Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde: Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen
Leitsatz (NV)
- Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ist nicht ausreichend dargelegt, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage ausschließlich an die tatsächlichen Vorkommnisse anknüpft, die das FG im Rahmen der rechtlichen Würdigung zur Haftungsbegründung herangezogen hat.
- Zu den Anforderungen an die Bezeichnung einer Divergenz.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, Abs. 3 S. 3
Tatbestand
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) nahm den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wegen rückständiger Umsatzsteuern 1981 einer KG in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH mit Haftungsbescheid gestützt auf §§ 34, 69 der Abgabenordnung (AO 1977) in Anspruch.
Mit seiner dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage machte der Kläger geltend, dass er die ihm als Geschäftsführer obliegenden steuerlichen Pflichten nicht grob fahrlässig verletzt habe. Er sei zwar für das Finanz- und Rechnungswesen der KG zuständig gewesen, gleichwohl sei es ihm angesichts seiner erheblichen Arbeitsbelastung nicht möglich gewesen, seiner Überwachungspflicht in vollem Umfang nachzukommen. Er habe vielmehr darauf vertrauen können, dass die von ihm eingesetzten langjährigen, fachkundigen und stets zuverlässig arbeitenden Mitarbeiter der Finanzbuchhaltung sowie der eingeschaltete Wirtschaftsprüfer die steuerlichen Pflichten ordnungsgemäß erfüllen würden.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Der Kläger habe die mit den steuerlichen Angelegenheiten betrauten Personen nur mangelhaft überwacht, was ihm regelmäßig als grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei. Der Kläger habe einfache Überwachungsmaßnahmen, die zur Vermeidung der Pflichtverletzung geführt hätten und ihm auch trotz der starken Arbeitsbelastung möglich gewesen wären, nicht durchgeführt.
Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision gegen das finanzgerichtliche Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und wegen Divergenz.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen, weil weder eine über den konkreten Einzelfall hinausreichende grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO― in der nach Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze ―2.FGOÄndG― vom 19. Dezember 2000 insoweit noch anzuwendenden bisherigen Fassung ―a.F.―) noch die Abweichung des Urteils des FG von in der Beschwerdeschrift bezeichneten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs ―BFH― (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F.) entsprechend den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. dargelegt worden ist.
1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F., wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (BFH-Beschluss vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605), die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. die Hinweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, § 115 Rz. 8 ff.). Nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Beschwerdeschrift schlüssig und substantiiert dargelegt werden. Dazu ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtssprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). Insoweit sind Angaben dazu erforderlich, inwiefern die richtige Antwort auf die in dem angestrebten Revisionsverfahren zu klärende Rechtsfrage zweifelhaft ist, in welchem Umfang und aus welchen Gründen sie umstritten ist und welche unterschiedlichen Auffassungen zu ihr in der Rechtsprechung oder im Schrifttum vertreten werden (Klärungsbedürftigkeit, vgl. BFH-Beschlüsse vom 21. August 1986 V B 46/86, BFH/NV 1987, 171, und vom 17. Dezember 1998 VII B 239/97, BFH/NV 1999, 1093).
Die Beschwerdeschrift wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Den Ausführungen fehlt es bereits an einer hinreichenden Darlegung, inwieweit die aufgeworfene Rechtsfrage über den konkreten Einzelfall hinaus für eine Vielzahl gleichartiger Fälle von Bedeutung ist und damit das Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BFH-Beschluss vom 26. September 1991 VIII B 41/91, BFHE 165, 287, BStBl II 1991, 924; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Anm. 7, mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung). Die vom Kläger aufgeworfenen Fragen, in welchem Umfang eine Überwachungspflicht des Geschäftsführers besteht, wenn ein Wirtschaftsprüfer von vornherein an dem Abschluss und der weiteren Abwicklung eines nicht alltäglichen Geschäfts beteiligt ist, und inwieweit die grobe Fahrlässigkeit des Geschäftsführers bei nicht einfacher Rechtslage und außerordentlich starker beruflicher Belastung entfällt, sofern der Geschäftsführer sich auf eine ordnungsgemäße Erfüllung verlassen konnte, lassen eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung nicht erkennen. Der Kläger knüpft mit seiner aufgeworfenen Rechtsfrage ausschließlich an die tatsächlichen Vorkommnisse an, welche das FG im Rahmen der rechtlichen Würdigung der dem Kläger vorgeworfenen grob fahrlässigen Pflichtverletzung herangezogen hat. Damit beziehen sich die aufgeworfenen Rechtsfragen dem Grunde nach auf die Entscheidung dieses konkreten Einzelfalls. Ebenso fehlt es in der Beschwerdeschrift an der substantiierten Darlegung, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfragen die Entscheidung über die im Streitfall maßgebliche Frage abhängt. Das FG begründet in seiner Entscheidung die grob fahrlässige Pflichtverletzung mit einem Überwachungsverschulden des Klägers bezüglich der ihm unterstellten Buchhaltung, insbesondere der ihr vorstehenden Prokuristin. Inwieweit nunmehr die von dem Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, die an die Einschaltung eines Wirtschaftsprüfers anknüpft, im Hinblick auf dieses Überwachungsverschulden von Relevanz sein soll, hätte einer näheren Darlegung bedurft. Auch fehlen der Beschwerdeschrift jegliche Auseinandersetzung mit der bereits vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung (s. dazu die umfangreichen Rechtsprechungshinweise in dem FG-Urteil) zu der von ihm als grundsätzlich und daher klärungsbedürftig erachteten Frage sowie Ausführungen dazu, weshalb diese Rechtsprechung seiner Ansicht nach bisher keine Klärung gebracht hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 26. November 1986 II B 112/86, BFH/NV 1988, 304; vom 5. November 1998 VIII B 18/98, BFH/NV 1999, 513; vom 6. Februar 1998 III B 57/97, BFH/NV 1998, 1257).
2. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F. ist die Revision zuzulassen, wenn das angefochtene Urteil von einer Entscheidung des BFH oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Die Bezeichnung einer Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. verlangt, dass eine Divergenzentscheidung genau bezeichnet und dargetan wird, dass das vorinstanzliche Gericht seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit der angeblichen Divergenzentscheidung nicht übereinstimmt. Die Beschwerde muss die voneinander abweichenden Rechtssätze des angefochtenen Urteils und der mutmaßlichen Divergenzentscheidung herausarbeiten und gegenüberstellen. Es muss sich jeweils um die Entscheidung tragende Rechtssätze handeln (vgl. BFH-Beschluss vom 23. April 1992 VIII B 49/90, BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671, 672, m.w.N.).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift nicht. Sie legt nicht dar, welchen abstrakten Rechtssatz das FG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, und inwieweit eine Abweichung von den Rechtssätzen vorliegt die der BFH den in der Beschwerdeschrift genannten Entscheidungen zugrunde gelegt hat. Des Weiteren lässt sich der zur Begründung der Divergenzrüge vom Kläger herausgestellte Rechtssatz, dass der Geschäftsführer sich auf die korrekte Abwicklung durch den eingeschalteten Steuerberater/Wirtschaftsprüfer verlassen darf, der angeblichen Divergenzentscheidung (BFH-Urteil vom 27. November 1990 VII R 20/89, BFHE 163, 106, BStBl II 1991, 284) nicht entnehmen. Ebenso wenig wird dieser Rechtssatz in der angeblichen weiteren Divergenzentscheidung (BFH-Urteil vom 30. August 1994 VII R 101/92, BFHE 175, 509, BStBl II 1995, 278) so aufgestellt. In der Entscheidung wird vielmehr ausgeführt, dass der Geschäftsführer einer GmbH, der die Sachkunde eines ihm als zuverlässig bekannten ―und als Angehöriger eines rechts- oder steuerberatenden Berufs befugten― steuerlichen Beraters in Anspruch nimmt, sich auf diesen verlässt und bei gewissenhafter Ausübung seiner Überwachungspflichten keinen Anlass findet, die steuerliche Korrektheit der Arbeit des steuerlichen Beraters in Frage zu stellen, im Hinblick auf die ihm durch § 34 AO 1977 als Vertreter auferlegten Pflichten nicht grob fahrlässig handelt. Entgegen der Behauptung der Beschwerde lässt sich dem angegriffenen Urteil der Vorinstanz kein Rechtssatz entnehmen, der zu diesen Grundsätzen in Widerspruch stünde.
Gleiches gilt, soweit der Kläger auf den in dem BFH-Urteil in BFHE 163, 106, BStBl II 1991, 284 enthaltenen Rechtssatz abstellt, dass bei unterlassener Überwachung eines sorgfältig ausgewählten Mitarbeiters ein haftungsbegründendes grob fahrlässiges Verhalten in der Regel nur dann vorliegt, wenn die Überwachungsmaßnahmen, zu deren Vornahme im Einzelfall Anlass bestand, auch geeignet gewesen wären, die Beanstandungen zu verhindern. Auch insoweit lässt sich der Vorinstanz kein Rechtssatz entnehmen, der zu diesen Grundsätzen in Widerspruch stünde.
Im Kern rügt der Kläger die fehlerhafte Rechtsanwendung in der Entscheidung der Vorinstanz. Dadurch wird ein Zulassungsgrund nicht bezeichnet (BFH-Beschluss vom 9. Februar 1996 VIII B 1/95, BFH/NV 1996, 617).
Fundstellen