Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Offenkundigkeit der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage
Leitsatz (NV)
1. Bei bereits entschiedener Rechtsfrage muß der Beschwerdeführer hinsichtlich der grundsätzlichen Bedeutung darlegen, weshalb er gleichwohl eine erneute Entscheidung des BFH zu der Frage im Interesse der Rechtssicherheit oder Rechtsfortbildung für erforderlich hält.
2. Die Frage, ob ein angestellter Kraftfahrer, der auf Veranlassung seines Arbeitgebers einen Firmenwagen fährt und gutgläubig hinsichtlich der Beschaffenheit des bei der firmeneigenen Tankstelle getankten Treibstoffs (gekennzeichnetes Mineralöl) ist, als Besitzdiener überhaupt Steuerschuldner nach § 12 Abs. 9 Satz 1 MinöStG werden kann, ist offenkundig von grundsätzlicher Bedeutung. Diese drängt sich so auf, daß das Verlangen, konkrete Angaben zur Grundsätzlichkeit der Sache zu machen, unter den gegebenen Umständen eine unnötige Förmelei bedeutete.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3; MinöStG § 12 Abs. 9
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist angestellter Fahrer. Bei einer Treibstoffkontrolle wurde im Tank des vom Kläger gefahrenen Firmen-LKW gekennzeichnetes Mineralöl festgestellt. Das beklagte Hauptzollamt (HZA) erließ deswegen gegen den Kläger einen Mineralölsteuerbescheid in Höhe von 44,10 DM. Als zu versteuernde Menge wurde dabei das Fassungsvermögen des Hauptbehälters zugrunde gelegt.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) folgte der Begründung der Entscheidung über den Einspruch, der Kläger habe als Fahrer des LKW gekennzeichnetes Mineralöl unzulässig als Treibstoff verwendet (§ 12 Abs. 7 Satz 1 des Mineralölsteuergesetzes - MinöStG -) und sei daher Steuerschuldner nach § 12 Abs. 9 Sätze 1 bis 3 MinöStG geworden.
Seine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das finanzgerichtliche Urteil stützt der Kläger augenscheinlich auf grundsätzliche Bedeutung, wobei Rechtsfragen allerdings nicht klar formuliert werden. Der Kläger ist der Ansicht, bei § 12 Abs. 9 MinöStG seien subjektive Erfordernisse dahingehend zu berücksichtigen, daß mangelnde Kenntnis von der Beschaffenheit des Treibstoffs den Steuerentstehungstatbestand ausschließe. Er - der Kläger - sei als Arbeitnehmer verpflichtet gewesen, ein Firmenfahrzeug während der Arbeitszeit zu benutzen und dieses an der firmeneigenen Tankstelle zu betanken. Es sei ihm sogar ausdrücklich untersagt gewesen, Fremdtankstellen aufzusuchen. Kenntnis von der Be- schaffenheit des Treibstoffs habe er weder gehabt noch haben können. Verwender sei außerdem, entgegen der Ansicht des FG, bei firmeneigenen Fahrzeugen die Firma und nicht der angestellte Fahrer. Daher sei die Firma steuerpflichtig geworden oder müsse zumindest die Steuer entrichten.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet. Die Revision des Klägers ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) hat.
Grundsätzliche Bedeutung hat allerdings nicht die Frage, ob für die Anwendung des § 12 Abs. 9 MinöStG subjektive Elemente von Bedeutung sind. Der Senat hat in seinem Urteil vom 4. Dezember 1990 VII R 52/88 (BFHE 162, 531, 534) entschieden und eingehend begründet, daß § 12 Abs. 9 MinöStG allein auf objektive Merkmale abstellt und die Steuer ohne Rücksicht auf Verschulden entsteht. Erforderlich, aber auch ausreichend, sei ein natürlicher Handlungswille dahin, über die Ware als Kraftstoff zu verfügen. Eine zusätzliche Kenntnis von der Beschaffenheit des Mineralöls oder wenigstens ein Kennenmüssen sei für die Besteuerung nach Wortlaut und Zweck der Steuervorschrift nicht erforderlich. Der Kläger ist auf dieses Urteil nicht eingegangen. Bei bereits entschiedener Rechtsfrage hätte aber hinsichtlich der grundsätzlichen Bedeutung gerade dargelegt werden müssen, weshalb gleichwohl eine erneute Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu der Frage im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung für erforderlich gehalten wird (BFH-Beschluß vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1987, § 115 Anm.62).
