Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit einer gleichzeitig mit der Nichtzulassungsbeschwerde eingelegten Revision
Leitsatz (NV)
Eine gleichzeitig mit der Nichtzulassungsbeschwerde eingelegte unzulässige Revision wird nicht dadurch statthaft, daß die Nichtzulassungsbeschwerde Erfolg hat.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2-3, § 116 Abs. 1
Tatbestand
Mit ihrer Klage machten die Kläger und Revisionskläger (Kläger) geltend, daß der in dem Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr gewährte Kinderfreibetrag aus verfassungsrechtlichen Gründen zu niedrig sei. Außerdem forderte die Klägerin die isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung, weil sie keinen Einspruch eingelegt habe.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab und ließ die Revision nicht zu. Das Urteil wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger am . . . zugestellt. Die Kläger legten gegen das Urteil sowohl Nichtzulassungsbeschwerde als auch Revision ein. Die Nichtzulassungsbeschwerde stützten sie auf grundsätzliche Bedeutung, Divergenz und einen Verfahrensmangel. Die Revision begründeten sie nicht. Sie beantragten in der Revisionsschrift vielmehr, die Frist zur Revisionsbegründung bis zum . . . zu verlängern.
Durch Verfügung des Vorsitzenden des erkennenden Senats wurde die Begründungsfrist für die Revision nur bis zum . . . verlängert. Die Mitteilung der Geschäftsstelle des erkennenden Senats über die Fristverlängerung durch den Vorsitzenden wurde lt. Absendevermerk am . . . an den Prozeßbevollmächtigten der Kläger abgesandt.
Die Revisionsbegründung ging am . . . beim BFH ein.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
1. Nach § 120 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Die Frist für die Revisionsbegründung kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag durch den Vorsitzenden des zuständigen Senats des BFH verlängert werden. Im Streitfall hat der Vorsitzende des erkennenden Senats die Frist zur Revisionsbegründung auf den innerhalb der Begründungsfrist gestellten Antrag der Kläger nur bis zum . . . verlängert. Bis zu diesem Zeitpunkt ist weder eine Revisionsbegründung noch ein weiterer Antrag der Kläger auf Verlängerung der Begründungsfrist eingegangen. Die Revision der Kläger genügt daher nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revision . . .
2. Der wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist unzulässigen Revision kann die im Streitfall neben der Revision eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde auch im Falle ihres Erfolges nicht zur Zulässigkeit verhelfen. Allerdings hat der I. Senat des BFH entschieden, daß eine ursprünglich nicht statthafte Revision rückwirkend zulässig wird, wenn eine neben der Revision eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde Erfolg hat (Urteil vom 28. März 1979 I R 58-59/78, BFHE 128, 135, BStBl II 1979, 650; vgl. auch Beschluß des erkennenden Senats vom 28. Oktober 1988 III B 184/86, BFHE 155, 12, BStBl II 1989, 107, und BFH-Urteil vom 5. April 1990 VII R 2/89, BFH/NV 1991, 105). Diese Entscheidung ist aber ausschließlich mit den Besonderheiten der damals noch gegebenen Streitwertrevision begründet worden, weil die Höhe des Streitwerts häufig nicht klar erkennbar ist und daher für den Verfahrensbeteiligten, der entweder nur die Revision oder nur die Nichtzulassungsbeschwerde einlegt, die Gefahr besteht, jede Rechtsmittelmöglichkeit zu verlieren. Mit diesen Besonderheiten wird in dem Urteil in BFHE 128, 135, BStBl II 1979, 650 auch die Abweichung von einem Beschluß des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. April 1975 2 R U 63/75 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1976, 32) gerechtfertigt. Da die Streitwertrevision durch Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) suspendiert ist, trägt diese Begründung die Abweichung von der Rechtsprechung des BSG nicht mehr.
Auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), auf das sich der I. Senat des BFH für seine Auffassung in dem Urteil in BFHE 128, 135, BStBl II 1979, 650 noch stützt, hat zwischenzeitlich entschieden, daß die Stattgabe einer Nichtzulassungsbeschwerde keine Auswirkungen auf eine zuvor in der Sache unzulässigerweise erhobene Revision hat (Beschluß vom 29. August 1985 3 CB 13/85, Buchholz, Sammlung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 310, § 133 VwGO Nr. 57). Der erkennende Senat folgt dieser Auffassung des BVerwG. Bei einer ohne vorherige Zulassung durch das FG oder den BFH eingelegten Revision geht es allein um die Frage, ob diese eingelegte Revision zulässig ist. Diese Frage richtet sich nach § 116 Abs. 1 FGO und nach den allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 120 FGO. Im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde wird nur darüber entschieden, ob eine Revision nach § 115 Abs. 2 FGO gegeben ist. Die Stattgabe der Nichtzulassungsbeschwerde sagt also nichts darüber aus, ob eine vor dieser Entscheidung eingelegte Revision, die sich allein auf § 116 Abs. 1 FGO stützen kann und die Voraussetzungen des § 120 FGO erfüllen muß, zulässig ist.
Der Senat weicht damit nicht von der Entscheidung des I. Senats des BFH in BFHE 128, 135, BStBl II 1979, 650 ab, da diese Entscheidung ausschließlich zur Streitwertrevision ergangen und mit dem Wegfall der Streitwertrevision überholt ist (Beermann in Ziemer / Haarmann / Lohse / Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Tz. 9875/5). Ebenso ist keine Abweichung vom BFH-Urteil in BFH/NV 1991, 105 gegeben. Diese Entscheidung sagt nichts darüber aus, daß die gleichzeitig mit der Nichtzulassungsbeschwerde eingelegte Revision unzulässig gewesen und nur durch den Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde zulässig geworden wäre. Es wird vielmehr ausdrücklich festgestellt, daß die Revision frist- und formgerecht eingelegt worden sei.
Fundstellen
Haufe-Index 417748 |
BFH/NV 1991, 57 |
BFH/NV 1992, 252 |
BFHE 1992, 182 |
BB 1991, 1776 |