Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensmangel und grundsätzliche Bedeutung
Leitsatz (NV)
Eine Rüge fehlerhafter Anwendung des § 79b FGO und damit der Verletzung der Verpflichtung zur Erforschung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 FGO) hat keinen Erfolg, wenn der Vortrag des Beschwerdeführers die Entscheidung des FG bestätigt, daß -- ohne die geforderte Mitwirkung des Beschwerdeführers -- die Ermittlung des Sachverhalts nur mit erheblichem Aufwand möglich gewesen wäre.
Könnten die als grundsätzlich klärungsbedürftig vorgetragenen Rechtsfragen in einem zugelassenen Revisionsverfahren theoretisch vielleicht erörtert werden, ist aber im Hinblick auf den festgestellten Sachverhalt des angefochtenen Urteils die Entscheidungserheblichkeit der gestellten Fragen in tatsächlicher Hinsicht völlig ungewiß, ist eine Zulassung der Revision nicht gerechtfertigt.
Normenkette
UStG 1991 § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 2; FGO § 76 Abs. 1, §§ 79b, 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die in Gesellschaft bürgerlichen Rechts tätigen Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) beantragten mit der Klage die Berücksichtigung von Vorsteuerbeträgen, die der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) bei der Umsatzsteuerfestsetzung für 1991 nicht zum Abzug zugelassen hatte. Das FA ging aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung davon aus, daß die den Vorsteuerbeträgen zugrundeliegenden Rechnungen sog. Gefälligkeitsrechnungen über nicht ausgeführte Leistungen seien.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hatte die Kläger mit einer auf § 79b der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützten Verfügung aufgefordert, innerhalb einer bestimmten Frist zusätzlich zu einer substantiierten Sachverhaltsdarstellung Rechnungen -- zunächst in Kopie -- vorzulegen sowie eine nachvollziehbare Darstellung dafür zu geben, daß diesen Rechnungen entgegen den Behauptungen des FA Leistungen der Rechnungsaussteller entsprechen. Der Vortrag der Kläger auf diese Verfügung reichte nach Auffassung des FG nicht aus, um den Klageantrag zu stützen. Es führte in dem -- nach mündlicher Verhandlung ergangenen -- Urteil im wesentlichen aus: Wenn der Hinweis der Kläger auf § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1991 bedeuten solle, sie hätten vor Empfang vereinbarter Leistungen gezahlt, und diese Leistungen würden noch ausgeführt werden, würde es sich nach der Überzeugung des Senats um eine reine Schutzbehauptung handeln. Sie wäre weder durch substantiierte Darlegung untermauert oder auch nur glaubhaft gemacht worden. Die Kläger hätten sich auch geweigert, überhaupt den Empfang von Leistungen vorzutragen, die das Gericht mit Rechnungen, welcher Art auch immer, vergleichen könnte. Das FG lehnte es ferner ab, auf der Grundlage der Klägerbehauptung, daß bestimmte klagebegründende Tatsachen allgemein bekannt seien, sich im Wege eigener aufwendiger Ermittlungen (§ 79b Abs. 3 Satz 3 FGO) Gewißheit über diese Tatsachen zu verschaffen. Es sei auf entsprechende Darlegungen der Kläger angewiesen, die diese ihm versagt hätten. Soweit die Kläger in der mündlichen Verhandlung die Möglichkeit angesprochen hätten, daß der Rechnungsaussteller die abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht habe, seien sie mit dem Vortrag gemäß § 79b Abs. 3 Satz 1 FGO nicht mehr zu hören gewesen. Sie hätten zudem selbst den ungewissen Ausgang solcher Ermittlungen zugestanden.
Mit der Beschwerde beantragen die Kläger Zulassung der Revision wegen Verfahrensfehlern und wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Wegen Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) ist die Revision nicht zuzulassen. Die Kläger rügen insoweit fehlerhafte Anwendung von § 79b FGO und damit Verletzung der Verpflichtung zur Erforschung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 FGO). Dazu tragen sie im wesentlichen vor: Eine Verzögerung bzw. ein erheblicher Aufwand zur Beurteilung des schriftlich und während der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Sachvortrags sei grundsätzlich nicht gegeben, weil die argumentativen Inhalte leicht über die zum Tatbestand erhobene vollständige Ermittlungsakte nachprüfbar gewesen wären. Dem Gericht habe zur Urteilsfindung nur Blatt 1 bis 6 der Ermittlungsakte vorgelegen. Daß diese Akte unvollständig gewesen sei, ergebe sich daraus, daß das FA in der Klageerwiderung vom 28. August 1995 sich auf Blatt 26 bis 33 des Fahndungsberichts beziehe. Eine Anfrage an den Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung habe ergeben, daß der Fahndungsbericht nur aus sechs Seiten bestanden habe. Die nicht vollständig beigezogenen Akten seien erheblich und hätten durch das Gericht als Entscheidungsgrundlage genommen werden müssen. Der Umstand, daß diese Rechnungen -- entgegen der Behauptung des FA -- auf Leistungen des Aus stellers beruhten, wäre immer den Ver nehmungsprotokollen der vollständigen Ermittlungsakte der Steuerfahndung zu entnehmen gewesen. Selbst die Steuerfahndung stelle in dem Ermittlungsbericht fest, daß Leistungen in gewissem Umfang lt. Zeugenaussage erbracht worden seien. Auch dieser Umstand wäre einer vollständigen Akte leicht zu entnehmen gewesen.
Dieser Vortrag der Kläger bestätigt nur die Entscheidung des FG, daß ihm -- ohne die angeforderte Mitwirkung der Kläger -- die Ermittlung des Sachverhalts nur mit erheblichem Aufwand möglich gewesen wäre. Es durfte daher die -- nach Ablauf der gemäß § 79b FGO gesetzten Frist -- in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Erklärungen und Beweismittel zurückweisen. Dementsprechend ist die Verfahrensrüge auch hinsichtlich unzureichender Sachaufklärung zum Vorhandensein von Rechnungen ohne Erfolg.
2. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache scheidet Zulassung der Revision ebenfalls aus.
Die von den Klägern als grundsätzlich klärungsbedürftig vorgetragenen Rechtsfragen
"a) wie sich bei Vorliegen aller formellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug, bei gleichzeitigem Vorliegen von abgeschlossenen Leistungen ein zu hohes Entgelt für die Leistung (sehr hohes Mißverhältnis) auf den Vorsteuerabzug auswirkt und
b) wie sich das gleiche Mißverhältnis auf den Abzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG auswirkt, also auf Teilleistungen und zukünftige Leistungen im Rahmen von Abschlagszahlungen",
könnten in einem zugelassenen Revisionsverfahren theoretisch vielleicht erörtert werden. Im Hinblick auf den festgestellten Sachverhalt des angefochtenen Urteils, das nach den vorstehenden Ausführungen nicht wegen Verfahrensmangels revisibel ist, ist die Entscheidungserheblichkeit der gestellten Fragen in tatsächlicher Hinsicht völlig ungewiß. Eine Zulassung der Revision ist daher nicht gerechtfertigt (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 115 Rz. 11).
Die Entscheidung ergeht im übrigen gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Angabe von Gründen.
Fundstellen