Leitsatz (amtlich)
1. Die Darlegung, das FG habe infolge mangelnder Sachverhaltsaufklärung über einen nur unvollständig festgestellten Sachverhalt entschieden, enthält lediglich einen Angriff gegen einzelne, allenfalls die Richtigkeit der Entscheidung des Einzelfalls betreffende Punkte, rechtfertigt aber nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.
2. Zur Frage, wann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs zu bejahen ist, die als Verfahrensmangel zur Zulassung der Revision führt.
2. Das FG braucht in der Regel nicht über einen unstreitigen Sachverhalt hinaus weitere Nachforschungen von Amts wegen darüber anzustellen, ob ein Erwerbsvorgang auf Grund noch anderer, nicht erkennbarer Sachverhaltsmerkmale möglicherweise nicht unter den bisher geltend gemachten Befreiungstatbestand, sondern unter einen anderen der zahlreichen Befreiungstatbestände des Grunderwerbsteuerrechts fallen könnte, es sei denn, daß sich aus den Unterlagen hierfür ein besonderer naheliegender Anlaß böte.
Normenkette
FGO §§ 76, 93, 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3
Tatbestand
Der Beschwerdeführer erwarb im August 1961 ein unbebautes Grundstück, um darauf ein Gebäude mit grundsteuerbegünstigten Wohnungen zu errichten. Mangels Nachweises der steuerbegünstigten Verwendung setzte der Beschwerdegegner im Dezember 1966 eine Grunderwerbsteuer von 638,40 DM fest.
Einspruch und Klage waren erfolglos.
Das FG wies die Klage ab, weil der Beschwerdeführer das Grundstück nicht innerhalb der Frist von fünf Jahren, gerechnet ab dem Zeitpunkt der Genehmigung des Erwerbsvorganges im September 1961, steuerbegünstigt bebaut hatte.
Die Revision ließ das FG nicht zu.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt der Beschwerdeführer, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Der Beschwerdeführer erblickt die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, die die Zulassung der Revision erfordere (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 3 FGO), darin, daß "die Frage der unterlassenen Sachverhaltsaufklärung bzw. des Umfanges der Aufklärungspflicht" als Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung vom BFH bisher nicht abschließend geklärt sei und daß ein Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Rechtsprechung und Fortentwicklung des Rechts insoweit nicht verneint werden könne. Richtig hieran ist, daß eine Rechtssache - ggf. auch eine Verfahrensfrage - dann von grundsätzlicher Bedeutung ist, wenn die für die Entscheidung maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit - d. h. der Gemeinschaft der Rechtsgenossen - an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BFH-Beschlüsse II B 2/68 vom 24. Juni 1969, BFH 96, 155, 158, BStBl II 1969, 663, 664, linke Spalte mit weiteren Nachweisen). Gerade die Frage der amtlichen Ermittlungspflicht und ihres Umfangs ist in zahlreichen Entscheidungen auch des BFH dahin beantwortet worden, daß in dem vom Amtsprinzip beherrschten Steuerprozeß (vgl. - dem § 139 der ZPO entsprechend - §§ 76 ff. FGO) der Sachverhalt unter Ausschöpfung aller verfügbaren Beweismittel auch zugunsten des Steuerpflichtigen von Amts wegen bis zur Grenze des Zumutbaren so vollständig wie möglich aufzuklären ist (vgl. aus neuerer Zeit z. B. außer dem BFH-Urteil VI 379/65 vom 1. Dezember 1967, BFH 90, 485, BStBl II 1968, 145, die Urteile des erkennenden Senats II 120/63 vom 30. Mai 1967, BFH 89, 65, BStBl III 1967, 520; II 73/63 vom 20. Juni 1967, BFH 90, 82, BStBl III 1967, 794; II 125/63 vom 13. Februar 1969, BFH 95, 289, BStBl II 1969, 379). Insoweit kann also nicht davon gesprochen werden, daß durch die vorliegende Rechtssache eine höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung aufgeworfen werde. Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorträgt, das FG habe infolge mangelnder Sachverhaltsaufklärung über einen nur unvollständig festgestellten Sachverhalt entschieden, so lassen diese Darlegungen nicht auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache schließen, sondern enthalten lediglich Angriffe gegen einzelne, allenfalls die Richtigkeit der Entscheidung des Einzelfalls betreffende Punkte.
Legt man, obwohl der Beschwerdeführer seine Nichtzulassungsbeschwerde ausdrücklich nur auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützt hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), den Gesamtinhalt der Beschwerdeschrift dahin aus, daß mit der Beschwerde auch Verfahrensmängel geltend gemacht werden, auf denen die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 Satz 3 letzter Halbsatz FGO), so kämen als solche Mängel offenbar die Verletzung der amtlichen Ermittlungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) und die nichtausreichende Gewährung des rechtlichen Gehörs (§ 76 Abs. 2 FGO; vgl. auch § 93 FGO) in Betracht.
