Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtanerkennung von Ursprungsnachweisen
Leitsatz (NV)
1. Die Nichtanerkennung von Ursprungsnachweisen setzt die Einleitung eines Überprüfungsverfahrens nach Art. 13 VO (EWG) Nr. 693/88 dann nicht voraus, wenn die Gewährung des beanspruchten Präferenzzollsatzes auf einem autonomen Rechtsakt der Gemeinschaft beruht und sich die Unrichtigkeit der in den vorgelegten Ursprungsnachweisen gemachten Angaben aus anderen Erkenntnisquellen zur Überzeugung der Zollbehörde erschließt.
2. Die Zollbehörden sind an die von den zuständigen Behörden eines durch eine einseitige Präferenzgewährung begünstigten Ausfuhrstaates abgegebene Erklärung, mit der ein Ursprungszeugnis als echt oder inhaltlich richtig bestätigt wird, nicht in jedem Fall gebunden.
3. Die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens ist nicht dadurch ausgeschlossen, daß die in Art. 27 Abs. 3 VO (EWG) Nr. 693/88 festgelegte Frist zur Aufbewahrung der Durchschriften der Ursprungs zeugnisse sowie diesbezüglicher Ausfuhrpapiere abgelaufen ist.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3; EWGV 693/88 Art. 13, 27 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) führte in den Jahren 1989 und 1990 aus Thailand und den Philippinen Thunfischkonserven in die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) ein. Für diese Einfuhren nahm sie -- teilweise im Wege der Erstattung -- unter Vorlage entsprechender Ursprungszeugnisse den in den Verordnungen (EWG) Nr. 4258/88 des Rates vom 19. Dezember 1988 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften -- ABlEG -- Nr. L 375/47) und Nr. 3898/89 des Rates vom 18. Dezember 1989 (ABlEG Nr. L 383/90) festgelegten Präferenzzollsatz in Höhe von 18 % für die in den Anhängen II der Verordnungen als Boniten (Sarda spp.) bezeichneten Fische der Unterposition 1604 1490 der Kombinierten Nomenklatur (KN) in Anspruch. Mit Nacherhebungsbescheid vom ... 1992 erhob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt -- HZA --) Eingangsabgaben in Höhe von insgesamt ... DM mit der Begründung nach, die von der Klägerin vorgelegten Ursprungszeugnisse seien offensichtlich zu Unrecht ausgestellt worden, da die präferenzbegünstigte Fischart in Indonesien, Thailand und den Philippinen für eine industrielle Verarbeitung nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen würde. In der den Einspruch der Klägerin zurückweisenden Entscheidung nahm das HZA ergänzend auf einen Bericht der Europäischen Kommission (Kommission) über die Ergebnisse zweier von Vertretern der Kommission zur Überprüfung von Ursprungszeugnissen durchgeführten Missionsreisen nach Thailand und auf die Philippinen Bezug. Es führte aus, im Anschluß an diese Überprüfungen habe Thailand gegenüber der Kommission sämtlicher Ursprungszeugnisse, die die Spezies "Bonito (Sarda spp.)" betrafen, zurückgezogen, da die thailändischen Behörden nicht in der Lage gewesen seien, die Ursprungseigenschaft der ausgeführten Thunfischkonserven nachzuweisen. Auch die Untersuchung auf den Philippinen habe ergeben, daß es sich bei den tatsächlich ausgeführten Waren nicht um die präferenzbegünstigte Fischart gehandelt habe.
