Entscheidungsstichwort (Thema)
Unvereinbarkeit des Steuerberaterberufs mit Angestelltentätigkeit
Leitsatz (NV)
Die Fragen, ob die Inkompatibilitätsregelung des § 57 Abs. 4 StBerG mit der durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Freiheit der Berufswahl und im Hinblick auf anders lautende Inkompatibilitätsregelungen für Rechtsanwälte mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, sind höchstrichterlich geklärt. Die Rechtsprechung ist auch nicht deshalb überholt, weil inzwischen viele Rechtsanwaltskanzleien geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1; StBerG § 57 Abs. 4 Nr. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Nachgehend
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), der im Jahr 2002 als Steuerberater bestellt wurde, ist Angestellter bei der einer Bank und dort steuerberatend tätig. Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Steuerberaterkammer) nahm diese Beschäftigung zum Anlass, die Bestellung des Klägers als Steuerberater gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) zu widerrufen. Die hiergegen erhobene Klage des Klägers blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass der Widerruf zu Recht erfolgt sei, da die Tätigkeit des Klägers als Arbeitnehmer nach § 57 Abs. 4 Nr. 2 StBerG als eine mit dem Beruf des Steuerberaters nicht vereinbare Tätigkeit gelte. Es bestünden auch keine Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der maßgebenden Vorschriften.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt. Grundsätzlich klärungsbedürftig seien die Fragen, ob es gegen das Recht auf Berufswahlfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstoße, wenn die Bestellung als Steuerberater wegen des Anstellungsverhältnisses bei einem Nicht-Berufsangehörigen widerrufen werde, ob insoweit der Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG verletzt werde, weil es vergleichbare Rechtsnormen für Rechtsanwälte nicht gebe, und ob § 46 Abs. 2 Nr. 1 StBerG verfassungskonform dahin ausgelegt werden könne, dass die Tätigkeit des Steuerberaters als Arbeitnehmer nicht notwendig zum Widerruf der Bestellung führe.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund nicht vorliegt. Die von der Beschwerde bezeichneten Rechtsfragen sind nicht grundsätzlich klärungsbedürftig.
Dass die mit § 57 Abs. 4 StBerG getroffene Inkompatibilitätsregelung mit der durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Freiheit der Berufswahl vereinbar ist, ist bereits höchstrichterlich entschieden (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 15. Februar 1967 1 BvR 569, 589/62, BVerfGE 21, 173; vom 25. Juli 1967 1 BvR 585/62, BVerfGE 22, 275; Senatsurteile vom 5. September 1978 VII R 50/77, BFHE 126, 346, BStBl II 1979, 202; vom 4. August 1987 VII R 169/85, BFHE 150, 272, BStBl II 1987, 790; vom 9. Februar 1993 VII R 89/92, BFH/NV 1993, 693). Sachgerechte Erwägungen des Gemeinwohls rechtfertigen es, die Ausübung der Steuerberatertätigkeit zu untersagen, wenn der Steuerberater in einer nach dem Steuerberatungsrecht nicht erlaubten Weise als Arbeitnehmer tätig wird. Wegen der mit einer fremdbestimmten Tätigkeit verbundenen zeitlichen, örtlichen und inhaltlichen Bindung ist jede Arbeitnehmertätigkeit --mit Ausnahme der hier nicht vorliegenden gesetzlichen Ausnahmefälle (§ 57 Abs. 3 Nr. 4, § 58, § 59 StBerG)-- mit dem Beruf des Steuerberaters, der nach § 57 Abs. 1 StBerG unabhängig auszuüben ist, nicht zu vereinbaren. Die Inkompatibilitätsregelung ist auch nicht unzumutbar, weil der Steuerberater bei seiner Berufswahl die Inkompatibilität kennt und berücksichtigen kann. Wenn der Steuerberater die Vorteile in Anspruch nimmt, die das Gesetz allgemein für seinen Beruf mit sich bringt, muss er wirtschaftliche Nachteile in Kauf nehmen, die sich daraus ergeben können, dass der Gesetzgeber Vorschriften erlassen hat, die gerade der Hebung der sozialen Stellung des Berufs durch Stärkung seiner Unparteilichkeit und Unabhängigkeit dienen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 21, 173).
