Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung, der Verletzung rechtlichen Gehörs sowie der Sachaufklärungspflicht
Leitsatz (NV)
- Für die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist ferner ein konkreter und substantiierter Vortrag zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit.
- Die schlüssige Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs erfordert eine substantiierte Darlegung, was der Beschwerdeführer bei einer ausreichenden Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und inwiefern dieses Vorbringen möglicherweise zu einer anderen Entscheidung des Gerichts hätte führen können.
- Die schlüssige Verfahrensrüge, das FG hätte den Sachverhalt auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen näher aufklären müssen, erfordert unter anderem einen substantiierten Vortrag dazu, aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung auch ohne entsprechenden Antrag aufdrängen musste und inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, § 116 Abs. 3 S. 3
Tatbestand
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind die Erben des A.
Der Erblasser war Mitbesitzer eines Kleinflugzeugs, das in den USA unter dem Kennzeichen … zugelassen war. Halter des Flugzeugs waren in "partnership" neben dem Erblasser und zwei weiteren deutschen Staatsangehörigen der US-Amerikaner B. Der Erblasser mietete für das Flugzeug mit Wirkung ab dem 1. September 1990 einen Hallenstandplatz auf dem Flughafen X an. Ende April 1992 wurde der Standort des Flugzeugs auf den Flughafen Y verlegt.
Der Erblasser meldete das Flugzeug am 17. August 1992 beim Hauptzollamt M zur Freigutverwendung an, das dieses in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr überführte und mit Steuerbescheid vom selben Tage … DM Einfuhrumsatzsteuer festsetzte. Der Erblasser entrichtete die Einfuhrumsatzsteuer am … August 1992.
Die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht N beantragte mit Schreiben vom … Februar 1994 bei dem Amtsgericht O (AG) den Erlass eines Strafbefehls gegen den Erblasser, weil dieser das Flugzeug gemeinschaftlich mit den anderen zwei deutschen Staatsangehörigen seit einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im September 1990, spätestens seit dem 3. Oktober 1990, außerhalb der formlos bewilligten vorübergehenden Verwendung benutzt habe, ohne dies der zuständigen Zollbehörde anzumelden. Das AG lehnte mit Beschluss vom 7. Juni 1994 den Erlass eines Strafbefehls ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, das die Einfuhrumsatzsteuer betreffende Recht der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) sei an dem im Gebiet der ehemaligen DDR gelegenen Tatort erst mit Wirkung ab dem 1. Januar 1991 in Kraft getreten. Für den in Rede stehenden Zeitraum könne deshalb keine Einfuhrumsatzsteuer hinterzogen worden sein. Am 1. Januar 1991 habe sich das Flugzeug bereits in der Bundesrepublik befunden, so dass keine Veranlassung für eine zollamtliche Behandlung mehr bestanden habe.
Der Erblasser beantragte daraufhin mit Schreiben vom … Dezember 1994 die Erstattung der von ihm entrichteten Einfuhrumsatzsteuer, was das Hauptzollamt M, dessen Zuständigkeit zwischenzeitlich auf den Beklagten und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt ―HZA―) übergegangen ist, mit Bescheid vom … Mai 1995 ablehnte. Hiergegen legte der Erblasser Beschwerde ein.
