Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung eines beim FG gestellten Antrags auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussichten
Leitsatz (NV)
1. Zur Prüfung der Erfolgsaussichten einer beim FG noch anhängigen Klage im Beschwerdeverfahren wegen Versagung von Prozeßkostenhilfe.
2. Zum Nachweis und zur Feststellungslast bei verschiedenen Aufwendungen (insbesondere Fahrtkosten), deren Abzug als Betriebsausgaben begehrt wird.
Normenkette
FGO § 142; ZPO § 114 S. 1; EStG § 4 Abs. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) ist Musiker und war in den Streitjahren 1971 bis 1977 zeitweise als Musiklehrer tätig. Seit 1958 veranstaltete er im gesamten Bundesgebiet Konzerte. Bei seinen Konzerten bat der Kläger die Besucher statt eines Eintrittsgeldes um Spenden für ein Kinderheim, dessen Betrieb im Jahre 1967 eingestellt und in der Folgezeit nicht wieder aufgenommen wurde.
Die vom Kläger erzielten Einnahmen wurden bei der damals zuständigen Finanzbehörde nicht angegeben. In den Streitjahren 1971 bis 1973 und 1975 reichte der Kläger Anträge auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs ein, welche lediglich Angaben über die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit enthielten.
Aufgrund einer für die Jahre 1968 bis 1977 durchgeführten Steuerfahndungsprüfung kam der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) zu dem Ergebnis, daß die aus den Konzerten erzielten Erlöse als Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzusehen und dem Kläger auch zuzurechnen seien. Er habe sie nämlich, soweit er sie nicht für seinen Lebensunterhalt verwendet hätte, auf zwei Bankkonten einbezahlt, über die er hätte frei verfügen können. Einen Teil der Gelder habe er auf Festgeldkonten und in festverzinslichen Wertpapieren angelegt (Bankguthaben von rd. 70 000 DM) sowie zwei Grundstücke zum Kaufpreis von 21 000 DM bzw. 20 000 DM erworben.
Da der Kläger keinerlei Aufzeichnungen, Geschäftsunterlagen und Belege vorweisen konnte, wurden die Besteuerungsgrundlagen anhand der bei den Banken getätigten Einzahlungen geschätzt. Das FA erließ entsprechende Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1968 bis 1977 sowie Vermögensteuerbescheide 1969 bis 1977.
Der Einspruch des Klägers hatte insoweit Erfolg, als das FA die Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide 1968 und 1969 sowie die Vermögensteuerbescheide 1969 bis 1972 wegen Verjährung aufhob. Im übrigen wies es den Einspruch als unbegründet zurück.
Die Klage, mit welcher der Kläger Aufhebung der Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide 1970 bis 1977 sowie der Vermögensteuerbescheide 1973 bis 1977 begehrte, hatte insofern Erfolg, als das Finanzgericht (FG) das Verfahren wegen Einkommen- und Umsatzsteuer 1970 sowie Vermögensteuer 1973 abtrennte und die Steuerbescheide wegen Verjährung durch Urteil aufhob. Im übrigen ist das Verfahren noch beim FG anhängig.
Mit Schreiben vom 27. August 1982 beantragte der Kläger erneut die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das Klageverfahren. Das FG lehnte diesen Antrag mit Beschluß vom 12. Dezember 1984 ab, der dem Kläger am 17. Januar 1985 zugestellt wurde. Zur Begründung nimmt das FG auf seinen Beschluß vom 6. Juli 1981 in der Aussetzungssache VIII 78-80/81 A (E, U, V) Bezug und führt im übrigen aus, das Vorbringen des Klägers, seine Betriebsausgaben seien höher gewesen als von der Steuerfahndungsstelle angesetzt, sei zu allgemein gehalten. Es sei auch nicht erkennbar, zu welcher Art von Betriebsausgaben die 33 benannten Zeugen konkret etwas bekunden könnten.
Mit Schriftsatz vom 23. Januar 1985 legte der Prozeßbevollmächtigte gegen den Beschluß Beschwerde ein, die von ihm nicht begründet wurde, weil er mit Schreiben an das FG vom 13. Mai 1985 sein Mandat niedergelegt hatte. Auch der Kläger hat trotz Aufforderung durch die zuständige Geschäftsstelle beim Bundesfinanzhof (BFH) seine Beschwerde nicht durch eine nach Art. 1 Nr. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) vertretungsberechtigte Person begründen lassen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in Verbindung mit § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozeßkostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet nicht hinreichend Aussicht auf Erfolg.