Auch hat der Senat bereits entschieden, dass die Unvereinbarkeitsregelung in § 57 Abs. 4 Nr. 2 StBerG nicht deshalb gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, weil bei Rechtsanwälten gemäß § 7 Nr. 8 und insbesondere § 46 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) eine solche strenge Inkompatibilität einer Arbeitnehmertätigkeit nicht besteht, diese also auch als Syndikusanwalt zugelassen werden können. Denn es bestehen zwischen der Berufsausübung eines Rechtsanwalts und der eines Steuerberaters im Allgemeinen wesentliche Unterschiede insoweit, als der Steuerberater über einen gegebenen Einzelfall hinaus meist eingehende und umfassende Kenntnisse über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse --einschließlich der beruflichen Tätigkeit, der Betriebsverhältnisse und dgl.-- seiner Mandanten benötigt, um sie richtig beraten und ihre Interessen in vollem Umfang wahrnehmen zu können. Für das Tätigwerden eines Rechtsanwalts sind derartige Kenntnisse in der Regel nicht erforderlich, auch wenn sie gemäß § 3 Nr. 1 StBerG Hilfe in Steuersachen leisten; denn diese bezieht sich bei Rechtsanwälten in der Regel auf die Beratung und Prozessvertretung in steuerrechtlichen Einzelfragen, während sie bei Steuerberatern meist eine umfassende steuerliche Beratung --einschließlich Gewinnermittlung und Erstellung der gesamten Steuererklärungen-- häufig im Sinne eines Dauermandats umfasst. Wenn ein Steuerberater sich neben diesem Beruf noch als Arbeitnehmer betätigt, so ist grundsätzlich nicht auszuschließen, dass er aufgrund seiner umfassenden Kenntnisse über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seines Mandanten bei der Erledigung seiner Aufgaben als Arbeitnehmer in Interessenkollision gerät (Senatsurteile in BFHE 126, 346, BStBl II 1979, 202, und in BFH/NV 1993, 693).
Dass die höchstrichterlich bereits beantworteten Fragen nach wie vor umstritten sind, weil neue gewichtige, bislang nicht geprüfte Einwände in der Literatur und/oder in der Rechtsprechung der Instanzgerichte gegen die höchstrichterliche Auffassung erhoben werden, ist nicht ersichtlich. Lediglich einevon der Beschwerde angeführte in der Literatur vertretene Auffassung, die es für fraglich hält, ob die Sicherung der Eigenverantwortlichkeit und Selbständigkeit des Steuerberaters außerhalb seines Anstellungsverhältnisses nicht auch durch Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber bewirkt werden können (Späth, Bonner Handbuch der Steuerberatung, § 58 StBerG Rz. B 845.3), macht die Rechtsansicht des BVerfG zu den Inkompatibilitätsvorschriften des StBerG nicht überprüfungsbedürftig.
Auch beruft sich die Beschwerde ohne Erfolg auf die BVerfG-Beschlüsse vom 4. November 1992 1 BvR 79/85, 643/87, 442/89, 238, 1258/90, 772, 909/91 (BVerfGE 87, 287) und vom 5. November 2001 1 BvR 1523/00 (Neue Juristische Wochenschrift 2002, 503). Jene Entscheidungen betrafen Vorschriften der BRAO betreffend die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und den Widerruf der Zulassung, falls eine Tätigkeit ausgeübt wird, die mit dem Beruf eines Rechtsanwalts oder mit dem Ansehen der Rechtsanwaltschaft nicht vereinbar ist, bzw. ein Tätigkeitsverbot von Rechtsanwälten gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 1 BRAO, wonach der Rechtsanwalt, der in einem ständigen Dienst- oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnis Rechtsrat erteilt und insoweit rechtsbesorgend tätig geworden ist, nicht in derselben Angelegenheit als Rechtsanwalt tätig werden darf. Anders als die Beschwerde meint, lassen sich die Erwägungen des BVerfG nicht auf die für Steuerberater geltenden Unvereinbarkeitsregelungen übertragen.