Die Kläger erhoben vor dem Finanzgericht (FG) Untätigkeitsklage. Während des finanzgerichtlichen Verfahrens erging die Einspruchsentscheidung vom … Februar 1998. Das FG wies die Klage ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Kläger hätten nicht nachgewiesen, dass die vom Erblasser entrichtete Einfuhrumsatzsteuer nicht gesetzlich geschuldet gewesen sei, wie dies nach dem hier anzuwendenden Art. 236 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex ―ZK―) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 302/1) erforderlich sei. Zum Zeitpunkt der Anmeldung des Flugzeugs zur Freigutverwendung im August 1992 seien die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der vorübergehenden Verwendung nicht mehr erfüllt gewesen, so dass die Einfuhrumsatzsteuer entstanden sei. Nach den Feststellungen des HZA sei das Flugzeug in dem Zeitraum vom 25. April 1992 bis zum 27. August 1992 auf 28 Inlandsflügen vom Flughafen Y aus eingesetzt worden. Der von den Klägern geltend gemachte innere Vorbehalt des Erblassers bei der Abgabe der Zollanmeldung sei in Anbetracht der objektiven Umstände unbeachtlich. Ihre Behauptung, das Flugzeug sei im Januar 1990 einfuhrumsatzsteuerfrei in das Zollgebiet der DDR verbracht worden, hätten sie nicht nachgewiesen. Es sei davon auszugehen, dass das Flugzeug bereits 1988 in die Bundesrepublik verbracht und formlos in die vorübergehende Verwendung übergeführt worden sei. Alsdann sei der Standort des Flugzeugs auf den Flughafen X in der DDR verlegt worden. Entgegen der vom AG vertretenen Auffassung habe es in der DDR nach dem 30. Juni 1990 ein der bundesdeutschen Regelung entsprechendes Umsatzsteuergesetz gegeben. Luftfahrzeuge hätten dort niemals einfuhrumsatzsteuerfrei eingeführt werden können. Der Erblasser sei als derjenige, in dessen Namen die Zollanmeldung abgegeben worden sei, Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer geworden. Falls die Einfuhrumsatzsteuer zu einem früheren Zeitpunkt entstanden sei, seien die drei deutschen Halter des Flugzeugs gesamtschuldnerisch Steuerschuldner geworden.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger. Sie tragen vor, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Es stelle sich die Frage, ob die Beweislastregel des Art. 236 ZK auch gelte, wenn Zahlungen ―wie hier vom Erblasser― vor dem Hintergrund eines eingeleiteten Strafverfahrens und unter dem Vorbehalt, dass die von der Behörde vertretene Auffassung zutreffe, geleistet worden seien. Ferner sei die Frage zu beantworten, ob nicht deshalb Beweiserleichterungen gelten müssten, weil bei dem Flugzeugabsturz sämtliche Unterlagen verloren gegangen seien und sich die Botschaft der Bundesrepublik nicht in der Lage gesehen habe, diese Unterlagen zu bergen.
Die Vorentscheidung beruhe überdies auf Verfahrensmängeln. Das FG habe ihnen das rechtliche Gehör versagt. Das FG hätte ihnen durch Hinweise Gelegenheit geben müssen, die von ihm angestellten Vermutungen zu widerlegen. So habe sich ihr Prozessbevollmächtigter dafür zum Zeugen benennen können, dass der Erblasser sich die Rückforderung der Einfuhrumsatzsteuer für den Fall vorbehalten habe, dass diese nicht gesetzlich geschuldet werde. Das Urteil des FG stelle zudem eine Überraschungsentscheidung dar, weil sie erst in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen worden seien, dass die Regelung des Art. 236 ZK bislang nicht hinreichend erörtert worden sei. Weiterhin habe das FG gegen seine Verpflichtung zur Sachaufklärung verstoßen und keine Feststellungen zu den Überlegungen des Erblassers bei der Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer getroffen. Das FG hätte auch den Zeugen B als einzigen noch lebenden Halter des Flugzeugs vernehmen müssen. Der Zeuge B hätte bestätigen können, dass ein Luftfahrzeug in den USA nur dann registriert werden könne, wenn der Halter Staatsangehöriger der USA sei. Dieser Zeuge hätte auch Angaben zu den das Flugzeug betreffenden Absprachen sowie dazu machen können, wohin es verbracht worden sei. Darüber hinaus habe das FG nicht wie von ihnen beantragt bzw. angeregt das Hauptflugbuch des Flughafens X eingesehen. Aus dem Hauptflugbuch des Flughafens X seien nicht nur die Flugbewegungen mit dem Flugzeug ersichtlich gewesen, sondern auch, dass der dort angemietete Standplatz längere Zeit nicht genutzt worden sei.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil in der Beschwerdeschrift ein Grund, der zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) führen könnte, nicht schlüssig dargelegt ist, wie dies § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert.
1. Für die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist ferner ein konkreter und substantiierter Vortrag, warum im Einzelnen die Klärung der Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt, also ein Vortrag zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit (vgl. Senatsbeschluss vom 2. April 2002 VII B 66/01, BFH/NV 2002, 1308; Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 25. April 2002 II B 24/01, BFH/NV 2002, 1311).
Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Kläger nicht gerecht. Die Kläger werfen in ihrer Beschwerdebegründung zwar abstrakte Rechtsfragen auf. Sie legen jedoch weder dar, inwiefern die Klärung dieser Rechtsfragen im allgemeinen Interesse liegt noch ob diese Fragen einer Klärung in einem Revisionsverfahren zugänglich sind. Soweit die Kläger sich in ihrer Beschwerdebegründung in der Art einer Revisionsbegründung gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung wenden, kann dies nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 6. Oktober 2000 III B 16/00, BFH/NV 2001, 202; vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476).