Auch die von der Klägerin erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Klägerin könne sich nicht auf die in §17 Abs. 2 des Zollgesetzes (ZG) enthaltene Vermutung berufen. In den Fällen, in denen die Klägerin eine Erstattung der zu viel entrichteten Eingangsabgaben beantragt habe, seien die nachträglich ausgestellten Ursprungszeugnisse nicht geeignet, den gemäß Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1430/79 -- Erstattungsverordnung -- (ABlEG Nr. L 175/1) erforderlichen Nachweis zu erbringen. Da die lediglich auf die Fischart "Bonito" ausgestellten ursprünglichen Ursprungsnachweise nicht zurückgezogen worden seien, lägen sich inhaltlich widersprechende Beweisurkunden vor. Hinsichtlich eines weiteren Teils der Einfuhren greife die Vermutung des §17 Abs. 2 ZG deshalb nicht, weil die von der Klägerin in den Zollanmeldungen gemachten Angaben zur Beschaffenheit der Ware deren eindeutige Tarifierung nicht ermöglicht hätten. Auch habe die Klägerin keine Kenntnis über die für eine zutreffende zollamtliche Abfertigung maßgeblichen Beschaffenheitsmerkmale der nach Deutschland eingeführten Ware gehabt. Hinsichtlich der restlichen Einfuhren sah das FG die Beschaffenheitsvermutung des §17 Abs. 2 ZG als widerlegt an. Dabei gelangte es zu dem Schluß, daß im Hinblick auf die Fischbestände, ihren Fang und die Verarbeitung jede Möglichkeit ausgeschlossen sei, daß die von der Klägerin importierten Fischkonserven aus der präferenzbegünstigten Fischart "Sarda spp." hergestellt worden sein könnten. Aufgrund dieser Feststellungen könne auch die 51 %-Regel (gemeint wohl Anmerkung 2 zu Kapitel 16 KN und Allgemeine Vorschrift -- AV -- 3 b) keine Anwendung finden.
Die Rechtmäßigkeit des Nacherhebungsbescheides sei auch unter präferenzrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden, insbesondere liege kein Verstoß gegen die Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 693/88 (VO Nr. 693/88) der Kommission vom 4. März 1988 (ABlEG Nr. L 77/1) vor. Die vom HZA auf der Grundlage des Kommissionsberichtes gezogenen präferenzrechtlichen Schlußfolgerungen und die darauf beruhende Nachforderung nicht erhobener oder erstatteter Eingangsabgaben sowie das von der Kommission auf der Grundlage von Art. 15 b Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1468/81 (VO Nr. 1468/81) des Rates vom 19. Mai 1981 (ABlEG Nr. L 144/1) -- eingefügt durch die Verordnung (EWG) Nr. 945/87 des Rates vom 30. März 1987 (ABlEG Nr. L 90/3) -- gewählte Überprüfungsverfahren begegneten keinen rechtlichen Bedenken. Wegen der weiteren Begründung wird auf den Urteilsabdruck in Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern 1997, 24 Bezug genommen.
Gegen das Urteil des FG hat die Klägerin Revision eingelegt und zugleich Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision erhoben. Ihre Nichtzulassungsbeschwerde stützt die Klägerin auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) und auf das Vorliegen von Verfahrensmängeln (§115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob die aus der Anmerkung 2 zu Kapitel 16 KN und aus der AV 3 b abgeleitete 51 %-Regel -- wie das FG meine -- nur auf den Ursprung oder statt dessen auch auf die Beschaffenheit und Zusammensetzung des eingeführten Erzeugnisses angewandt werden könne. Da die thailändischen Behörden in einem Schreiben an die Kommission vom 7. August 1992 neben anderen Ursprungszeugnissen auch die von der Klägerin vorgelegten Ursprungszeugnisse als echt und inhaltlich richtig bestätigt hätten, stelle sich die Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob ein Nachprüfungsverfahren