Leitsatz (amtlich)
Voraussetzung für die Festsetzung des Streitwerts durch das Gericht auf Antrag eines Beteiligten ist das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses. Eine Beschwer ist nicht erforderlich (Klarstellung zum Beschluß des BFH vom 4. Februar 1970 I R 101/66, BFHE 97, 487, BStBl II 1970, 222).
Normenkette
FGO § 140 Abs. 3, § 146 Abs. 1
Gründe
Gemäß § 146 Abs. 1 Satz 2 FGO wird der Streitwert - falls über ihn nicht aufgrund Abs. 1 Satz 1 entschieden ist - durch Beschluß des Gerichts festgesetzt, wenn ein Beteiligter dies beantragt oder das Gericht es für angemessen hält. Im Beschluß vom 4. Februar 1970 I R 101/66 (BFHE 97, 487, BStBl II 1970, 222) hat der BFH erkannt, daß die Zulässigkeit des Antrages an ein Rechtsschutzbedürfnis gebunden ist (ebenso Beschluß vom 10. März 1972 III B 28/70, BFHE 105, 89, BStBl II 1972, 492). In dem Beschluß heißt es weiter, daß die Festsetzung des Streitwerts von einer besonderen Beschwer abhängig sei. Der III. Senat des BFH hat im Beschluß III B 28/70 die Entscheidung des I. Senats nicht in dem Sinne verstanden, daß grundsätzlich kein Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf gerichtliche Streitwertfestsetzung bestehe, weil auch der Urkundsbeamte des Gerichts den Streitwert im Rahmen der Kostenfestsetzung (§ 149 FGO) festsetzen könne.
Diese Auffassung teilt der erkennende Senat. Soweit im Beschluß I R 101/66 zum Ausdruck gebracht worden ist, Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Antrages nach § 146 Abs. 1 Satz 2 FGO sei das Vorliegen einer Beschwer, hält der Senat an der dort vertretenen Ansicht nicht fest. Erforderlich aber auch ausreichend ist für einen solchen Antrag, daß ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung durch das Gericht besteht.
Im Streitfall bestand ein solches Rechtsschutzbedürfnis an der Streitwertfestsetzung durch das Gericht. Zwischen den Beteiligten war die Höhe des Streitwerts - der nicht nur auf der Grundlage eines einfachen Rechenvorganges ermittelt werden kann - schon im Verfahren über die Hauptsache umstritten.
Hiervon abgesehen sind Fälle der vorliegenden Art in der Rechtsprechung noch nicht entschieden, so daß in der Praxis insoweit noch keine Grundsätze für eine einheitliche Streitwertbemessung besteht. Da - dies wird durch den tatsächlichen Geschehensablauf bestätigt - angesichts der vorliegenden Umstände nach einer Wertfestsetzung durch den Kostenfestsetzungsbeamten auf jeden Fall die Anrufung des Gerichts zu erwarten war, sieht der Senat keinen Anlaß, das Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen.
Fundstellen
Haufe-Index 71093 |
BStBl II 1975, 385 |
BFHE 1975, 1 |