Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Pflichten des Konkursverwalters einer in Konkurs gefallenen Personengesellschaft - Befugnis für Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung - gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Konkursverwalter und Gemeinschuldner
Leitsatz (amtlich)
Der Gesellschafter einer in Konkurs gefallenen Personengesellschaft hat keinen Rechtsanspruch darauf, daß das FA den Konkursverwalter mit Zwangsmitteln dazu anhält, eine Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Gewinne der Gesellschaft abzugeben.
Orientierungssatz
1. Der Konkursverwalter einer in Konkurs gefallenen Personengesellschaft hat gemäß § 34 Abs. 3 AO 1977, soweit sein in § 6 KO normiertes Verwaltungsrecht reicht, alle steuerlichen Pflichten des Gemeinschuldners zu erfüllen. Zu diesen Pflichten gehören auch die Buchführung, die Abgabe der Gewerbesteuererklärung und dem zufolge auch die Gewinnermittlung, nicht jedoch die Abgabe von Erklärungen zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung.
2. Die Befugnis für den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, daß der Antragsteller eigene Rechte gegenüber der Verwaltung verfolgt, wobei es ausreicht, daß er geltend macht, daß eine ihm unmittelbar zukommende Rechtsstellung durch das Verhalten der Verwaltung gefährdet sei. Die Rechtsvorschrift, deren Verletzung er rügt, muß auch zum Schutz seiner subjektiven Rechte bestimmt sein (vgl. Rechtsprechung: BFH, BVerwG, OVG Münster). Der Steuerpflichtige hat keinen Anspruch darauf, zur Mitwirkung (hier: zur Abgabe einer Steuererklärung durch den gesetzlichen Vertreter oder Vermögensverwalter) gezwungen zu werden.
3. Zwischen dem Konkursverwalter und dem Gemeinschuldner besteht ein gesetzliches Schuldverhältnis, das den Konkursverwalter auch zur Abgabe der nach Konkurseröffnung einzureichenden Steuererklärungen verpflichtet und bei einer Verletzung dieser Pflicht Schadensersatzansprüche auslöst (vgl. BGH-Urteil vom 29.5.1979 VI ZR 104/78). Für die Durchsetzung der Ansprüche des Steuerpflichtigen aus diesem bürgerlich-rechtlichen Schuldverhältnis sind die Zivilgerichte zuständig.
Normenkette
AO 1977 § 34 Abs. 3, § 181 Abs. 2; KO §§ 6, 82; FGO § 114; AO 1977 §§ 90, 149
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist persönlich haftender Gesellschafter der H KG, über deren Vermögen am 31.März 1988 das Konkursverfahren eröffnet worden ist. Die Erklärung zur Gewinnfeststellung 1986 wurde --vom Antragsteller unterschrieben-- im Oktober 1989 abgegeben. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) stellte einen Verlust fest. Die Erklärung zur Gewinnfeststellung 1987 ist bisher trotz einer entsprechenden Absichtserklärung des Konkursverwalters nicht abgegeben worden. Das FA erließ einen Schätzungsbescheid, in dem das Jahresergebnis der KG mit 0 DM festgestellt wurde. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Der Antragsteller gab daraufhin eine vorläufige Erklärung zur Gewinnfeststellung 1987 ab. Das FA lehnte gleichwohl eine Änderung des Schätzungsbescheides nach § 164 Abs.2 der Abgabenordnung (AO 1977) ab.
Daraufhin wandte sich der Antragsteller an das Finanzgericht (FG) mit dem Ziel, das FA im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 114 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) zu verpflichten, den Konkursverwalter zur Abgabe der Erklärung zur Gewinnfeststellung 1987 zu veranlassen.
Das FG lehnte den Antrag als unzulässig ab.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat.