nach dieser Auskunft überhaupt noch hätte durchgeführt werden dürfen und ob es gemäß Art. 13 VO Nr. 693/88 erforderlich gewesen wäre, in bezug auf jeden einzelnen Ursprungsnachweis ein Nachprüfungsersuchen an den jeweiligen Ausfuhrstaat zu richten. Schließlich komme auch der Frage eine grundsätzliche Bedeutung zu, ob Art. 13 und 27 der VO Nr. 693/88 die Überprüfung von Ursprungsnachweisen auch hinsichtlich der Beschaffenheit (zoologische Zuordnung) der Einfuhrware zuließe und ob nach Ablauf der in Art. 27 Abs. 3 VO Nr. 693/88 fest gelegten Aufbewahrungsfrist, innerhalb derer die Ausfuhrstaaten zur Aufbewahrung der Durchschriften der Ursprungszeugnisse sowie diesbezüglicher Ausfuhrpapiere verpflichtet seien, eine Überprüfungsmöglichkeit überhaupt noch gegeben sei und ob die Berechtigung bestehen würde, aus Antworten der Behörden der Ursprungsländer zu Lasten der Importeure negative Schluß folgerungen zu ziehen. Entgegen einem entsprechenden Antrag habe das FG die auf geworfenen Rechtsfragen nicht dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Die Vorlage an den EuGH sei auch nach wie vor geboten. Darüber hinaus habe das FG den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 des Grundgesetzes i. V. m. §96 Abs. 2 FGO) verletzt und gegen seine Aufklärungspflicht aus §76 FGO verstoßen, indem es schriftsätzlich gestellten Beweisanträgen nicht nachgegangen sei.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Es bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der von ihr aufgeworfenen Rechtsfragen in der nach §115 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats reicht hierzu die bloße Behauptung, einer Rechtsfrage komme aufgrund der Vielzahl der sie betreffenden Fälle grundsätzliche Bedeutung zu, nicht aus (vgl. Senatsbeschluß vom 23. August 1994 VII B 70/94, BFH/NV 1995, 412). Das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Hand habung des Rechts ist vielmehr unter Auseinandersetzung mit der vorhandenen Rechtsprechung und den etwa im Schrifttum vertretenen unterschiedlichen Auffassungen zu belegen (Senatsbeschluß vom 6. August 1996 VII B 35/96, BFH/NV 1997, 125). Eine eingehende Darstellung in diesem Sinne, die grundsätzlich auch bei das Gemeinschaftsrecht betreffenden Rechtsfragen erforderlich ist, läßt sich der Beschwerdebegründung indes nicht entnehmen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das in der erstinstanzlichen Entscheidung erwähnte Urteil des EuGH vom 14. Mai 1996 Rs. C-153/94 und C-204/94 (EuGHE 1996, I-2509) und die im Schrifttum vertretenen Rechtsansichten zu Art. 13 und 27 VO Nr. 693/88 sowie zu dem diese Vorschriften ersetzenden Art. 94 der Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZKDVO).
Der Senat läßt die Zweifel an der ausreichenden Darlegung aber auf sich beruhen, denn die Beschwerde erweist sich jedenfalls als unbegründet.
1. Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage zum Anwendungsbereich der aus der Anmerkung 2 zu Kapitel 16 KN und der AV 3 b abgeleiteten 51 %-Regel wäre in einem künftigen Revisionsverfahren bereits deshalb nicht klärungsfähig, weil das erst instanzliche Urteil auf der Rechtsansicht des FG zu dieser Rechtsfrage nicht beruht. Das FG hat sich nämlich nur beiläufig zum Anwendungsbereich der 51 %-Regel geäußert und deutlich zum Ausdruck gebracht, daß es ihre Anwendbarkeit im Streitfall aufgrund der tatsächlichen Feststellungen nicht für möglich halte. Aufgrund dieser Ausführungen kann nicht davon ausgegangen werden, daß das erstinstanzliche Urteil auf der Anwendung der Anmerkung 2 zu Kapitel 16 KN und der AV 3 b beruht.
