Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzugsverfahren nach § 18 Abs. 8 UStG auch bei Leistungsbezug für den nichtunternehmerischen Bereich: Keine grundsätzliche Bedeutung
Leitsatz (NV)
Das Abzugsverfahren setzt u.a. lediglich voraus, dass der Leistungsempfänger Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist. Die Frage, ob es auch dann durchzuführen ist, wenn der Leistungsempfänger nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt war, oder, wenn der Unternehmer die Leistung nicht für sein Unternehmen, sondern für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen hat, hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Normenkette
UStG § 18 Abs. 8; UStDV §§ 51, 54-55
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind der 1. und 2. Vorstand eines eingetragenen Vereins. Anlässlich seines zwanzigjährigen Bestehens engagierte der Verein für einen Auftritt eine Musikgruppe aus Italien zu einer Gage von … DM. Vereinbart war, dass alle gesetzlich vorgeschriebenen Abgaben vom Veranstalter zu tragen seien. Weil der Verein u.a. die von ihm angemeldete Umsatzsteuer im Abzugsverfahren nicht vollständig bezahlt hatte und auch die Vollstreckung in das Vermögen des Vereins erfolglos blieb, nahm der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) mit Haftungsbescheiden vom 1. Oktober 2002 die Kläger für die Steuerrückstände in Anspruch.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet zurück. Es vertrat im Wesentlichen die Auffassung, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Kläger als Vorstände des Vereins nach § 18 Abs. 8 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) i.V.m. §§ 51, 54 und 55 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1993 (UStDV) lägen vor. Die Regelung verstoße weder gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot noch gegen allgemeine Grundfreiheiten des Gemeinschaftsrechts. Den Klägern sei bekannt gewesen, dass der Leistende in Italien ansässig sei; die Inanspruchnahme der Kläger sei nicht ermessensfehlerhaft.
Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision nur zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2. die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert oder
3. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Gemäß § 116 Abs. 3 FGO müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden.
1. Die Kläger begehren die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung; es sei --wie der BFH im Beschluss vom 18. Juli 2001 V B 198/00 (BFH/NV 2000, 78) ausgeführt habe-- zweifelhaft, ob das Abzugsverfahren richtlinienkonform sei; der BFH habe in seinem Urteil vom 13. Januar 2005 V R 12/02 (BFH/NV 2005, 1158) die Richtlinienkonformität nur insoweit bejaht, als der Leistungsempfänger vorsteuerabzugsberechtigt sei.
a) Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Beantwortung durch den BFH aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Es muss sich um eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage handeln. Eine Rechtsfrage ist nicht (mehr) klärungsbedürftig, wenn sie anhand der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BFH ohne Weiteres beantwortet werden kann und keine neuen rechtlichen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH geboten erscheinen lassen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rdnr. 28, m.w.N.). Die von den Klägern herausgestellte Rechtsfrage bedarf keiner Klärung.
b) Nach § 51 Abs. 2 UStDV 1993 ist der Leistungsempfänger (nur) dann zur Einbehaltung und Abführung der Umsatzsteuer verpflichtet, wenn er ein Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist.
Der erkennende Senat hat im Urteil vom 3. November 2005 V R 56/02 (BFH/NV 2006, 889) entschieden, dass das Abzugsverfahren nach § 18 Abs. 8 UStG i.V.m. §§ 51, 54, 55 UStDV der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern --Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerliche Bemessungsgrundlage-- 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) entsprach, und dass der Empfänger einer im Erhebungsgebiet steuerpflichtigen Leistung eines nicht im Erhebungsgebiet ansässigen Unternehmers nach § 18 Abs. 8 UStG i.V.m. §§ 51 Abs. 2, 54 UStDV die Umsatzsteuer auch dann einzubehalten und an das zuständige FA abzuführen hatte, wenn er die Werklieferung nicht für sein Unternehmen, sondern für seinen nichtunternehmerischen Bereich bezogen hatte. Der Gesetzgeber habe die Auswahl des Kreises der Verpflichteten in § 51 Abs. 2 UStDV lediglich danach getroffen, dass es einerseits Unternehmern (generell) und andererseits juristischen Personen des öffentlichen Rechts (generell) zumutbar sei, die Umsatzsteuer aus den genannten Leistungen von nicht im Erhebungsgebiet ansässigen Unternehmern vom Rechnungsbetrag einzubehalten und abzuführen.
Daraus ergibt sich ohne weiteres, dass das Abzugsverfahren unabhängig davon durchzuführen war, ob der Leistungsempfänger zum Vorsteuerabzug berechtigt ist oder nicht.
Die Entscheidung ist zwar erst nach Ergehen des angefochtenen Urteils ergangen. Das FG-Urteil entspricht dieser Entscheidung. Schon deshalb kommt auch eine Zulassung wegen Divergenz zu der (nach Erlass des FG-Urteils ergangenen) BFH-Entscheidung nicht in Betracht.
2. Auch eine Zulassung wegen des geltend gemachten Verfahrensmangels ist nicht möglich.
Die Geltendmachung eines Verfahrensmangels verlangt u.a. auch den schlüssigen Vortrag, inwiefern das angegriffene Urteil ohne diesen Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre (ständige Rechtsprechung z.B. BFH-Beschluss vom 17. September 2003 XI B 220/02, BFH/NV 2004, 345, m.w.N.). Die Kläger hätten deshalb darlegen müssen, inwiefern das angefochtene Urteil nach der insoweit maßgeblichen Auffassung des FG auf dem Verfahrensmangel beruhen kann, es also ohne den Verfahrensfehler möglicherweise anders ausgefallen wäre (z.B. BFH in BFH/NV 2004, 345). Daran fehlt es.
Als Verfahrensmangel machen die Kläger geltend, das FG habe nicht festgestellt, ob der Verein zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen sei. Sie haben nicht vorgetragen, inwiefern das FG-Urteil nach dessen, des FG, Rechtsauffassung anders hätte ausfallen können. Das FG ist offensichtlich davon ausgegangen, dass der Verein Unternehmer war und es auf die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht ankam.
Fundstellen
Haufe-Index 1587714 |
BFH/NV 2006, 2310 |