Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis einer im Wege des Selbstkontrahierens gegründeten stillen Gesellschaft
Leitsatz (NV)
Beteiligt sich der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH im Wege des Selbstkontrahierens als atypisch stiller Gesellschafter an der GmbH, so bedarf es zum Nachweis des Vollzuges der zeitnahen Einbuchung der Einlage.
Normenkette
AO 1977 § 146 Abs. 1; EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist seit dem Ausscheiden eines Mitgesellschafters am ... Mai 1992 alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Firma A-GmbH (GmbH). Nach dem Gesellschaftsvertrag ist er von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs befreit.
Im Jahre 1992 erzielte die GmbH einen Jahresüberschuß von 492 322 DM, dem ein Verlustvortrag in Höhe von 587 418 DM gegenüberstand. Weiterhin enthielt die Bilanz Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen in Höhe von 1 267 529 DM und gegenüber dem Antragsteller in Höhe von 303 485 DM.
Im August 1994 ging beim Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) eine Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 1993 für eine A-GmbH atypisch stille Gesellschaft ein. Die Erklärung wies einen Verlust in Höhe von 2 489 900 DM aus, der zu 97,3 v. H. dem Antragsteller als atypisch stillem Gesellschafter zugerechnet war.
Der dem FA in Kopie übersandte Gründungsvertrag der atypisch stillen Gesellschaft trug das Datum vom 30. Dezember 1992. Er war vom Antragsteller für beide Vertragsparteien unterschrieben. Die Vertragsbestimmungen sahen vor, daß sich der Antragsteller mit Wirkung vom 1. Januar 1993 an der GmbH mit einem Gewinn- bzw. Verlustanteil von 97,3 v. H. als atypisch stiller Gesellschafter beteiligen sollte. Die Einlage sollte 1 800 000 DM betragen. Sie sollte zum einen Teil durch Umwandlung der Darlehensforderung in Höhe von 303 485 DM in die Einlage des Stillen zu Beginn der stillen Beteiligung erbracht werden, zum anderen Teil in bar nach Anforderung der GmbH erfolgen.
Im Zuge des sich hieran anschließenden Schriftverkehrs bat das FA den Antragsteller u. a. um
--die Vorlage des Originalvertrages,
--Mitteilung, wie und wann die vereinbarte Einlage erbracht worden sei,
--Mitteilung, warum die stille Beteiligung in der berichtigten Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 1993 nicht ausgewiesen sei.
Die steuerlichen Berater des Antragstellers antworteten, die Einzahlung der Einlagen sei in den Jahren 1993 und 1994 nach Anforderung in Teilbeträgen erfolgt, über die Scheckkopien beigefügt seien. Bei der berichtigten Eröffnungsbilanz handele es sich lediglich um eine Anpassung an die Betriebsprüfung. Die atypisch stille Beteiligung sei der erste Geschäftsvorfall des Jahres 1993 gewesen. Ein Ausweis in der Eröffnungsbilanz wäre deshalb falsch gewesen.
Das Original des Gesellschaftsvertrages könne jederzeit bei ihnen eingesehen werden, ein Versand per Post komme aber wegen der damit verbundenen Verlustgefahr nicht in Frage.
Mit der Begründung, daß der Vertragsabschluß zum vorgegebenen Zeitpunkt nicht nachgewiesen sei, lehnte das FA den Erlaß eines Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte 1993 ab.
Gegen diesen negativen Feststellungsbescheid legte der Antragsteller Einspruch ein, über den bisher nach Kenntnis des Senats nicht entschieden ist, und beantragte zugleich die Aussetzung der Vollziehung, die das FA ebenfalls ablehnte. Nunmehr verfolgte der Antragsteller sein Begehren auf vorläufigen Rechtsschutz mit dem beim Finanzgericht (FG) gestellten Antrag weiter.
Im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens legte er ein von ihm als Original bezeichnetes Vertragsexemplar vor. Außerdem reichte er eidesstattliche Versicherungen ein, die er selbst, seine damalige Sekretärin sowie der Steuerberater unterzeichnet hatten.
Das FG lehnte den Antrag ab. Seine Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 1137 veröffentlicht.
Hiergegen wendet sich die vom FG zugelassene Beschwerde.
Der Antragsteller beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des FG die Vollziehung des streitigen negativen Gewinnfeststellungsbescheides auszusetzen und im summarischen Verfahren von einem ihm zuzurechnenden vorläufigen Verlustanteil in Höhe von 1 800 000 DM auszugehen.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Es bestehen bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung keine ernstlichen Zweifel i S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.
Es kann dahinstehen, ob es sich bei dem vom Antragsteller dem FG vorgelegten Vertragsexemplar um das "Original" handelt und ob er dieses Exemplar -- wie von ihm und seiner damaligen Sekretärin eidesstattlich versichert -- am 30. Dezember 1992 unterzeichnet hat.