Von grundsätzlicher Bedeutung ist aber die vom Kläger aufgeworfene zweite Rechtsfrage dahin, ob der angestellte Kraftfahrer, der auf Veranlassung seines Arbeitgebers einen Firmenwagen fährt und gutgläubig hinsichtlich der Beschaffenheit des bei der firmeneigenen Tankstelle getankten Treibstoffs ist, als Besitzdiener überhaupt Steuerschuldner nach § 12 Abs. 9 Satz 1 MinöStG werden kann oder ob nicht vielmehr unter diesen Umständen allein der Arbeitgeber den Treibstoff unzulässig verwendet, hilfsweise, ob im Falle einer Gesamtschuldnerschaft von Fahrer und Arbeitgeber unter den genannten Umständen allein der Arbeitgeber zur Steuer heranzuziehen ist.
Zwar hat der Kläger die grundsätzliche Bedeutung dieser Frage nur unzureichend dargelegt, insbesondere was ihre Klärungsbedürftigkeit und das Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts betrifft. Der Senat hält die grundsätzliche Bedeutung jedoch für offenkundig. Sie drängt sich so auf, daß das Verlangen, konkrete Angaben zur Grundsätzlichkeit der Sache zu machen, unter den gegebenen Umständen eine unnötige Förmelei bedeutete (BFH-Beschluß vom 9. Mai 1988 IV B 35/87, BFHE 153, 378, BStBl II 1988, 725).
Die Frage ist schon deshalb klärungsbedürftig, weil Literatur und Rechtsprechung hierzu kein einheitliches Bild ergeben und eine höchstrichterliche Entscheidung noch nicht vorliegt. Im Gegensatz zur Vorentscheidung wird in der Kommentarliteratur (vgl. Schädel/Langer/Gotterbarm, Mineralölsteuer, Mineralölzoll, 5. Aufl., Stand: März 1992, § 12 MinöStG Anm.80) nicht jeder Handelnde, sondern nur der wirtschaftlich Handelnde als möglicher Steuerschuldner der Tatbegehungsweisen des § 12 Abs. 9 MinöStG angesehen. So soll der Arbeitgeber Verwender sein, wenn er seinen LKW mit oder ohne Wissen des Fahrers (Besitzdiener) mit Heizöl betanken und verkehren läßt. Hingegen weisen die Gesetzesmaterialien (vgl. Senat in BFHE 162, 531, 534) darauf hin, daß auch der gutgläubige Kraftfahrer - freilich erst nachrangig - als Steuerschuldner in Betracht kommt. Dies könnte für eine Gesamtschuldnerschaft von Arbeitgeber und Fahrer sprechen, die im Falle der Gutgläubigkeit des Fahrers mit der vorrangigen Inanspruchnahme des Arbeitgebers aufzulösen wäre. Unter diesen Umständen erscheint fraglich, ob die Lösung der Vorinstanz, die den Fahrer ohne weiteres als Steuerschuldner ansieht und ihn hinsichtlich der zu zahlenden Steuer auf einen zivilrechtlichen (arbeitsrechtlichen) Freistellungsanspruch gegen seinen Arbeitgeber verweist, der Sachlage angemessen ist.
Die Rechtsfrage ist auch klärungsfähig, denn es ist zu erwarten, daß es in dem zu erwartenden Revisionsverfahren tatsächlich zu ihrer Klärung kommen wird.
Fundstellen
Haufe-Index 418834 |
BFH/NV 1993, 388 |