Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsgeld gegen ausgebliebenen Zeugen; Ausbleiben nur bei schwerwiegenden Gründen entschuldigt
Leitsatz (NV)
Die Versäumung eines Beweistermins durch einen ordnungsgemäß geladenen Zeugen ist nur bei schwerwiegenden Gründen entschuldigt. Bei einem als Zeuge geladenen Rechtsanwalt und Notar ist dies nicht der Fall, wenn er geltend macht, darauf vertraut zu haben, daß auf seine Aussage durch den Prozeßbevollmächtigten des Klägers verzichtet werde, obwohl ihm der Vorsitzende bei dem FG ausdrücklich mitgeteilt hatte, daß der Beweisbeschluß und die Zeugenladung bestehen blieben.
Normenkette
FGO § 82; ZPO §§ 380-381
Tatbestand
Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt und Notar. Durch Beschluß vom 12. Mai 1986 hatte das Finanzgericht (FG) seine Vernehmung als Zeuge zu der Frage angeordnet, worauf der wirkliche Wille der Parteien des von ihm beurkundeten Vertrags vom 19. Juni 1981, durch den die Mutter des Klägers diesem ein Grundstück übereignet hatte, gerichtet war. Die Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 15. August 1986, 9.30 Uhr, wurde dem Beschwerdeführer am 16. Juni 1986 zugestellt. Mit Schreiben vom 7. August 1986 an das FG bat der Beschwerdeführer, ihn vom Erscheinen zum Verhandlungstermin zu entbinden, da er sich beim besten Willen an den Vorgang nicht erinnern könne. Der Vorsitzende Richter am FG rief den Zeugen am 12. August 1986 an und teilte ihm mit, daß das Gericht keine Möglichkeit habe, aufgrund seiner Erklärung den Beweisbeschluß aufzuheben. Die Ladung bleibe bestehen. Der Beschwerdeführer wandte während des Ferngesprächs noch ein, er habe am Vormittag des 15. August 1986 drei Termine als Prozeßvertreter bei anderen Gerichten wahrzunehmen. Der Vorsitzende Richter am FG erklärte ihm dazu, er habe so rechtzeitig von der Ladung erfahren, daß er für eine Vertretung habe sorgen können.
Der Beschwerdeführer ist dem Beweistermin ohne weitere Entschuldigung ferngeblieben. Das FG hat daraufhin gegen ihn ein Ordnungsgeld in Höhe von 300 DM, ersatzweise zwei Tage Haft, festgesetzt und ihm die Kosten auferlegt, die er durch sein Ausbleiben im Termin vom 15. August 1986 verursacht hat. Es führt im wesentlichen aus, die Mitteilung des Beschwerdeführers, er könne sich an den Vorgang, der Gegenstand der Beweisaufnahme sein soll, nicht erinnern, sei kein Entschuldigungsgrund. Ebensowenig könne er sich auf die Termine vor den anderen Gerichten berufen. Die Erscheinungspflicht des Zeugen habe gegenüber beruflichen Pflichten Vorrang. Außerdem hätte der Beschwerdeführer rechtzeitig für eine anderweitige Terminvertretung vor den anderen Gerichten sorgen können.
Dagegen richtet sich die Beschwerde. Der Beschwerdeführer trägt zur Begründung vor, er habe anläßlich des Telefonats mit dem Vorsitzenden Richter am FG erklärt, daß er mit dem Kläger bzw. dessen Bevollmächtigten Verbindung aufnehmen wolle und daß, falls diese auf seine Mitwirkung verzichteten, dann wohl sein Erscheinen nicht vonnöten sei. Er habe zunächst mit dem Kläger und anschließend mit den Prozeßbevollmächtigten telefoniert. Er sei dann am Tag vor dem Termin mit Rechtsanwalt A so verblieben, daß man auf ihn verzichten werde, weil er sich an den Vorgang nicht erinnern könne. Rechtsanwalt A habe ihm ausdrücklich zugesagt, daß für den Fall, daß er doch benötigt werde, noch am selben Tag ein Rückruf erfolgen würde. Er sei danach davon ausgegangen, daß im Termin auf seine Aussage verzichtet würde.
Der Beschwerdeführer beantragt, den Beschluß des FG aufzuheben.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Nach § 82 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind für die Beweisaufnahme im finanzgerichtlichen Verfahren u. a. die §§ 380, 381 der Zivilprozeßordnung (ZPO) sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 380 Abs. 1 ZPO werden einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt, ohne daß es eines Antrags bedarf; zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt. Gemäß § 381 Abs. 1 ZPO unterbleiben die Festsetzung eines Ordnungsmittels und die Auferlegung der Kosten, wenn der Zeuge sein Ausbleiben genügend entschuldigt. Erfolgt die genügende Entschuldigung nachträglich, so werden die gegen den Zeugen getroffenen Anordnungen wieder aufgehoben.
Zu Recht hat das FG dem Beschwerdeführer die Kosten auferlegt und ein Ordnungsgeld und Ordnungshaft festgesetzt. Der Beschwerdeführer ist ordnungsgemäß geladen worden und hat - wie das FG zutreffend ausgeführt hat - vor dem Termin am 15. August 1986 sein Ausbleiben nicht genügend entschuldigt.
Die von ihm mit der Beschwerde vorgetragenen Gründe rechtfertigen keine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Eine genügende Entschuldigung i. S. von § 381 Abs. 1 ZPO kann nur Umständen entnommen werden, die das Verhalten des Zeugen nicht als pflichtwidrig erscheinen lassen; dazu sind schwerwiegende Gründe für das Ausbleiben erforderlich (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. August 1977 I B 41/77, BFHE 123, 120, BStBl II 1977, 842). Die Annahme des Beschwerdeführers, der Prozeßbevollmächtigte des Klägers werde auf sein Zeugnis im Termin verzichten, vermag sein Ausbleiben nicht zu entschuldigen. Die Entscheidung darüber, ob ein Zeuge nach Ergehen einer Ladung nicht vor Gericht zu erscheinen braucht, steht ausschließlich dem Gericht zu. Dies mußte dem Beschwerdeführer als Rechtsanwalt bewußt sein. Er konnte und durfte nicht darauf vertrauen, bei Verzicht auf seine Aussage durch den Prozeßbevollmächtigten des Klägers von seinem Erscheinen als Zeuge entbunden zu werden. Aus seiner Darstellung des Telefonats mit dem Vorsitzenden Richter am FG ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, daß ihm für den Fall des Verzichts auf seine Mitwirkung durch den Kläger die Aufhebung des Beweisbeschlusses zugesagt worden wäre. Nach allem stellt sich das Verhalten des Beschwerdeführers als pflichtwidrig dar.
Fundstellen
Haufe-Index 415266 |
BFH/NV 1988, 166 |