Auch die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Art. 13 und 27 der VO Nr. 693/88 die nachträgliche Überprüfung von Ursprungszeugnissen auch hinsichtlich der in ihnen angegebenen Beschaffenheit der Ware zulassen, wäre in einem künftigen Revisionsverfahren -- abgesehen von der Frage der möglichen Klärungsbedürftigkeit -- nicht klärungsfähig. Hinsichtlich der aus Thailand eingeführten Waren läßt die Klägerin bei ihrem Vortrag außer acht, daß das FG seine Entscheidung insbesondere darauf gestützt hat, daß die Beschaffenheit der Ware im Rahmen der nach Art. 15 b VO Nr. 1468/81 in enger Zusammenarbeit mit den begünstigten Ausfuhrländern durchgeführten Ermittlungsmissionen überprüft worden ist. Die dabei gewonnenen und in einem Ermittlungsbericht zusammengefaßten Erkenntnisse hat das FG einer Stellungnahme der begünstigten Ausfuhrländer nach Art. 27 VO Nr. 693/88 gleichgestellt. Nach Auffassung des Senats begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, daß in eine Mitteilung gemäß Art. 27 VO Nr. 693/88 auch Angaben über die Beschaffenheit der ausgeführten Ware aufgenommen werden können, wenn sich bei den von den Behörden des Ausfuhrlandes durchgeführten Nachprüfungen Anhaltspunkte dafür ergeben, daß eine andere als die in den Ursprungsnachweisen angegebene Ware zur Ausfuhr gelangt ist. Denn das der ersuchenden Zollbehörde mitzuteilende Überprüfungsergebnis muß Aufschluß darüber geben, ob das Ursprungszeugnis die tatsächlich ausgeführten Waren betrifft und ob auf diese die Präferenzbestimmungen Anwendung finden können (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VO Nr. 693/88). Darüber hinaus ist auch Art. 15 b VO Nr. 1468/81 eine Beschränkung des Ermittlungsumfanges nicht zu entnehmen. Mit den Zielen der Verwaltungszusammenarbeit, die ordnungsgemäße Anwendung der Zoll- und Agrarregelungen sicherzustellen und Zuwiderhandlungen aufzudecken und ihnen entgegenzuwirken, ließe sich eine Einschränkung der Überprüfungsmöglichkeiten ausschließlich auf die den Ursprung betreffenden Angaben nicht vereinbaren. Es unterliegt daher keinem Zweifel, daß sich die Ermittlungstätigkeit einer Gemeinschaftsmission auch auf die Angaben zur Beschaffenheit und Tarifierung der Ware erstrecken kann. Da das FG die seiner Ansicht nach durch die Ermittlungen auf der Grundlage der VO Nr. 1468/81 rechtsfehlerfrei gewonnenen Erkenntnisse als gleichzeitige Stellungnahme des jeweils begünstigten Ausfuhrstaates gemäß Art. 27 Abs. 1 VO Nr. 693/88 gedeutet hat, und die im Hinblick auf die Zulässigkeit der Verwertung dieser Stellungnahmen durch das HZA vertretene Rechtsansicht das erstinstanzliche Urteil trägt, kommt es nicht auf die zusätzlichen Ausführungen zum Umfang des förmlichen Überprüfungsverfahrens nach Art. 13 VO Nr. 693/88 und auf das zu dieser Vorschrift gefundene -- und von der Klägerin beanstandete -- Auslegungsergebnis an.
2. Den weiteren Rechtsfragen kommt nach Auffassung des Senats deshalb keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie so zu beantworten sind, wie es das FG getan hat. Da der Senat die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts im Streitfall für offenkundig hält, käme in einem künftigen Revisionsverfahren auch die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH zur Auslegung der entscheidungserheblichen Normen des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 177 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft nicht in Betracht (EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415, und Senatsurteil vom 23. Oktober 1985 VII R 107/81, BFHE 145, 266).
a) Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin setzt die Nichtanerkennung der von ihr vorgelegten Ursprungsnachweise nicht in jedem Einzelfall die Einleitung eines Überprüfungsverfahrens nach Art. 13 VO Nr. 693/88 voraus. Im Streitfall beruht die Gewährung des beanspruchten Präferenzzollsatzes nicht auf zwischen der Gemeinschaft und Thailand bzw. den Philippinen geschlossenen völkerrechtlichen Verträgen, sondern auf einem einseitigen Zugeständnis der Gemeinschaft an diese Länder. Demzufolge wird in den Erwägungsgründen der präferenzgewährenden Verordnungen ausdrücklich auf den nicht bindenden Charakter des Präferenzsystems hingewiesen. Dieser Umstand rechtfertigt die Schlußfolgerung, daß den Ursprungsnachweisen nicht die von Warenverkehrsbescheinigungen im Verkehr zwischen gleichberechtigten Vertragspartnern ausgehende Bindungswirkung zuerkannt werden kann (vgl. auch Bail/Schädel/Hutter, Zollrecht, F IV 8/8--13, Art. 13 Rz. 1 a). Die vom Einführer beanspruchte zollrechtliche Begünstigung kann daher auch ohne Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens versagt werden, wenn sich die Unrichtigkeit der in den vorgelegten Ursprungsnachweisen gemachten Angaben aus anderen Erkenntnisquellen zur Überzeugung der Behörde erschließt (zum Nachweis der Präferenzberechtigung gemäß Art. 77 bis 91 ZKDVO vgl. Dorsch, Zollrecht, B I/27 Rz. 46). Von dieser Rechtslage gehen auch die zur Anerkennung von Präferenznachweisen erlassenen Dienstanweisungen aus (vgl. Vorschriftensammlung der Finanzverwaltung Z 42 65 Abs. 13).
Auch wenn die präferenzgewährenden Gemeinschaftsrechtsakte ein Verfahren zur nachträglichen Überprüfung von Ursprungsnachweisen durch das begünstigte Ausfuhrland ausdrücklich vorsehen, ist es nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGHE 1996, I-2509) der Gemeinschaft nicht verwehrt, die Richtigkeit der bescheinigten Ursprungsangaben durch nachträgliche Kontrollen -- einschließlich der Durchführung von Ermittlungsmissionen -- zu überprüfen. Führen die von einer Kommissionsdelegation in den jeweils präferenzbegünstigten Entwicklungsländern unter Mitwirkung der zuständigen Behörden vorgenommenen Überprüfung zu Ergebnissen, die einer Präferenzgewährung eindeutig entgegenstehen, ist in der Regel nicht zu erwarten, daß mit der Durchführung von förmlichen Nachprüfungsverfahren -- im Streitfall nach Art. 13 VO Nr. 693/88 -- neue Entscheidungsgrundlagen erschlossen werden können. Vielmehr würde sich die zusätzliche Einleitung von Überprüfungsverfahren in bezug auf jedes einzelne Ursprungszeugnis aufgrund der gesicherten Erkenntnislage als entbehrlicher Verwaltungsaufwand darstellen. In diesen Fällen begegnet es daher keinen rechtlichen Bedenken, von dem an sich vorgesehenen Überprüfungsverfahren abzusehen. Denn es liefe auf eine leere Förmelei hinaus, wollte man trotz der vorliegenden Erkenntnisse den Erlaß eines Nacherhebungsbescheides von einer formellen Überprüfung und Aufhebung jedes einzelnen Ursprungsnachweises abhängig machen.
Darüber hinaus kann den präferenzgewährenden Verordnungen im Streitfall nicht entnommen werden, daß eine Überprüfung von Ursprungsnachweisen ausschließlich nach den in der VO Nr. 693/88 festgelegten Verfahren zu erfolgen habe und andere Überprüfungsmöglichkeiten, wie z. B. die Entsendung einer Ermittlungsmission, ausgeschlossen seien.
b) Auch der Rechtsfrage, ob mit einer von den zuständigen Behörden des Ausfuhrlandes schriftlich abgegebenen Erklärung, mit der ein Ursprungszeugnis als echt und inhaltlich richtig bestätigt wird, ein eingeleitetes Überprüfungsverfahren mit der Folge als abgeschlossen gelten muß, daß das Ursprungszeugnis von den Behörden des Einfuhrstaates nicht mehr in Frage gestellt werden darf, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Rechtsfrage ist aufgrund der Systematik des Gemeinschaftsrechts und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH offensichtlich so zu beantworten, wie es das FG getan hat.
