Entscheidungsstichwort (Thema)

Divergenz; Bezeichnung eines Verfahrensmangels; Aussetzung des Beschwerdeverfahrens nach § 74 FGO

 

Leitsatz (NV)

  1. Eine auf Divergenz gestützte Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet, wenn der vom Beschwerdeführer herausgestellte Rechtssatz in der angefochtenen Entscheidung nicht enthalten ist.
  2. Mit dem Vorbringen der unrichtigen Anwendung der AO 1977 wird ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO a.F. nicht bezeichnet, da es sich hierbei nicht um Vorschriften des Gerichtsverfahrensrechts handelt.
  3. Ausführungen, die nicht innerhalb der Beschwerdefrist vorgebracht werden, können im Rahmen der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht berücksichtigt werden, soweit es sich nicht lediglich um Erläuterungen oder Vervollständigungen rechtzeitig geltend gemachter Zulassungsgründe handelt.
  4. Die Aussetzung eines Beschwerdeverfahrens gemäß § 74 FGO wegen Anhängigkeit eines Musterverfahrens beim Bundesverfassungsgericht kommt nicht in Betracht, wenn der Beschwerdeführer nicht einmal darlegt, inwiefern das Verfahren für die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde von Bedeutung sein kann.
 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, Abs. 3 S. 3, § 74

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet, weil die behauptete Divergenz nicht vorliegt und der gerügte Verfahrensmangel nicht in der erforderlichen Art und Weise bezeichnet ist.

Das Urteil des Finanzgerichts (FG) wurde im Jahre 2000 verkündet. Die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde beurteilt sich daher nach § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (FGO a.F.; vgl. Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000 ―2.FGOÄndG―, BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567).

1. Das FG ist nicht von der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 2. Juni 1999 X R 149/95 (BFH/NV 2000, 23) abgewichen.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist der Auffassung, das FG habe seiner Entscheidung den Rechtssatz zugrunde gelegt, allein längere Verlustperioden reichten aus, um eine Tätigkeit als Liebhaberei einzustufen, und sei damit von der genannten Entscheidung des BFH abgewichen. Dieser Rechtssatz lässt sich jedoch dem Urteil des FG nicht entnehmen.

Das angefochtene Urteil bezieht sich auf die einschlägige BFH-Rechtsprechung zur Frage der Gewinnerzielungsabsicht. Zwar verweist das FG in der angefochtenen Entscheidung nicht auch auf die angebliche Divergenzentscheidung. Es bekennt sich jedoch zu den Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung, wonach dauernde Verluste zwar auf das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht hinweisen, allein aber für eine Beurteilung einer Tätigkeit als Liebhaberei nicht ausschlaggebend sein könnten. Vielmehr müsse aufgrund von weiteren Beweisanzeichen die Feststellung möglich sein, dass der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden Gründen oder Neigungen ausübe (vgl. BFH-Beschlüsse vom 12. Juni 1978 GrS 1/77, BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620, und vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751). In Anwendung dieser Grundsätze kommt das FG zu der Auffassung, im Streitfall könne das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht nicht festgestellt werden. Zwar bezieht es sich in seiner Argumentation wesentlich auf die vom Ehemann der Klägerin in den Streitjahren erzielten Verluste; ausschlaggebend ist aber nicht das Vorliegen einer längeren Verlustperiode allein oder gar, wie von der Klägerin behauptet, die Summe der aufgelaufenen Verluste der Jahre 1989 bis 1996, sondern die Entwicklung der Einnahmen, die nach Ansicht des FG auf eine mangelnde Intensität der betrieblichen Aktivitäten und hieraus wiederum auf das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht in den Streitjahren schließen lassen.

Da das FG mithin nicht von einem von der benannten BFH-Entscheidung abweichenden Rechtssatz ausgeht, liegt eine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F. nicht vor.

2. Einen Verfahrensmangel hat die Klägerin nicht i.S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. bezeichnet.

a) Aus dem Vorbringen im Beschwerdeschriftsatz, die Finanzämter in Nordrhein-Westfalen seien angewiesen, alle Einkommensteuerveranlagungen hinsichtlich der Anwendung des § 32c des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorläufig durchzuführen, und das FG habe dies bislang außer Acht gelassen, ergibt sich die Auffassung der Klägerin, das FG habe § 165 der Abgabenordnung (AO 1977) verletzt, indem es keinen Vorläufigkeitsvermerk in den Bescheid aufgenommen habe. Mit dem Vorbringen der unrichtigen Anwendung von Vorschriften der AO 1977 rügt die Klägerin jedoch keinen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO a.F., da es sich hierbei nicht um Vorschriften des Gerichtsverfahrensrechts handelt (vgl. BFH-Urteil vom 10. Februar 1982 I R 190/78, BFHE 135, 396, BStBl II 1982, 682; BFH-Beschluss vom 10. November 1987 V B 20/85, BFH/NV 1988, 448; Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rn. 25). Vielmehr wendet sie sich insoweit gegen die unrichtige Anwendung materiellen Rechts. Ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO a.F. wird mit diesem Vorbringen nicht bezeichnet.

b) Das im Schriftsatz vom 13. Februar 2001 enthaltene Vorbringen, es liege eine Verletzung des Grundsatzes der Prozessökonomie vor, weil das FG aufgrund des Verhaltens des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt ―FA―) nicht die Möglichkeit gehabt habe, über eine Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO zu entscheiden, kann im Rahmen der Beschwerdeentscheidung nicht berücksichtigt werden, da es nicht innerhalb der Beschwerdefrist vorgebracht worden ist. Zwar dürfen nach Ablauf der Begründungsfrist vorgebrachte Ausführungen bei der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde berücksichtigt werden, soweit sie lediglich Erläuterungen oder Vervollständigungen rechtzeitig geltend gemachter Zulassungsgründe beinhalten. Ein Nachschieben von Gründen nach Ablauf der Beschwerdefrist kommt demgegenüber nicht in Betracht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. Mai 1996 V B 103/95, BFH/NV 1996, 910, und vom 12. März 1990 V B 124/89, BFH/NV 1991, 103).

3. Mit dem Vorbringen, das FG habe, ausgehend von seiner abweichenden Rechtsauffassung, nicht geprüft, inwieweit bisher betrieblich geltend gemachte Aufwendungen möglicherweise als Sonderausgaben berücksichtigt werden könnten, rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Mit Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils kann sie im Beschwerdeverfahren jedoch nicht gehört werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 12. März 1998 III B 22/97, BFH/NV 1998, 1528, und vom 22. März 1999 X B 142/98, BFH/NV 1999, 1236).

4. Eine Aussetzung des Beschwerdeverfahrens gemäß § 74 FGO kommt nicht in Betracht. Die Klägerin hat nicht einmal dargelegt, inwiefern der Ausgang des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht für das vorliegende Verfahren von Bedeutung sein kann. Dies ist auch nicht ersichtlich.

Die Entscheidung ergeht gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne Angabe weiterer Gründe.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI629822

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