Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortsetzung des Rechtsstreits bei Streit über abgegebene Erledigungserklärungen
Leitsatz (NV)
1. Ergeht eine isolierte Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 1 FGO und entsteht zeitlich anschließend Streit darüber, ob übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben wurden, so muß das Verfahren fortgesetzt werden. Es ist durch Urteil darüber zu entscheiden, ob der Rechtsstreit entweder durch Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen oder aber durch Erlaß des begehrten Steuerbescheides in der Hauptsache erledigt war.
2. Der Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens kann kein Mittel sein, um die an sich unanfechtbare Kostenentscheidung des FG gemäß § 138 Abs. 1 FGO einer im Gesetz nicht vorgesehenen Überprüfung durch den BFH zu unterziehen.
Normenkette
FGO §§ 137, 138 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) ist eine Kapitalgesellschaft schweizerischen Rechts mit Sitz in X (Schweiz), die vor dem Finanzgericht (FG) Klage gegen den Beklagten und Beschwerdeführer (Bundesamt für Finanzen -- BfF --) wegen Erlasses eines Bescheides über die Freistellung vom Steuerabzug gemäß § 50 a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erhoben hatte. Sie legte in dem Klageverfahren zwei Bescheinigungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung vor, die das BfF zum Anlaß für eine Mitteilung im Schriftsatz vom 12. Mai 1993 nahm, daß es den von der Klägerin begehrten Freistellungsbescheid nunmehr erlassen und ihn der Klägerin direkt übersenden wolle. In einem weiteren Schriftsatz vom 12. August 1993 beantragte das BfF, die Kosten des Verfahrens gemäß § 137 der Finanzgerichtsordnung (FGO) der Klägerin aufzuerlegen. Die Klägerin beantragte ihrerseits mit Schriftsatz vom 31. August 1993, die Kosten des Verfahrens dem BfF aufzuer legen.
Das FG entschied durch Beschluß des Berichterstatters vom 2. September 1993 gemäß §§ 79 a Abs. 1 Nrn. 3 und 5, Abs. 4 und 138 Abs. 1 FGO nur noch über die Kosten des nach seiner Auffassung in der Hauptsache erledigten Rechtsstreits. Es auferlegte die Kosten dem BfF. Der Schriftsatz der Klägerin vom 31. August 1993 wurde dem BfF erst zusammen mit dem Beschluß vom 2. September 1993 übersandt. Er ging dem BfF erst am 30. September 1993 zu.
Mit Schriftsatz vom 11. Oktober 1993 beantragte das BfF festzustellen, daß der Rechtsstreit noch nicht abgeschlossen sei. Diesen Antrag lehnte das FG durch Beschluß vom 29. Oktober 1993 in der Besetzung mit drei Berufsrichtern ab. Der Ablehnungsbeschluß ging dem BfF am 24. November 1993 zu. Es legte am 3. Dezember 1993 beim FG Beschwerde ein, der das FG nicht abgeholfen hat und zu dessen Begründung die Existenz einer vom BfF abgegebenen Erledigungserklärung bestritten wird.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Beschlusses vom 29. Oktober 1993 und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Ergeht eine isolierte Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 1 FGO und entsteht zeitlich anschließend Streit darüber, ob übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben wurden, so muß das Verfahren fortgesetzt werden. Das FG hat im Rahmen der Verfahrensfortsetzung gegebenenfalls durch ein feststellendes Urteil darüber zu entscheiden, ob der Rechtsstreit entweder durch Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen oder aber durch Erlaß des begehrten Steuerbescheides in der Hauptsache erledigt war (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 2. Dezember 1982 IV B 35/82, BFHE 137, 393, BStBl II 1983, 332; vom 4. April 1990 IV B 126/88, BFH/NV 1991, 550). Bejahendenfalls ist eine Kostenentscheidung nach § 135 Abs. 1 FGO zu treffen, die an die Stelle der Kostenentscheidung aus dem Beschluß vom 2. September 1993 treten würde. Verneinendenfalls ist in der Hauptsache über den von der Klägerin zuletzt gestellten Antrag mit der sich daraus ergebenden Kostenfolge zu entscheiden. Für die Anwendung des § 137 FGO ist kein Raum, wenn das FG zu dem Ergebnis kommen sollte, daß entweder übereinstimmende Erledigungserklärungen tatsächlich abgegeben waren oder in tatsächlicher Hinsicht eine Erledigung der Hauptsache eingetreten war.
Der Senat weist vorsorglich darauf hin, daß der Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens kein Mittel sein kann, um die an sich unanfechtbare Kostenentscheidung des FG gemäß § 138 Abs. 1 FGO einer im Gesetz nicht vorgesehenen Überprüfung durch das FG oder den BFH zu unterziehen. Sollte deshalb das BfF im weiteren Verfahrensablauf die bisher nach seiner Auffassung noch nicht abgegebene Erledigungserklärung nachholen, so würde das FG zwar schon mit Rücksicht auf die inzwischen angefallenen Kosten des Beschwerdeverfahrens formell eine neue Kostenentscheidung treffen müssen. Materiellrechtlich wäre es jedoch zumindest dann an seinen Beschluß vom 2. September 1993 gebunden, wenn es an seiner Rechtsauffassung festhalten sollte, daß das BfF tatsächlich spätestens mit Schriftsatz vom 12. August 1993 eine Erledigungserklärung abgegeben hatte. Bei der zu treffenden Kostenentscheidung ist § 8 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes zu beachten.
Die Vorentscheidung entspricht schon deshalb nicht den hier wiedergegebenen Rechtsgrundsätzen, weil das FG die Verfahrensfortsetzung durch Beschluß abgelehnt hat. Auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung im übrigen hätte es in einem Urteil die Erledigung der Hauptsache durch übereinstimmend abgegebene Erledigungserklärungen feststellen müssen. Die Vorentscheidung kann deshalb keinen Bestand haben. Sie war aufzuheben. Über den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens kann nur das FG entscheiden. Deshalb war die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 420085 |
BFH/NV 1995, 331 |