2. Die Kläger haben die von ihnen gerügten Verfahrensmängel gleichfalls nicht schlüssig dargelegt.
a) Die schlüssige Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes; § 96 Abs. 2 FGO) erfordert eine substantiierte Darlegung, was der Beschwerdeführer bei einer ausreichenden Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und inwiefern dieses Vorbringen möglicherweise zu einer anderen Entscheidung des Gerichts hätte führen können (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. April 2000 VII B 21/99, BFH/NV 2000, 1335; vom 2. Dezember 2002 VII B 203/02, BFH/NV 2003, 527).
Die Kläger machen indessen geltend, das FG habe ihnen Gelegenheit geben müssen, die von ihm angestellten Vermutungen zu widerlegen, ohne darzulegen, was sie konkret noch hätten vortragen wollen. Darüber hinaus haben die Kläger hinsichtlich ihres Vorbringens, der Erblasser habe sich die Rückforderung der Einfuhrumsatzsteuer vorbehalten, nicht dargetan, inwiefern dieser Vortrag zu einer anderen Entscheidung der Vorinstanz hätte führen können. Dies war insbesondere deshalb geboten, weil sich das FG mit diesem Vorbringen auseinander gesetzt hat. Das FG hat nämlich ausgeführt, der von den Klägern geltend gemachte innere Vorbehalt des Erblassers bei der Abgabe der Zollanmeldung sei in Anbetracht der objektiven Umstände unbeachtlich.
b) Unschlüssig ist das Vorbringen der Kläger von vornherein, soweit sie geltend machen, das Urteil des FG stelle eine Überraschungsentscheidung dar. Die Kläger tragen selbst vor, der Vorsitzende des Senats des FG habe sie in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass die Regelung des Art. 236 ZK bislang nicht hinreichend erörtert worden sei. Die Kläger mussten daher damit rechnen, dass das FG seine Entscheidung auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt stützen könnte (vgl. BFH-Beschlüsse vom 3. August 2001 IV B 28/01, BFH/NV 2002, 20; vom 24. Juli 2002 XI B 30/01, BFH/NV 2003, 53).
c) Die Kläger haben eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) ebenfalls nicht schlüssig dargelegt. Die schlüssige Verfahrensrüge, das FG hätte den Sachverhalt auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen näher aufklären müssen, erfordert u.a. einen substantiierten Vortrag dazu, aus welchen (genau bezeichneten) Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung (Beweiserhebung) auch ohne entsprechenden Antrag aufdrängen musste und inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. Senatsurteil vom 6. Juni 2000 VII R 72/99, BFHE 192, 390; BFH-Beschluss vom 25. Juni 2002 X B 199/01, BFH/NV 2002, 1332).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Kläger zeigen nicht auf, warum sich dem FG eine weitere Aufklärung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen. Überdies behaupten sie lediglich, die Vorentscheidung beruhe auf der von ihnen gerügten mangelhaften Sachaufklärung, ohne darzutun, inwiefern eine weitere Beweiserhebung zu einer anderen Entscheidung der Vorinstanz hätte führen können.
d) Sollte das Vorbringen der Kläger dahin zu verstehen sein, dass sie vor dem FG eine Einsichtnahme in das Hauptflugbuch des Flughafens X beantragt haben sollten, wäre auch insoweit ein Verfahrensmangel nicht schlüssig dargelegt worden. Zur Darlegung des Verfahrensmangels eines übergangenen Beweisantrags gehört insbesondere der Vortrag, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der nächsten mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (vgl. BFH-Beschluss vom 17. November 1997 VIII B 16/97, BFH/NV 1998, 608; Senatsbeschluss vom 15. November 2001 VII B 40/01, BFH/NV 2002, 373, 376). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter ―ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge― verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), hat die unterlassene rechtzeitige Rüge den endgültigen Rügeverlust zur Folge.
Die Kläger haben nicht vorgetragen, dass sie in der mündlichen Verhandlung vor dem FG das Unterlassen der Einsichtnahme in das Hauptflugbuch durch ihren fachkundigen Prozessbevollmächtigten gerügt haben oder warum ihnen dies nicht möglich war.
Fundstellen