vorliegenden Art ihrer Wirkung nach als der Vollziehung fähige - und damit auch der Vollziehungsaussetzung zugängliche - Feststellungsbescheide (§ 179 Abs. 1 AO 1977) zu behandeln sind und daß die Aussetzung ihrer Vollziehung bereits deshalb gerechtfertigt ist, weil ernstlich zweifelhaft erscheint (§ 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO), ob die Feststellung überhaupt hätte getroffen werden dürfen und ob sie nicht schon wegen Fehlens einer gesetzlichen Grundlage aufzuheben ist. Wegen der sich daraus ergebenden Unsicherheit hat der Senat seinerzeit die von der Vorinstanz gewährte Vollziehungsaussetzung bestätigt. Im Streitfall ist aus den Gründen des angeführten Beschlusses in gleicher Weise zu entscheiden, also dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheides stattzugeben, ohne daß es eines Eingehens auf die Frage bedarf, ob die vom FG gebilligte sachlich-rechtliche Auffassung des HZA zutrifft. Art und Form des Bescheides begründen ernstliche Bedenken gegen die nunmehr vom HZA vertretene Auffassung, es handele sich um einen ,,anderen" rechtsfeststellenden Verwaltungsakt (mit nicht vollziehungsfähigem Inhalt).
Die Antragstellerin hat in diesem Aussetzungsverfahren im wesentlichen Streitpunkt obsiegt; sie ist, soweit der Sache nach überhaupt (vgl. dazu Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1987, § 136 Anm. 1), nur zu einem geringen Teil unterlegen. Im Hinblick hierauf erscheint es angebracht, die Kosten dem HZA voll aufzuerlegen (§ 135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 417892 |
BFH/NV 1992, 314 |