Zum einen enthalten § 57 Abs. 4 Nr. 2 i.V.m. § 57 Abs. 3 Nr. 4, § 58, § 59 StBerG eine genaue Aufzählung der Arbeitnehmertätigkeiten, die mit dem Beruf des Steuerberaters vereinbar bzw. nicht vereinbar sind, während der unbestimmte Rechtsbegriff der "Vereinbarkeit" nach der BRAO im Einzelfall vom Gericht anzuwenden ist und das BVerfG dementsprechend im Einzelfall zu prüfen hatte, ob das betreffende Gericht dabei die Tragweite des Art. 12 Abs. 1 GG ausreichend berücksichtigt hatte. Zum anderen hat das BVerfG bereits in seinem Beschluss in BVerfGE 21, 173 auf die Unterschiede zwischen der Tätigkeit des Rechtsanwalts und des Steuerberaters hingewiesen und ausgeführt, dass die besonderen Bedingungen, unter denen der Steuerberater seine Berufsaufgaben zu erledigen hat, insbesondere die dabei erworbenen Kenntnisse von internen Geschäftsvorgängen der Betriebe seiner Mandanten, eine Berufskombination des freien Berufs des Steuerberaters (§ 32 Abs. 2 StBerG) mit einer gewerblichen Tätigkeit oder einer Tätigkeit als Arbeitnehmer noch weniger erträglich machen als bei anderen freien Berufen. Unterschiedliche Regelungen über die Vereinbarkeit einer Arbeitnehmertätigkeit mit dem freien Beruf des Steuerberaters bzw. des Rechtsanwalts können deshalb --wie der Senat bereits mit seinen Urteilen in BFHE 126, 346, BStBl II 1979, 202, und in BFH/NV 1993, 693 ausgeführt hat-- nicht als willkürlich bezeichnet werden. Anhaltspunkte, dass das BVerfG seine Rechtsauffassung nunmehr geändert hat und hinsichtlich berufsrechtlicher Inkompatibilitätsvorschriften eine Gleichbehandlung von Rechtsanwälten und Steuerberatern für geboten hält, sind nicht ersichtlich.
Anders als die Beschwerde meint, ist die Rechtsprechung des BVerfG und des Senats auch nicht deshalb überholt, weil inzwischen viele Rechtsanwaltskanzleien geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten und in Kerngebieten der steuerberatenden Tätigkeit mit Steuerberatern im Wettbewerb stehen. Der Senat hat bereits mit seinem Urteil in BFH/NV 1993, 693 ausgeführt, dass durch den Umstand, dass sich die Bereiche Steuerberatung und allgemeine Rechtsberatung teilweise überschneiden, die für die beiden Berufsgruppen jeweils unterschiedliche Gefahr von Interessenkollisionen bei gleichzeitiger Arbeitnehmertätigkeit nicht berührt wird, da hierfür die praktische Berufsausübung, wie sie sich in ihrer typischen Form darstellt, maßgebend ist. Auch ist der Gesetzgeber befugt, von der Besonderheit gleich liegender Verhältnisse, wo diese im Einzelfall bestehen, abzusehen und typisierende Regelungen zu erlassen, wobei er im Rahmen der gesetzlichen Fixierung von Berufsbildern durch Schaffung von Vereinbarkeitsregelungen auch beruflichen Traditionen, wie der des Syndikusanwalts --für die es Vergleichbares bei den Steuerberatern nicht gibt-- Rechnung tragen kann. Warum diese Erwägungen nicht mehr gerechtfertigt sein sollen, ist nach dem Beschwerdevorbringen nicht erkennbar. Feststellungen, dass sich die praktische Berufsausübung des Steuerberaters, wie sie sich in ihrer typischen Form darstellt, zwischenzeitlich gewandelt hat, lassen sich dem FG-Urteil nicht entnehmen. Für die vom Kläger vertretene Auffassung spricht insbesondere nicht, dass --wie die Beschwerde geltend macht-- der Gesetzgeber beabsichtigt, im Wege einer Gesetzesänderung die Möglichkeit einer Tätigkeit als "Syndikus-Steuerberater" zu schaffen. Art. 3 Abs. 1 GG gibt dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum (vgl. Senatsurteil in BFHE 126, 346, BStBl II 1979, 202, m.w.N.). Sollte der Gesetzgeber die berufsrechtlichen Inkompatibilitätsvorschriften der Rechtsanwälte und Steuerberater insoweit angleichen wollen, kann daraus nicht geschlossen werden, dass er in den bisherigen Regelungen eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung sieht.
Fundstellen
Haufe-Index 1560792 |
BFH/NV 2006, 1888 |
DStR 2006, 2147 |
DStRE 2006, 1564 |