Entscheidungsstichwort (Thema)
Unentgeltliche Überlassung von Mandantenverträgen als vGA
Leitsatz (NV)
Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass die unentgeltliche Befreiung des beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers einer Steuerberatungs-GmbH vom Wettbewerbsverbot sich nicht zwangsläufig auf die Überlassung der Mandantenverträge erstreckt. In dem Verzicht auf das Entgelt für die Überlassung der Mandantenverträge ist deshalb regelmäßig eine vGA zu sehen.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 3 S. 2
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist eine Steuerberatungs-GmbH, die ihre Tätigkeit zum 31. März 1994 eingestellt hat und die sich seitdem in Liquidation befindet. Das Arbeitsverhältnis mit ihrem alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer, Steuerberater X, der gesellschaftsvertraglich seit dem 2. Dezember 1993 ohne Gegenleistung von jeglichem Wettbewerbsverbot befreit worden war, wurde zum 31. März 1994 gekündigt. X führte sodann die Geschäfte der Antragstellerin vom 1. April 1994 an fort. Die Mandantenverträge der Antragstellerin wurden von ihm ―mit Einverständnis der Mandanten nach zuvoriger Mitteilung des Vertragsübergangs an diese in einem gemeinsamen Rundschreiben der Antragstellerin sowie des X― unverändert übernommen.
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) sah (u.a. und soweit im Rahmen dieses Verfahrens noch im Streit) in dem Übergang der Beratungsverträge den unentgeltlichen Übergang des Mandantenstamms und behandelte diesen Übergang als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA). Er erhöhte den Gewinn der Antragstellerin für das Streitjahr 1994 um 80 v.H. des nachhaltig aus den Beratungsverträgen erzielbaren Umsatzes.
Die Einsprüche gegen die hiernach geänderten Steuerbescheide blieben in dem noch streitigen Punkt erfolglos. Über die daraufhin erhobene Klage ist noch nicht entschieden.
Da das FA die zuvor verfügte Aussetzung der Vollziehung (AdV) der angefochtenen Bescheide aufgehoben hatte, beantragte die Antragstellerin beim Finanzgericht (FG), die Vollziehung gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen. Der Antrag wurde durch Beschluss des Sächsischen FG vom 21. Oktober 2002 2 V 389/02 als unbegründet abgewiesen.
Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer ―vom FG zugelassenen― Beschwerde.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll ―u.a. und soweit hier einschlägig― erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Eine überwiegende Erfolgsaussicht des Rechtsmittels ist für die AdV nicht erforderlich (vgl. Bundesfinanzhof ―BFH―, Beschluss vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; seitdem ständige Rechtsprechung).
2. Im Streitfall bestehen nach summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide.
a) Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Senat die Veranlassung einer Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (vgl. Senatsurteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626). Ist der begünstigte Gesellschafter-Geschäftsführer ein beherrschender, kann die Vermögensminderung auch dann ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis haben, wenn der Leistung an den Gesellschafter oder eine diesem nahe stehende Person keine klare und von vornherein abgeschlossene Vereinbarung zugrunde liegt (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Urteile vom 24. Januar 1990 I R 157/86, BFHE 160, 225, BStBl II 1990, 645, m.w.N.; vom 21. Juli 1982 I R 56/78, BFHE 136, 386, BStBl II 1982, 761, m.w.N.).
b) Nach diesen Vorgaben kann eine vGA auch darin zu sehen sein, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer Geschäftschancen, die der Kapitalgesellschaft gebühren, als Eigengeschäft wahrnimmt oder Kenntnisse der Gesellschaft über geschäftliche Möglichkeiten tatsächlicher oder rechtsgeschäftlicher Art an sich zieht und für eigene Rechnung nutzt (Senatsurteile z.B. vom 16. Dezember 1998 I R 96/95, BFH/NV 1999, 1125; vom 30. August 1995 I R 155/94, BFHE 178, 371, 375; vom 11. Juni 1996 I R 97/95, BFHE 181, 122; vom 12. Juni 1997 I R 14/96, BFHE 183, 459; s. auch Frotscher in Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz, Anhang vGA zu § 8 Rz. 87, m.w.N. zur Rechtsprechung). Verfügt die Gesellschaft bei Wahrnehmung der Chance durch den Gesellschafter-Geschäftsführer gegen diesen nicht über einen zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch, kann dennoch eine Gewinnverlagerung anzunehmen sein, wenn jedenfalls ein fremder Dritter für die Überlassung der Geschäftschance ein Entgelt gezahlt hätte (Senatsurteil in BFH/NV 1999, 1125, m.w.N.).
So liegen die Dinge nach Aktenlage und dem Beteiligtenvorbringen im Streitfall. Die Antragstellerin hat die in Rede stehenden Mandantenverträge dem X im März 1994 zur Fortführung der Geschäfte im Rahmen dessen selbständiger Tätigkeit überlassen, ohne dafür ein Entgelt zu verlangen. Die Mandantenverträge eines Steuerberaters stellen den (immateriellen) Kernbestand des Beratungsgeschäfts dar und sind als solche marktgängig. Tragfähige betriebliche Gründe für einen Entgeltverzicht und die darin liegende Vermögensminderung sind nicht ersichtlich oder geltend gemacht worden. Mit der am 2. Dezember 1993 satzungsmäßig erfolgten, ihrerseits unentgeltlichen Befreiung des X vom Wettbewerbsverbot hat die Überlassung der Mandantenverträge nichts zu tun. Zum einen erstreckt sich die Befreiung vom Wettbewerbsverbot nicht zwangsläufig auf die Überlassung der Mandantenverträge. Zum anderen würde es insoweit an den Anforderungen fehlen, die aus steuerlicher Sicht gegenüber dem alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer zu stellen sind. Denn die Befreiung vom Wettbewerbsverbot wäre im Hinblick auf eine daneben erfolgte unentgeltliche Überlassung der Mandantenverträge nicht klar und eindeutig. Gleichermaßen verhielt es sich, wenn die Verträge ―wie von der Antragstellerin nunmehr geltend gemacht― X als Gegenleistung (Arbeitslohn) für die erbrachte Geschäftsführertätigkeit überlassen worden wären.
Fundstellen
Haufe-Index 965316 |
BFH/NV 2003, 1349 |
GmbH-StB 2003, 276 |
GmbHR 2003, 1019 |