Wie bereits ausgeführt, sind die Zollverwaltungen der Mitgliedstaaten nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGHE 1996, I- 2509) an die von den Zollbehörden des Ausfuhrstaates vorgenommenen Beurteilungen in den Fällen nicht gebunden, in denen die Präferenzgewährung auf einem autonomen Rechtsakt der Gemeinschaft beruht. Dies gilt nach Auffassung des EuGH besonders dann, wenn die zuständigen Behörden nicht den Tatsachenfeststellungen, sondern der Anwendung und Auslegung der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen widersprechen. Aus der beispielhaft zu verstehenden Hervorhebung der Auslegung von Gemeinschaftsrecht läßt sich schließen, daß auch anderen Stellungnahmen -- z. B. in bezug auf den Ursprung oder die Beschaffenheit der Ware -- keine Bindungswirkung zuerkannt werden kann. Ebenso wie in dem vom EuGH entschiedenen Fall sind im Streitfall auch keine Gründe ersichtlich, die dafür sprechen würden, daß ein durch eine einseitige Präferenzgewährung begünstigtes Drittland die Zollbehörden eines Mitgliedstaates bei der Anerkennung von Ursprungsnachweisen durch Abgabe von mit den Ergebnissen einer Ermittlungsmission nicht übereinstimmenden Erklärungen zu binden vermöchte. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob die Erklärungen anläßlich eines förmlichen Überprüfungsverfahrens nach Art. 13 VO Nr. 693/88 oder erst nach der Durchführung einer von den zuständigen Dienststellen der Kommission eingeleiteten Untersuchung abgegeben worden sind. Denn der Sinn und Zweck einer Überprüfung von Ursprungszeugnissen durch eine Gemeinschaftsmission gemäß Art. 15 b VO Nr. 1468/81 würde in erheblichem Maße in Frage gestellt, wenn die Mitgliedstaaten an zuvor erteilte Auskünfte und Bestätigungen der Ausfuhrländer gebunden wären. In diesem Fall läge es nämlich in der Hand des jeweiligen Ausfuhrlandes, bei Ankündigung der Entsendung einer Ermittlungsmission jegliche Überprüfungsmöglichkeit durch die vorherige Übersendung von entsprechenden Bestätigungen auszuschließen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß Ermittlungsmissionen auch zu dem Zweck durchgeführt werden können, die von den Ausfuhrländern nach Art. 27 VO Nr. 693/88 erteilten Bestätigungen auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen.
Auch der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes vermag eine andere rechtliche Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH-Urteil vom 11. Dezember 1980 Rs. 827/79, EuGHE 1980, 3731) muß der Einführer mit einer nachträglich eingeleiteten Über prüfung der von ihm vorgelegten Präferenznachweise rechnen und die Risiken abschätzen können, die dem von ihm in Aussicht genommenen Markt anhaften, und sie als Teil der normalen Unzuträglichkeiten des Geschäftslebens in Kauf nehmen (so auch Bail/Schädel/Hutter, a. a. O., F IV 8/8--13, Art. 13 Rz. 2, m. w. N.). Dies gilt auch dann, wenn er die Unrichtigkeit der Ursprungsnachweise weder kannte noch hätte erkennen können.
c) Auch der Frage, ob eine Überprüfung von Ursprungszeugnissen nach Ablauf der in Art. 27 Abs. 3 VO Nr. 693/88 festgelegten Aufbewahrungsfrist überhaupt noch zulässig ist, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Nach Auffassung des Senats hat das FG diese Rechtsfrage zutreffend beantwortet.