Entscheidend ist vielmehr, ob das durch den Vertrag angeblich begründete Gesellschaftsverhältnis tatsächlich durchgeführt worden ist (vgl. z. B. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 19. November 1990 VIII B 101/89, BFH/NV 1991, 321), und zwar in der Weise, daß die atypisch stille Gesellschaft tatsächlich zum 1. Januar 1993 begründet wurde. Dazu ist mindestens erforderlich, daß die Einlageforderung zu diesem Zeitpunkt in das Gesellschaftsvermögen gelangte.
Der BFH hat für den Fall der Einlage eines Wirtschaftsgutes in das gewillkürte Betriebsvermögen gefordert, daß die Zuordnung zum Betriebsvermögen unmißverständlich in einer Weise kundgemacht wird, daß ein sachverständiger Dritter (§ 145 Abs. 1 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) ohne weitere Erklärung des Steuerpflichtigen die Zugehörigkeit des eingelegten Wirtschaftsgutes zum Betriebsvermögen erkennen kann (BFH-Urteil vom 22. September 1993 X R 37/91, BFHE 172, 354, BStBl II 1994, 172). Der Grund dafür liegt darin, daß das Wirtschaftsgut seiner Art nach nicht erkennen läßt, ob es dem Betrieb dienen soll. Ohne das Erfordernis einer unmißverständlichen Dokumentation ließe sich der Gewinn nachträglich manipulieren. Ähnlich unbestimmt ist die Zuführung von Geld seitens eines Gesellschafters in eine GmbH. Es kann sich um eine Kapitalerhöhung, um ein Darlehen oder um eine stille Beteiligung handeln. Normalerweise gibt der mit dem Gesellschafter geschlossene Vertrag darüber Auskunft. Das ist aber nicht der Fall, wenn es sich um ein Insichgeschäft handelt. In einem solchen Fall läßt die Unterschrift für sich genommen nicht erkennen, ob ihr bindende Wirkung zukommen soll; der anderweitig nicht dokumentierte Akt der Unterzeichnung läßt sich jederzeit rückgängig machen. Der Vollzug der atypisch stillen Gesellschaft ist daher in Fällen des Selbstkontrahierens regelmäßig erst dann nach außen erkennbar, wenn die Einlage zeitnah (§ 146 Abs. 1 AO 1977) eingebucht wird (ähnlich zur schenkweisen Begründung einer Gesellschaft mit einem minderjährigen Kind: Schulze zur Wiesche, Vereinbarungen unter Familienangehörigen und ihre steuerlichen Folgen, 4. Aufl., Rdnr. 363; Seer, Deutsches Steuerrecht 1988, 600, 604). Ob die Einbuchung der Gesellschaftereinlage durch andere Bekundungen nach außen, etwa durch eine zeitnahe Unterrichtung des FA, ersetzt werden kann, bedarf, da eine solche Bekundung nicht vorliegt, keiner Entscheidung. Jedenfalls reicht es nicht aus, wenn der Vertrag -- wie im Streitfall von der damaligen Sekretärin des Antragstellers eidesstattlich versichert -- nach der Unterzeichnung in einem Ordner "Verträge" aufbewahrt wird.
Im Streitfall hat das FA zwar keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Einlage zu Beginn des Jahres 1993 zeitnah in der Buchführung erfaßt wurde. Im summarischen Verfahren, in dem gemäß § 294 der Zivilprozeßordnung i. V. m. § 155 FGO nur die Verwendung präsenter Beweismittel in Betracht kommt, muß jedoch davon ausgegangen werden, daß dies nicht der Fall war. Zum einen hat der Antragsteller in seiner eidesstattlichen Versicherung bekundet, seine steuerlichen Berater hätten den Gesellschaftsvertrag erst im Sommer 1994 zur Erstellung des Jahresabschlusses angefordert und erhalten. Zum anderen haben sowohl das FA als auch die Vorinstanz ihre Zweifel an der tatsächlichen Durchführung des Vertrags u. a. darauf gestützt, daß in der "berichtigten Eröffnungsbilanz" zum 1. Januar 1993 die Einlage von 1 800 000 DM nicht enthalten, vielmehr der Betrag von 303 485 DM weiterhin als Darlehen des Antragstellers ausgewiesen war. Der Antragsteller hat hierzu vorgetragen, seine steuerlichen Berater hätten die Einlage als ersten Geschäftsvorfall des Jahres 1993 behandelt. Es hätte unter diesen Umständen nahegelegen, die entsprechende Verbuchung im Journal vorzulegen, womit jeder Zweifel am Zeitpunkt der Durchführung des Vertrages beseitigt gewesen wäre.
Fundstellen
Haufe-Index 422239 |
BFH/NV 1997, 662 |