Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwangsaufgabe eines landwirtschaftlichen Betriebes
Leitsatz (NV)
- Durch die Rechtsprechung des BFH ist grundsätzlich geklärt, das ein auf eigenem Grund und Boden unterhaltener landwirtschaftlicher Betrieb nicht dadurch aufgegeben wird, dass der Landwirt seine bisher selbst bewirtschafteten Nutzflächen an einen anderen Landwirt verpachtet und das tote und lebende Inventar veräußert, aber die Hofstelle zurückbehält. Dass er Landabgabe- und Altersrente bezieht, ist unerheblich.
- Bei der Verpachtung eines landwirtschaftlichen Betriebes ist eine ausdrückliche Aufgabeerklärung unentbehrlich.
- Der verpachtete und der wieder aufgenommene Betrieb sind als wirtschaftlich identisch anzusehen, auch wenn das Inventar wieder beschafft werden muss. Es reicht, dass ein Rechtsnachfolger den unterbrochenen Betrieb wieder aufnimmt.
- Eine Betriebsaufgabe ist nicht anzunehmen, wenn es mit den zurück behaltenen Wirtschaftsgütern objektiv möglich ist, die unterbrochene landwirtschaftliche Tätigkeit wieder aufzunehmen.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2; EStG §§ 13-14, 16
Tatbestand
Die 1930 geborene ledige Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) bewirtschaftete einen 4,83 ha großen Grünlandbetrieb mit 5 bis 6 Kühen. Anfang 1990 veräußerte sie ihren Viehbestand und verpachtete am 25. Februar 1990 die landwirtschaftlichen Nutzflächen an einen anderen Landwirt. Die Hofstelle mit den Wohn- und Wirtschaftsgebäuden behielt sie zurück. Im Jahr 1992 verkaufte sie eine 8 319 qm große landwirtschaftliche Nutzfläche für 332 760 DM. Nutzen und Lasten sollten mit der Zahlung des Kaufpreises übergehen. 320 000 DM wurden am 30. August 1993 und 12 760 DM am 23. März 1994 bezahlt.
Mit Schreiben vom 3. Mai 1994 beantragte die Klägerin beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―), ihren landwirtschaftlichen Betrieb ab dem 1. Januar 1993 als Privatvermögen zu betrachten. Im Schreiben vom 1. September 1994 erklärte sie dann ausdrücklich die Aufgabe des Betriebes.
Das FA behandelte den Gewinn aus der Grundstücksveräußerung in Höhe von 311 300 DM zunächst als laufenden Gewinn des Wirtschaftsjahres 1993/94, korrigierte das aber im Einspruchsverfahren. Statt eines laufenden Gewinns erfasste es einen steuerbegünstigten Aufgabegewinn in Höhe von 341 950 DM. Den ergangenen Änderungsbescheid änderte das FA dann nochmals. In der Einspruchsentscheidung vertrat das FA die Auffassung, erst durch die Erklärung der Klägerin vom 1. September 1994 sei es zu einer Betriebsaufgabe im Jahr 1994 gekommen.
Mit der Klage machte die Klägerin u.a. geltend, sie habe ihren Betrieb bereits im Jahr 1990 endgültig aufgegeben, und zwar konkludent. Der Betrieb sei insgesamt zu klein und die Betriebsgebäude seien zudem veraltet gewesen. Eine wesentliche Betriebsgrundlage, das Vieh, habe sie verkauft. Sie sei damals fast 60 Jahre alt und arbeitsunfähig gewesen; auch habe sie einen Rentenantrag gestellt. Ein Hofnachfolger sei nicht vorhanden. Bei Pachtende wäre sie bereits 70 Jahre alt.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) nahm unter Bezugnahme auf den Senatsbeschluss vom 20. Januar 1999 IV B 99/98 (BFH/NV 1999, 1073) an, die Verpachtung der landwirtschaftlichen Nutzflächen habe nicht zur Aufgabe des Betriebs geführt; der Betrieb hätte wieder aufgenommen werden können. Unerheblich sei, dass die Klägerin das vorhandene lebende und tote Inventar verkauft habe (Senatsurteil vom 2. März 1995 IV R 52/94, BFH/NV 1996, 110). Eine eindeutige Aufgabeerklärung habe die Klägerin erst im Jahr 1994 abgegeben. Der Antrag auf Altersrente lasse den Aufgabewillen nicht eindeutig erkennen (Senatsurteil vom 27. November 1997 IV R 86/96, BFH/NV 1998, 834). Unerheblich sei ferner der Umstand, dass der Betrieb nicht rentabel gewesen sei. Die Betriebsfortführung sei durch die Kinder der Schwester der Klägerin möglich.
Die Revision ließ das FG nicht zu.
Dagegen richtet sich die Beschwerde mit der Begründung, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung und das angefochtene Urteil weiche von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ab.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist ―unabhängig von Zweifeln an ihrer Zulässigkeit― jedenfalls unbegründet.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Durch die Rechtsprechung des BFH ist bereits geklärt, dass eine Zwangsaufgabe des auf eigenem Grund und Boden unterhaltenen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes auch dann nicht vorliegt, wenn nur die landwirtschaftlichen Nutzflächen an einen anderen Landwirt verpachtet werden, aber die Hofstelle zurückbehalten und das lebende und tote Inventar veräußert wird (z.B. Senatsurteile in BFH/NV 1996, 110, und in BFH/NV 1998, 834). Das gilt selbst dann, wenn der Betriebsinhaber gleichzeitig die Landabgabe- und die Altersrente beantragt und dann auch erhält (Senatsurteil vom 21. September 2000 IV R 29/99, BFH/NV 2001, 433).
