Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Verfahrensrüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs
Leitsatz (NV)
Für eine schlüssige Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs, mit der geltend gemacht wird, das Finanzgericht habe einen bestimmten Sachantrag des Beschwerdeführers nicht zur Kenntnis genommen und nicht beschieden, ist darzulegen, inwieweit bei einer Berücksichtigung des übergangenen Antrags eine andere Entscheidung in der Sache möglich gewesen wäre.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2-3, § 119 Nr. 3
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig, da ihre Begründung nicht den formellen Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht.
1. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ―Gesellschafter einer gewerblich tätigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)― haben die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Beschwerdeschrift nicht ausreichend dargelegt i.S. von § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO. Hierzu gehört ein konkreter und substantiierter Vortrag, aus welchen Gründen im Einzelnen die Klärung der Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsfortentwicklung im allgemeinen Interesse liegt und weshalb die Rechtsfrage im künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig ist (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 31. Oktober 1996 VIII B 42/96, BFH/NV 1997, 490; vom 28. Juli 1997 VIII B 68/96, BFH/NV 1998, 29, ständige Rechtsprechung).
Im Streitfall fehlen insbesondere Ausführungen zur Klärungsfähigkeit der von den Klägern als grundsätzlich bedeutsam erachteten Rechtsfrage, ob die Grundsätze, die der Große Senat des BFH in seinem Beschluss vom 10. November 1980 GrS 1/79 (BFHE 132, 244, BStBl II 1981, 164) über die Zurechnung von Verlustanteilen bei einem Kommanditisten mit negativem Kapitalkonto aufgestellt hat, entsprechend gelten, wenn ein voll haftender Gesellschafter wegen Zahlungsunfähigkeit nicht in der Lage ist, sein negatives Kapitalkonto auszugleichen. Ausführungen zur Klärungsfähigkeit dieser Rechtsfrage im künftigen Revisionsverfahren wären schon deshalb erforderlich gewesen, weil an ihrer Entscheidungserheblichkeit erhebliche Zweifel bestehen. Die Grundsätze des Beschlusses in BFHE 132, 244, BStBl II 1981, 164 sind nach In-Kraft-Treten des § 15a des Einkommensteuergesetzes (EStG), der die Ausgleichs- und Abzugsfähigkeit von Verlustanteilen beschränkt haftender Gesellschafter regelt, nur noch auf solche Fälle anwendbar, die außerhalb des sachlichen und zeitlichen Anwendungsbereichs dieser Vorschrift liegen. Da § 15a EStG innerhalb seines sachlichen Anwendungsbereichs grundsätzlich für alle Verluste gilt, die in nach dem 31. Dezember 1979 beginnenden Wirtschaftsjahren entstehen (vgl. § 52 Abs. 19 EStG 1994), hätten die Kläger darlegen müssen, weshalb § 15a Abs. 5 Nr. 2 EStG, der unter bestimmten Voraussetzungen eine Begrenzung des Verlustabzugs und Verlustausgleichs von Gesellschaftern einer GbR anordnet, im vorliegenden Fall nicht anzuwenden ist.
Die Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage ist auch insofern nicht schlüssig dargelegt, als nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Finanzgerichts (FG) im angefochtenen Urteil davon auszugehen ist, dass der Kläger an den Bilanzstichtagen der Streitjahre noch zahlungsfähig war. Nach den Ausführungen des BFH in seinem Beschluss in BFHE 132, 244, BStBl II 1981, 164 ist die Zurechnung von Verlustanteilen bei einem Kommanditisten mit negativem Kapitalkonto jedoch nur insoweit ausgeschlossen, als bei Aufstellung der Bilanz nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag feststeht, dass ein Ausgleich des negativen Kapitalkontos mit künftigen Gewinnanteilen des Kommanditisten nicht mehr in Betracht kommt. Die von den Klägern begehrte steuerrechtliche Zurechnung der Verluste der GbR allein bei der Klägerin käme in den Streitjahren deshalb auch im Fall einer sinngemäßen Anwendung der Rechtsgrundsätze des Beschlusses in BFHE 132, 244, BStBl II 1981, 164 nicht in Betracht.
2. Die Revision ist auch nicht wegen Verstoßes gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs zuzulassen. Die Kläger haben diesen Verfahrensmangel nicht ausreichend bezeichnet (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).
Die Kläger sehen eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör darin, dass das FG ihren mit Schriftsatz vom 2. Februar 1999 gestellten Antrag auf abweichende Feststellung der Besteuerungsgrundlagen aus sachlichen Billigkeitsgründen (§ 163 der Abgabenordnung ―AO 1977―) nicht zur Kenntnis genommen und nicht darüber entschieden habe. Für eine zulässige Rüge hätten sie u.a. schlüssig darlegen müssen, inwieweit das angefochtene Urteil auf dem behaupteten Verfahrensfehler beruhen kann. Zwar handelt es sich bei der Verletzung des rechtlichen Gehörs um einen absoluten Revisionsgrund, bei dem die Kausalität des Verfahrensmangels für das Urteil von Gesetzes wegen vermutet wird (§ 119 Nr. 3 FGO). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt jedoch, wenn der Verstoß nur einzelne Feststellungen oder bestimmte Verfahrenshandlungen betrifft. In diesem Fall ist darzulegen, dass bei Berücksichtigung des übergangenen Antrags oder Vorbringens eine andere Entscheidung in der Sache möglich gewesen wäre (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5. November 1991 VII R 64/90, BFHE 166, 415, BStBl II 1992, 425).
Im Streitfall haben die Kläger nicht schlüssig dargelegt, dass eine Berücksichtigung ihres Antrags zu einer anderen Entscheidung des FG in der Sache hätte führen können. Aus dem Vorbringen in der Beschwerdeschrift ergibt sich insbesondere nicht, aus welchen Gründen das FG im vorliegenden Verfahren der Anfechtungsklage gegen die Gewinnsfeststellungsbescheide 1994 und 1995 verpflichtet war, über eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO 1977 zu entscheiden. Zu einer Sachentscheidung über einen Antrag nach § 163 AO 1977 wäre das FG nur befugt gewesen, wenn die Kläger zuvor erfolglos eine Billigkeitsmaßnahme beim FA beantragt und gegen die Ablehnung dieses Antrags fristgerecht Verpflichtungsklage erhoben hätten. Denn die Billigkeitsentscheidung nach § 163 AO 1977 ist durch einen gesonderten Verwaltungsakt mit eigenständigem Regelungsgehalt zu treffen; die Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsakts ist in einem besonderen Rechtsschutzverfahren zu prüfen, das gegebenenfalls mit dem Einspruchs- oder Klageverfahren gegen die Steuerfestsetzung (hier: die Gewinnfeststellung) verbunden werden kann (vgl. dazu im Einzelnen von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 163 AO Rz. 130, 145 ff.). Weder aus der Beschwerdeschrift noch aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils ergibt sich, dass die Kläger neben der Anfechtungsklage gegen die Feststellungsbescheide 1994 und 1995 eine Verpflichtungsklage auf eine abweichende Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 163 AO 1977 erhoben haben.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).
Fundstellen
Haufe-Index 425172 |
BFH/NV 2000, 854 |