Der Antragsteller beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses das FA zu verpflichten, durch geeignete Zwangsmaßnahmen den Konkursverwalter über das Vermögen der H KG anzuhalten, Feststellungserklärungen ab dem Kalenderjahr 1987 abzugeben.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Das FG hat den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
1. Es ist bereits zweifelhaft, ob --wie der Antragsteller meint-- der Konkursverwalter zur Abgabe von Erklärungen zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung für eine in Konkurs gefallene Personengesellschaft verpflichtet ist. Allerdings hat der Konkursverwalter gemäß § 34 Abs.3 AO 1977, soweit sein in § 6 der Konkursordnung (KO) normiertes Verwaltungsrecht reicht, alle steuerlichen Pflichten des Gemeinschuldners zu erfüllen (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 34 AO 1977 Tz.14 m.w.N.; Weiß, Finanz-Rundschau --FR-- 1992, 255, 256). Zu diesen Pflichten gehören auch die Buchführung für eine in Konkurs gefallene KG (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8.Juni 1972 IV R 129/86, BFHE 106, 305, BStBl II 1972, 784), die Abgabe der Gewerbesteuererklärung und demzufolge auch die Gewinnermittlung.
Dagegen gehört nach der Rechtsprechung des BFH die Durchführung der einheitlichen Gewinnfeststellung (§§ 179 ff. AO 1977) zu den konkursfreien Angelegenheiten einer Gesellschaft. Denn die Folgen der Gewinnfeststellung berühren nicht den (nach Konkursrecht abzuwickelnden) Vermögensbereich der Personengesellschaft; sie betreffen vielmehr die Gesellschafter persönlich (BFH-Urteile vom 13.Juli 1967 IV 191/63, BFHE 90, 87, BStBl III 1967, 790; vom 21.Juni 1979 IV R 131/74, BFHE 128, 322, BStBl II 1979, 780; vom 12.Dezember 1985 IV R 330/84, BFHE 145, 495, BStBl II 1986, 408; Beschluß vom 30.September 1987 VIII B 60/87, BFH/NV 1989, 441, nur Leitsatz).
Hieraus wird im steuer- und konkursrechtlichen Schrifttum gefolgert, daß der Konkursverwalter nicht zur Abgabe von Erklärungen zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung für eine in Konkurs gefallene Personengesellschaft verpflichtet ist (Tipke/Kruse, a.a.O., § 34 Tz.14 und § 180 Tz.21; Schwarz, Abgabenordnung, § 34 Rdnr.18; Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, § 6 Rdnr.46 K; Kilger, Konkursordnung, § 6 Anm.11 und § 82 Anm.3a; Schlücking, Betriebs-Berater --BB-- 1982, 917, 921; a.A.: FG Nürnberg, Beschluß vom 19.Februar 1980 V 45/80, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1980, 267; Frotscher, Steuern im Konkurs, 3.Aufl., S.52; Maus, Steuerliche Probleme des Insolvenzverfahrens, S.34; Klasmeyer/Kübler, BB 1978, 369, 372; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 3.Aufl., § 34 Anm.5). Eine Stellungnahme des BFH zu dieser Frage ist bisher noch nicht ergangen und auch im Streitfall nicht erforderlich. Denn auch wenn der Konkursverwalter zur Abgabe der Gewinnfeststellungserklärung verpflichtet sein sollte, könnte der Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 114 FGO) nicht erreichen, daß das FA diese Verpflichtung mit Zwangsmitteln durchsetzt.