1. Das FG hat in dem erwähnten und in der Entscheidung vom 12. Dezember 1984 in Bezug genommenen Aussetzungsbeschluß vom 6. Juli 1981 eingehend dargelegt, daß ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2, 3 FGO an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Steuerbescheide zu verneinen sind. Die seitdem vom Kläger vorgetragenen Argumente sind nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Ausführungen und damit an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung zu begründen.
a) Die Zurechnung der auf den beiden Bankkonten eingegangenen Geldbeträge als Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit hat der Kläger inzwischen nicht mehr bestritten. Die Gewinnschätzungen sind auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Der Einwand, es seien sog. Doppelerfassungen (Überweisungen von einem Bankkonto auf das andere) vorgekommen, wurde nicht substantiiert. Der Kläger hat bisher keinen Fall einer Doppelerfassung benennen, geschweige durch Vorlage von Unterlagen nachweisen können.
b) Auch die Behauptung des Klägers, seine Betriebsausgaben hätten über den geschätzten Einnahmen gelegen, ist nicht stichhaltig. Im Steuerprozeß trägt der Steuerpflichtige die objektive Beweislast (Feststellungslast) für diejenigen Tatsachen, die eine Steuerbefreiung oder Steuerermäßigung begründen oder den Steueranspruch aufheben oder einschränken (Urteil vom 24. Juni 1976 IV R 101/75, BFHE 119, 164, BStBl II 1976, 562; siehe auch Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 5. Aufl., § 4 Anm. 7e). Das heißt, daß verbleibende Unsicherheiten bei der Feststellung steuereinschränkender Sachverhalte im allgemeinen zu seinen Lasten gehen. Im Streitfall hat der Kläger die hinsichtlich der von ihm geltend gemachten Betriebsausgaben bestehenden Unklarheiten bisher nicht ausräumen können.
Die vom Kläger benannten Zeugen haben in ihren schriftlichen Stellungnahmen lediglich vage Vermutungen äußern können und die auch von der Steuerfahndung nicht bestrittene Einlassung des Klägers bestätigt, daß er seine Auslagen selbst getragen hat. Genaue Angaben über Art und Höhe der angefallenen Betriebsausgaben konnten in keinem Fall gemacht werden.
Auch die Ausführungen in der Aufzeichnung des Rechtspflegers X. aus A., die mit Anschreiben vom 18. Juli 1985 dem FG vorgelegt wurde, sowie aus den beigefügten, offensichtlich vom Kläger handschriftlich gefertigten Notizen und Berechnungen, die insbesondere Aufschluß über im Veranlagungszeitraum 1976 getätigte Betriebsausgaben geben sollen, sind derart unklar und lückenhaft, daß sie ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der vom FA berücksichtigten Betriebsausgaben nicht begründen können: So ist z. B. bei den unter Abschn. I 1 und II 2 angeführten Ausgaben in keiner Weise dargelegt, geschweige durch Vorlage von Beweismitteln (Rechnungen u. ä.) nachgewiesen, ob sie durch die freiberufliche Tätigkeit des Klägers als Musiker veranlaßt (§ 4 Abs. 4 EStG) oder den Kosten der Lebensführung zuzuordnen sind (§ 12 Nr. 1 EStG). Des weiteren ist die Angabe, der Kläger habe zur Wahrnehmung von 857 Veranstaltungen 710 550 km (davon 303 000 km an 365 Tagen im Jahre 1976) fahren müssen, dies sind ca. 830 km pro Veranstaltung, kaum glaubwürdig, zumal nicht angegeben ist, wann und wo die einzelnen Konzerte stattgefunden haben sollen, ein Fahrtenbuch nicht geführt wurde und die Anzahl der jährlich gefahrenen Kilometer auch nicht durch Vorlage der Kilometerstände am Jahresanfang und am Jahresende oder durch Benzinquittungen belegt ist. Die alphabetische Anführung von Ortsnamen und Entfernungskilometern im ,,Fernsprechbuch" vermag derartige Nachweise nicht zu ersetzen. Ferner sind die vorgelegten Notizen allenfalls für das Streitjahr 1976 von Bedeutung; sie können nicht im Wege der Verallgemeinerung auf die übrigen Streitjahre übertragen werden, denn jedes Streitjahr ist nach den jeweils gegebenen Verhältnissen individuell zu würdigen. Schließlich bestehen gegen die Richtigkeit der Angaben auch deshalb erhebliche Bedenken, weil es dem Kläger möglich war, in den Streitjahren beträchtliche Vermögensbestände anzusammeln, die u. a. aus Grundvermögen, Bankguthaben und Wertpapieren bestanden (siehe Tz. 32 des Steuerfahndungsberichts vom 18. Juli 1978). In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, daß er einer Firma am 15. März 1972 ein mit 6 % verzinsliches Darlehen ausgereicht hat, das ihm mit Zinsen in Höhe von 17 040 DM am 31. Januar 1975 zurückbezahlt wurde. Zu derartigen Geldgeschäften wäre er, da seine sonstigen Einkünfte relativ gering waren, nicht in der Lage gewesen, wenn er mit seiner Konzerttätigkeit ständig Verluste erwirtschaftet hätte. Es ist vielmehr wahrscheinlich, daß die von der Steuerfahndung ermittelten Vermögensbestände aus nicht versteuerten Einkünften der Konzerttätigkeit stammen, da für nichtsteuerbare Vermögenserwerbe bislang nichts dargetan und erkennbar ist.
Fundstellen
Haufe-Index 414494 |
BFH/NV 1986, 538 |