Die Klägerin hat indes in der Beschwerdebegründung nicht ―wie gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlich― im Einzelnen begründet, dass und warum diese von der Rechtsprechung bereits geklärten Fragen ihrer Auffassung nach einer erneuten Entscheidung durch den BFH bedürfen. Dazu hätte sie insbesondere darlegen müssen, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die Rechtsfragen weiterhin umstritten sind (Senatsbeschlüsse vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837, und vom 4. März 2002 IV B 109/01, BFH/NV 2002, 1036). Auch setzt sich die Klägerin in der Beschwerdebegründung nicht mit der Rechtsprechung des beschließenden Senats auseinander, dass bei einer Verpachtung eines landwirtschaftlichen Betriebes eine ausdrückliche Aufgabeerklärung unentbehrlich ist (z.B. Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2000 IV B 87/00, BFH/NV 2001, 768). Die Beschwerdebegründung geht auch nicht darauf ein, dass diese Forderung selbst für solche landwirtschaftlichen Betriebe gilt, deren Inhaber bis zur Verpachtung nur auf kleineren eigenen Flächen gewirtschaftet und nach der Verpachtung der Flächen das Inventar veräußert haben (vgl. Senatsbeschluss vom 7. November 1996 IV B 162/95, BFH/NV 1997, 558). Die Wiederaufnahme der durch die Verpachtung unterbrochenen Tätigkeit ist auch dann möglich und es sind der verpachtete und der wieder aufgenommene Betrieb auch dann als wirtschaftlich identisch anzusehen, wenn das Inventar wieder beschafft werden muss (vgl. Senatsurteil vom 18. März 1999 IV R 65/98, BFHE 188, 310, BStBl II 1999, 398). Insbesondere ist es nicht notwendig, dass der bisherige Betriebsinhaber den unterbrochenen Betrieb selbst wieder aufnimmt; es reicht, dass dies durch den Gesamt- oder Einzelrechtsnachfolger geschehen soll (BFH-Urteil vom 27. Februar 1985 I R 235/80, BFHE 143, 436, BStBl II 1985, 456).
2. Die Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Zu Recht macht das FA insoweit darauf aufmerksam, dass das angefochtene Urteil nicht im Widerspruch zu der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung steht.
a) Anders als im Fall des Urteils des IX. Senats des BFH vom 3. Juni 1997 IX R 2/95 (BFHE 183, 413, BStBl II 1998, 373) war im Streitfall die Wiederaufnahme des verpachteten Betriebes noch objektiv möglich, weil die von der Klägerin verpachteten Nutzflächen nach wie vor für landwirtschaftliche Zwecke genutzt wurden. Dagegen hatte der IX. Senat über einen Sachverhalt zu entscheiden, in dem nicht mehr der bisherige Betriebsinhaber selbst, sondern nur noch der Pächter entscheiden konnte, ob die für die Betriebsfortführung notwendigen Gebäude abgerissen würden oder nicht.
b) Der Streitfall ist auch nicht mit dem Sachverhalt vergleichbar, der dem Urteil des X. Senats des BFH vom 21. Mai 1992 X R 77-78/90 (BFH/NV 1992, 659) zugrunde lag. Denn dort hatte der Steuerpflichtige ―allerdings erfolglos― versucht, auch das Betriebsgrundstück zu veräußern.
c) Die Annahme einer den Betrieb fortführenden Betriebsverpachtung setzt grundsätzlich die Absicht des Steuerpflichtigen voraus, die durch die Verpachtung der wesentlichen Betriebsgrundlagen unterbrochene Tätigkeit wieder aufzunehmen, und weiter, dass die Verwirklichung dieser Absicht sogar wahrscheinlich ist (BFH-Urteile in BFHE 143, 436, BStBl II 1985, 456; vom 15. Oktober 1987 IV R 66/86, BFHE 152, 62, BStBl II 1988, 260, und vom 16. Dezember 1999 IV R 53/99, BFH/NV 2000, 1078). Das ändert aber nichts an der grundlegenden Aussage der Rechtsprechung, dass in einem solchen Fall die verpachteten Wirtschaftsgüter Betriebsvermögen bleiben, solange der Verpächter keine eindeutige Aufgabeerklärung abgibt; auf eine gegenteilige, gegenüber dem FA nicht erklärte innere Einstellung des Steuerpflichtigen kommt es nicht an (Urteil des Großen Senats des BFH vom 13. November 1963 GrS 1/63 S, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124; Senatsurteile vom 18. März 1964 IV 114/61 S, BFHE 79, 195, BStBl III 1964, 303, und vom 28. September 1995 IV R 39/94, BFHE 179, 75, BStBl II 1996, 276, sowie Senatsbeschluss in BFH/NV 1999, 1073).
d) Schließlich bestätigen die in der Beschwerdeschrift außerdem angegebenen Urteile des BFH in BFHE 179, 75, BStBl II 1996, 276, vom 16. Dezember 1997 VIII R 11/95 (BFHE 185, 205, BStBl II 1998, 379) und vom 26. Februar 1997 X R 31/95 (BFHE 183, 65, BStBl II 1997, 561) ausdrücklich, dass eine Betriebsaufgabe nicht anzunehmen ist, wenn es dem Betriebsinhaber ―oder seinem Rechtsnachfolger― mit den zurückbehaltenen Wirtschaftsgütern objektiv möglich ist, die unterbrochene landwirtschaftliche Tätigkeit wieder aufzunehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 995673 |
BFH/NV 2003, 1554 |