Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungswidrigkeit der Vermögensteuerzahlung aus dem Existenzminimum
Leitsatz (NV)
- Wird die Verfassungswidrigkeit der Vermögensteuerzahlung aus dem Existenzminimum geltend gemacht, genügt es zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nicht, wenn keine konkrete Verfassungsnorm benannt und lediglich auf die Entscheidungen des BVerfG zur Freihaltung des Existenzminimums von Einkommensteuer Bezug genommen wird.
- Wegen der vom BVerfG angeordneten Weitergeltung des Vermögensteuergesetzes bis Ende 1996 ist eine Berufung auf alle in der Entscheidung des BVerfG beanstandeten Grundrechtsverstöße ausgeschlossen; dies gilt auch für die Verletzung eines evtl. verfassungsrechtlichen Anspruchs auf Freistellung eines vermögensteuerlichen Existenzminimums.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 3 S. 3; VStG
Verfahrensgang
Hessisches FG (Urteil vom 06.12.2001; Aktenzeichen 3 K 2844/96) |
Tatbestand
I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) veranlagte den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erstmals auf den 1. Januar 1994 zur Vermögensteuer und setzte mit Bescheid vom 10. November 1995 635 DM Vermögensteuer fest. Der Kläger war vom FA zur Abgabe einer Vermögensteuererklärung aufgefordert worden, nachdem dem FA im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer erhebliche Vermögenswerte bekannt geworden waren. In seiner Erklärung zur Vermögensteuer auf den 1. Januar 1994 machte der Kläger folgende Angaben über sein steuerpflichtiges Vermögen:
Steuererstattungsanspruch (Einkommensteuer/Kapitalertragsteuer 1993): … DM
Festgeld: … DM
Sparbücher: … DM
Festverzinsliche Wertpapiere: … DM
Gewinnobligationen: … DM.
In den Jahren 1991 bis 1999 war die Einkommensteuer jeweils auf 0 DM festgesetzt und abgeführte Kapitalertragsteuer erstattet worden.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung, weil es verfassungswidrig sei, wenn Vermögensteuer aus dem Existenzminimum bestritten werden müsse.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig und daher zu verwerfen.
Der Kläger hat nicht in der erforderlichen Weise dargelegt, dass die aufgeworfene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist (§ 115 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO― i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
Wird die Verfassungswidrigkeit einer entscheidungserheblichen Rechtsvorschrift geltend gemacht, so muss erläutert werden, gegen welche Verfassungsnorm(en) die Vorschrift verstößt, inwieweit die Verfassungsfrage bereits Gegenstand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) oder des Bundesfinanzhofs (BFH) gewesen ist und ob und inwieweit hier unterschiedliche Auffassungen vertreten werden (vgl. etwa BFH-Beschluss vom 24. Juli 2000 VII B 16/00, BFH/NV 2001, 55, m.w.N.). Die Beschwerdeschrift genügt diesen Anforderungen nicht.
Aus der Beschwerdeschrift ergibt sich zum einen nicht, welche konkrete Vorschrift gegen die Verfassung verstoßen soll. Zum anderen wird nicht erläutert und dargelegt, gegen welche Verfassungsnormen verstoßen wird. Der Kläger nennt einzig Art. 14 des Grundgesetzes. Er legt allerdings nicht dar, warum die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, die nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG die Auferlegung von Geldleistungspflichten grundsätzlich unberührt lässt und nur ausnahmsweise verletzt ist, wenn der Steuerpflichtige übermäßig belastet oder in seinen Vermögensverhältnissen grundlegend beeinträchtigt wird (vgl. etwa BVerfG-Entscheidungen vom 3. Mai 1995 1 BvR 1176/88, BStBl II 1995, 758; vom 29. November 1989 1 BvR 1402/87, BVerfGE 81, 108, BStBl II 1990, 478), im Streitfall verletzt sein soll. Soweit die Entscheidung des BVerfG vom 25. September 1992 2 BvL 5/91 u.a. (BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413) angezogen wird, wird nicht dargelegt, warum diese Entscheidung, die zum verfassungsrechtlichen Gebot, das Existenzminimum von der Einkommensteuer freizustellen, ergangen ist, für die Vermögensteuer gelten solle.
Die Beschwerdebegründung enthält auch keine Angaben zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der Verfassungsfrage. Die Beschwerdeschrift lässt nicht erkennen, ob und wie der Kläger in seinem Existenzminimum berührt ist. Es wird weder die steuerliche Belastung des Klägers noch werden seine für den Lebensunterhalt verfügbaren Mittel noch das benannt, was ihm nach Steuerzahlung für seinen Lebensunterhalt verbleibt.
Der Kläger könnte sich im Übrigen auch nicht auf die Verletzung eines evtl. verfassungsrechtlichen Anspruchs auf Freistellung eines vermögensteuerlichen Existenzminimums berufen, weil nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats das BVerfG die Weitergeltung des Vermögensteuergesetzes bis Ende 1996 angeordnet und damit die Berufung auf alle in der Entscheidung beanstandeten Verstöße des bis dahin geltenden Vermögensteuerrechts gegen die Grundrechte ausgeschlossen hat (so Entscheidungen des BFH vom 29. Oktober 1997 II B 67/97, BFH/NV 1998, 361; vom 19. Mai 1998 II B 14/98, BFH/NV 1998, 1275; vom 6. August 1998 II B 53/98, BFH/NV 1999, 228; vom 30. September 1998 II R 47/97, BFH/NV 1999, 452; vom 30. Juni 1999 II B 110/98, BFH/NV 1999, 1653, sowie vom 23. Oktober 2000 II B 157/99, BFH/NV 2001, 498).
Fundstellen
Haufe-Index 1126296 |
BFH/NV 2004, 677 |