Nach Art. 27 Abs. 3 VO Nr. 693/88 sind die Durchschriften der Ursprungszeugnisse sowie diesbezügliche Ausfuhrpapiere von den zuständigen Regierungsbehörden des begünstigten Ausfuhrlandes mindestens zwei Jahre lang aufzubewahren. Ihrem eindeutigen Wortlaut nach erstreckt sich der Regelungsgehalt der Vorschrift lediglich auf die Festlegung einer Aufbewahrungsfrist. Der Vorschrift kann indes nicht entnommen werden, daß nach Ablauf dieser Frist die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens nach Art. 13 VO Nr. 693/88 ausgeschlossen sei oder eine Überprüfung von Ursprungsnachweisen durch Gemeinschaftsmissionen nicht mehr erfolgen könne. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß auch nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist Nachprüfungsersuchen grundsätzlich möglich bleiben (Schwarz/Wockenfoth, Zollrecht, 3. Aufl., Art. 27 VO Nr. 693/88 Anm. 106). Erst recht ist das begünstigte Ausfuhrland nicht daran gehindert, die in Art. 27 Abs. 3 VO Nr. 693/88 aufgeführten Unterlagen über den festgelegten Mindestzeitraum hinaus aufzubewahren und zur Erledigung von erst nach Fristablauf gestellten Nachprüfungsersuchen heranzuziehen. Auch in den übrigen Bestimmungen der VO Nr. 693/88 finden sich keine Anhaltspunkte für eine zeitliche Beschränkung der Überprüfungsmöglichkeit. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß eine Überprüfung von Präferenznachweisen nicht schon dadurch unmöglich wird, daß die bei den zuständigen Behörden des Ausfuhrstaates nach Art. 27 Abs. 3 VO Nr. 693/88 aufzubewahrenden Dokumente nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist nicht mehr vorhanden sind. Zur Überprüfung der Echtheit der beanstandeten Ursprungszeugnisse bzw. der Richtigkeit der in ihnen enthaltenen Angaben bieten sich auch andere Möglichkeiten an. Als Erkenntnisquellen kämen z. B. die bei den Ausführern noch vorhandenen Unterlagen oder -- wie im Streitfall -- tatsächliche Feststellungen in den die präferenzbegünstigte Ausfuhrware produzierenden Betrieben oder statistische Erhebungen in Betracht.
3. Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt auch der Frage nach der Pflicht des FG zur Vorlage einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage an den EuGH keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage ist bereits höchtsrichterlich geklärt. Nach der Rechtsprechung des Senats (Senatsurteil vom 2. April 1996 VII R 119/94, BFHE 180, 231) steht es dem FG frei, ob es zu einer entscheidungserheblichen Auslegungsfrage des Gemeinschaftsrechts eine Vorabentscheidung des EuGH einholt oder davon absieht. Die Ausübung dieses Wahlrechts wird vom Bundesfinanzhof (BFH) in keiner Weise überprüft. Die bloße Tatsache der -- nach Auffassung der Klägerin pflichtwidrigen -- Nichtvorlage der von ihr im erst instanzlichen Verfahren aufgeworfenen gemeinschaftsrechtlichen Fragen vermag daher die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen.
4. Hinsichtlich der von der Klägerin gerügten Verfahrensmängel der Verletzung rechtlichen Gehörs und der Sachaufklärungspflicht ist die Nichtzulassungsbeschwerde nicht formgerecht begründet (§115 Abs. 3 Satz 3 FGO) und daher unzulässig. Die Klägerin hat die behaupteten Verfahrensmängel nicht schlüssig dargelegt.
Bei der Prüfung, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, ist von dem materiell-rechtlichen Standpunkt der Vorinstanz auszugehen (vgl. BFH-Urteil vom 7. Juli 1976 I R 218/74, BFHE 119, 274, BStBl II 1976, 621). Das FG braucht bestimmte Beweismittel nicht zu erheben, wenn es nach seiner Rechtsauffassung auf die mit den angebotenen Beweismitteln nachzuweisenden Tatsachen nicht ankommt (BFH-Beschluß vom 26. März 1991 V B 158/90, BFH/NV 1995, 682). Ausweislich seiner Begründung ist das FG den Beweisanträgen zu der Frage, ob die Ursprungszeugnisse ursprünglich ordnungsgemäß ausgestellt worden sind, deshalb nicht gefolgt, weil es die Beantwortung dieser Frage nicht für entscheidungserheblich gehalten hat. Das erstinstanzliche Urteil kann somit nicht auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen. Darüber hinaus fehlt es an einer schlüssigen Darlegung, weshalb das FG hinsichtlich des angefochtenen Urteils nach Durchführung der beantragten Beweiserhebung zu einer für die Klägerin günstigeren Entscheidung hätte kommen können (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., §119 Rdnr. 13, m. w. N.).
Fundstellen
Haufe-Index 66896 |
BFH/NV 1998, 363 |