2. Ein Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist ebenso wie eine Klage nach § 40 Abs.2 FGO nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch ein Verwaltungshandeln in seinen Rechten verletzt zu sein. Nach dem BFH-Beschluß vom 23.Oktober 1985 VII B 28/84 (BFHE 144, 404, BStBl II 1986, 26) setzt die Befugnis für den Antrag nach § 114 FGO voraus, daß der Antragsteller eigene Rechte gegenüber der Verwaltung verfolgt, wobei es ausreicht, daß er geltend macht, daß eine ihm unmittelbar zukommende Rechtsstellung durch das Verhalten der Verwaltung gefährdet sei (BFH-Beschluß vom 13.Oktober 1987 VII B 96/87, BFHE 151, 18, BStBl II 1988, 67). Die Rechtsvorschrift, deren Verletzung er rügt, muß auch zum Schutz seiner subjektiven Rechte bestimmt sein (BFH-Beschluß in BFHE 151, 18, BStBl II 1988, 67 m.w.N.; Bundesverwaltungsrecht --BVerwG--, Urteil vom 18.August 1960 I C 42.59, BVerwGE 11, 95, Oberverwaltungsgericht --OVG-- Münster, Urteil vom 26.Januar 1982 4 A 2586/80, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1983, 101).
Die Steuererklärungspflicht --hier die aus § 181 Abs.2 AO 1977 resultierende Pflicht zur Abgabe von Erklärungen zur gesonderten Gewinnfeststellung-- ist Ausfluß der Mitwirkungspflicht i.S. des § 90 AO 1977 (Tipke/Kruse, a.a.O., § 149 AO 1977 Tz.1). Diese Vorschrift ist nicht zum Schutz der subjektiven Rechte des Steuerpflichtigen bestimmt. Es liegt in der Natur der Sache, daß der Steuerpflichtige keinen Anspruch darauf hat, zur Mitwirkung gezwungen zu werden. Zu seinem Schutz dient in diesem Zusammenhang vielmehr der Anspruch auf die Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 91 Abs.1 AO 1977).
Nicht wesentlich anders verhält es sich, wenn der Steuerpflichtige als solcher nicht handlungsfähig ist und deshalb eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs.1 AO 1977) oder Vermögensverwalters (§ 34 Abs.3 AO 1977) bedarf, der für ihn die steuerlichen Pflichten erfüllt. Auch in diesem Fall hat der Steuerpflichtige keinen Anspruch darauf, daß sein gesetzlicher Vertreter oder Vermögensverwalter vom FA zur Abgabe von Steuererklärungen gezwungen wird; denn der Steuerpflichtige und sein Vertreter oder Vermögensverwalter gehören einer gemeinsamen Sphäre an, die im Innenverhältnis durch ein bürgerlich-rechtliches Schuldverhältnis geregelt ist. So besteht beispielsweise zwischen dem Konkursverwalter und dem Gemeinschuldner ein gesetzliches Schuldverhältnis (Jäger, Konkursordnung, 8.Auflage, Rdnr.78 5 b; Kuhn/Uhlenbruck, a.a.O., § 78 Rdnr.7, § 82 Rdnr.8), das den Konkursverwalter auch zur Abgabe der nach Konkurseröffnung einzureichenden Steuererklärungen verpflichtet und bei einer Verletzung dieser Pflicht Schadensersatzansprüche auslöst (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29.Mai 1979 VI ZR 104/78, BGHZ 74, 316, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Konkursordnung, § 82 Rechtsspruch 1).
Es ist nicht Aufgabe des FA, die Ansprüche des Steuerpflichtigen aus einem solchen bürgerlich-rechtlichen Schuldverhältnis durchzusetzen (vgl. zu der ähnlichen Interessenlage im Polizeirecht OVG Münster, Urteil vom 21.Januar 1967 IV A 925/66, Deutsches Verwaltungsblatt 1967, 546; Friauf in von Münch, Verwaltungsrecht, 9.Aufl., Rdnr.68). Der Steuerpflichtige muß vielmehr (vorläufigen) Rechtsschutz bei den Zivilgerichten suchen.
Fundstellen
Haufe-Index 64210 |
BFH/NV 1993, 17 |
BStBl II 1993, 265 |
BFHE 169, 490 |
BFHE 1993, 490 |
BB 1993, 571 (L) |
DB 1993, 620 (LT) |
DStR 1993, 475 (KT) |
DStZ 1993, 253 (KT) |
StE 1993, 132 (K) |