Ob das FG seiner Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen bis zur Grenze des Zumutbaren nachgekommen ist, richtet sich jeweils nach den Gesamtumständen. Jedenfalls braucht das FG in der Regel nicht über einen unstreitigen Sachverhalt hinaus von Amts wegen weitere Nachforschungen darüber anzustellen, ob ein Erwerbsvorgang auf Grund noch anderer, nicht erkennbarer Sachverhaltsmerkmale möglicherweise nicht unter den bisher geltend gemachten Befreiungstatbestand, sondern unter einen anderen der zahlreichen Befreiungstatbestände des Grunderwerbsteuerrechts fallen könnte, es sei denn, daß sich aus den Unterlagen, insbesondere den Ausführungen des mit seinem eigenen Steuerfall am besten vertrauten Steuerpflichtigen, hierfür ein besonderer, naheliegender Anlaß böte (vgl. BFH-Urteil II 79/59 vom 1. März 1961, HFR 1961, 151; BFH-Beschluß II B 17/66 vom 27. Juni 1968, BFH 93, 188, BStBl II 1968, 753). Das Letztgenannte ist nicht der Fall. Der Beschwerdeführer hatte, wie beim Beschwerdegegner, noch in der Tatsacheninstanz Grunderwerbsteuer-Befreiung lediglich nach den Vergünstigungsvorschriften über den sozialen Wohnungsbau begehrt. Im Schriftsatz vom 22. Juni 1968 a. E. hatte er ausgeführt, daß nur Rechtsfragen zu klären seien, was das Bekanntsein aller Sachverhaltsmerkmale voraussetzt. Aus dem bloßen Hinweis in diesem Schreiben, daß die (also bisher bereits aktenkundigen) Verkaufsvorgänge vom August 1961 der zur Baulandbeschaffung erforderlichen Um- und Zusammenlegung dienten, konnte das FG auch deshalb um so weniger auf eine Befreiungsmöglichkeit nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrEStG schließen als der Beschwerdeführer weder hatte erkennen lassen, ob er selbst ein eigenes Grundstück im "Austausch" hingegeben habe, noch, ob um die Zweckdienlichkeitsbescheinigung nachgesucht worden sei.
Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verbietet es dem Gericht, seiner Entscheidung Tatsachen- und Beweisergebnisse zugrunde zu legen, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten (vgl. - zugleich zur Abgrenzung - z. B. BFH-Urteile I 30/64 vom 5. Juli 1966, BFH 86, 609, BStBl III 1966, 604; I R 47/66 vom 10. Januar 1968, BFH 91, 338, BStBl II 1968, 349). Darüber hinaus kann in besonderen Fällen eine Verletzung der Aufklärungspflicht dann vorliegen, wenn etwa das Gericht von seiner bisher unmißverständlich geäußerten Rechtsansicht später abweichen will, ohne die Rechtsfragen nochmals zur Erörterung zu stellen, dazu noch, wenn es in Verbindung mit einem bestimmten Beweisergebnis auf die Möglichkeit des Verzichts auf eine nochmalige mündliche Verhandlung hinweist (vgl. BFH-Urteil II 73/63 vom 20. Juni 1967, BFH 90, 82, BStBl III 1967, 794). Ein solcher Sonderfall liegt hier nicht vor. Dem Beschwerdeführer waren die verschiedenen Rückfragen des Berichterstatters des FG wegen der Zeitpunkte der Genehmigung der verschiedenen Kaufverträge und die Antwortschreiben zur Kenntnis gegeben worden. Der Beschwerdeführer hatte ausreichend Gelegenheit, sich zu den hiermit zusammenhängenden Rechtsfragen zu äußern. Er hat dies auch getan. Aus den Rückfragen des Berichterstatters des FG war keineswegs bereits eine unmißverständliche Äußerung des Gerichts über dessen Rechtsansicht zu entnehmen, die den Beschwerdeführer hätte veranlassen können, unter Außerachtlassung der auch für ihn bestehenden Mitwirkungs- und Nachweispflicht (vgl. §§ 76 ff. FGO in Verbindung mit den in Betracht kommenden Vorschriften der §§ 166 ff. der Reichsabgabenordnung; vgl. auch BFH-Urteil II 25/61 vom 20. Mai 1969, BFH 96, 129, 135, BStBl II 1969, 550, 552, rechte Spalte unten) von der Darlegung weiterer Sachverhaltsmerkmale abzusehen, die nach seiner Auffassung eine Steuerbefreiung nach anderen gesetzlichen Vorschriften ermöglicht hätte.
Unter diesen Umständen sind weder die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 noch die des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO erfüllt. Daß das Urteil des FG von einer Entscheidung des BFH abweiche (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), hat der Beschwerdeführer selbst nicht behauptet.
Fundstellen
Haufe-Index 68713 |
BStBl II 1970, 97 |
BFHE 1970, 293 |