Leitsatz (amtlich)
Werden Folgebescheide wegen eines durch den Grundlagebescheid entschiedenen Punktes unzulässigerweise angefochten, so kommt die gesetzliche Kostenregelung des § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht zur Anwendung, wenn der Folgebescheid lediglich deswegen geändert wird, weil der Grundlagebescheid geändert worden ist.
Normenkette
FGO § 138 Abs. 2 S. 1, Abs. 1
Tatbestand
Die Steuerpflichtigen wendeten sich mit der als Klage zu behandelnden Sprungberufung gegen die auf Grund einer Betriebsprüfung berichtigten Einkommensteuer- und Kirchensteuerbescheide für die Kalenderjahre 1951 bis 1958. Von den Bescheiden betrafen den Ehemann die Bescheide für die Kalenderjahre 1951 bis 1957, die Ehefrau ein Einkommensteuer- und ein Kirchensteuerbescheid für das Jahr 1957 und die Eheleute gemeinsam ein Einkommensteuer- und ein Kirchensteuerbescheid für das Jahr 1958.
Das FG gab der Klage in der Einkommensteuersache für die Kalenderjahre 1951 und 1952 in vollem Umfang, für die Kalenderjahre 1953 und 1954 sowie 1956 bis 1958 teilweise statt und wies die Klage für 1955 als unbegründet zurück. Die Klage gegen den Einkommensteuerbescheid für 1957 nahm die Ehefrau in der mündlichen Verhandlung vor dem FG zurück. Über die Kirchensteuer 1951 bis 1958 entschied das FG nicht, da die Steuerpflichtigen das FG gebeten hatten, von einer Entscheidung abzusehen; das FA möge die erforderlichen Berichtigungen später von Amts wegen im Wege der Anpassung vornehmen.
Das FA setzte die Kirchensteuer entsprechend den im Urteil des FG festgesetzten Einkommensteuerbeträgen durch Bescheid vom 8. Juni 1967 herab. Der Ehemann nahm danach seine Klage gegen den Kirchensteuerbescheid 1955 und die Ehefrau ihre Klage gegen den Kirchensteuerbescheid 1957 zurück. Im übrigen erklärten die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit über die Kirchensteuer in der Hauptsache für erledigt.
Das FG stellte durch Beschluß, der in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1968 S. 90 veröffentlicht ist, die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache fest und erlegte die Kosten des Verfahrens nach § 138 Abs. 1 FGO den Steuerpflichtigen auf. Es führte aus, § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO sei nicht anzuwenden, da dem Antrag der Steuerpflichtigen nicht in vollem Umfang stattgegeben worden sei. Bei der Entscheidung nach § 138 Abs. 1 FGO sei zu berücksichtigen, daß die Klage teilweise unzulässig und, soweit sie zulässig gewesen sei, teilweise unbegründet gewesen sei. Soweit die Klage gegen die gegen den Ehemann ergangenen Kirchensteuerbescheide 1956 und 1957 und gegen den gegen die Eheleute gemeinsam ergangenen Kirchensteuerbescheid 1958 gerichtet gewesen sei, sei sie unzulässig gewesen, weil die Steuerpflichtigen sich lediglich gegen die Besteuerungsgrundlagen der Einkommensteuer gewendet hätten. Soweit die Klage gegen die Kirchensteuerbescheide 1951 bis 1954 erhoben worden sei, sei sie zwar zulässig, aber nur teilweise begründet gewesen. Der mit der Klage geltend gemachte Einwand der Verjährung greife nur für die Kalenderjahre 1951 und 1952 durch. Da das FA nur zu einem geringen Teil, nämlich hinsichtlich der Kirchensteuer für 1951 und 1952 unterlegen sei, hätten die Steuerpflichtigen die gesamten Kosten des Verfahrens zu tragen.
Mit der Beschwerde rügen die Steuerpflichtigen, daß das FG über die Kosten nicht insoweit nach § 138 Abs. 2 FGO entschieden habe, als sich der Rechtsstreit durch die Änderung der angefochtenen Bescheide in der Hauptsache erledigt habe. Diese Vorschrift müsse auch dann angewendet werden, wenn und soweit die beklagte Verwaltungsbehörde die Steuerpflichtigen teilweise durch Rücknahme oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts klaglos gestellt habe. Allein die Tatsache, daß sich die Klage durch Rücknahme des Verwaltungsakts ganz oder teilweise erledigt habe, führe zur Kostenfolge des § 138 Absatz 2 FGO unabhängig davon, ob die Klage begründet gewesen sei oder nicht.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde ist unbegründet.
Das FG hat die Kirchensteuerbescheide auf Grund der maßgeblichen kirchensteuerrechtlichen Vorschriften zutreffend als Folgebescheide der Einkommensteuerbescheide bezeichnet. Die Steuerpflichtigen teilten offenbar diese Rechtsansicht, als sie in der mündlichen Verhandlung vor dem FG erklärten, daß das FG von einer Entscheidung hinsichtlich der Kirchensteuer absehen und daß das FA später die erforderlichen Berichtigungen von Amts wegen im Wege der Anpassung vornehmen möge.
Das FG hat mit Recht diese Erklärung der Steuerpflichtigen nicht als Klagerücknahme angesehen. Die Steuerpflichtigen haben ausdrücklich die Klage nur für die Jahre 1955 und 1957 zurückgenommen. Ihre Erklärung vor dem FG konnte nur dahin verstanden werden, daß das Verfahren in den Kirchensteuersachen zunächst nicht durch eine gerichtliche Entscheidung, sondern möglichst außergerichtlich erledigt werden sollte.
Bei einer außergerichtlichen Erledigung des Rechtsstreits ist nach § 138 FGO über die Kosten zu entscheiden. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift gelten die übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei, ohne Rücksicht auf die wirkliche Erledigung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht als gesetzlicher Erledigungsgrund (Beschluß des BFH I B 56/67 vom 21. Februar 1968, BFH 91, 521, BStBl II 1968, 414). Tritt die Erledigung des Rechtsstreits dadurch ein, daß die Behörde dem Antrag der Steuerpflichtigen stattgibt, indem sie den angefochtenen Verwaltungsakt zurücknimmt oder ändert, so hat nach § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO die Behörde die Kosten zu tragen. Eine Entscheidung nach billigem Ermessen kommt dann nicht in Betracht.
Im Verhältnis von Grundlagebescheid zum Folgebescheid kann, soweit es sich um einen im Grundlagebescheid entschiedenen Punkt handelt, nur der Grundlagebescheid angefochten und also nur dieser Rechtsstreit durch Rücknahme oder Änderung sachlich erledigt werden. Die Änderung des Folgebescheids ist von Amts wegen vorzunehmen. Die dadurch eintretende "Erledigung" setzt nicht voraus, daß durch die Änderung einem Antrag des Steuerpflichtigen stattgegeben wird. Diese Änderung bewirkt also, wenn der Folgebescheid lediglich wegen eines in dem Grundlagebescheid entschiedenen Punktes und demnach unzulässigerweise angegriffen worden ist, keine sachliche Erledigung des Rechtsstreits im Sinne des § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO, so daß die gesetzliche Kostenfolge dieser Vorschrift hier nicht zum Zuge kommt. Das gilt zwar nicht, wenn, wie es hier bei den Kirchensteuerbescheiden 1951 und 1952 der Fall ist, Folgebescheide zulässigerweise, z. B. wegen Verjährung, angefochten sind. Im Hinblick auf deren Geringfügigkeit bestehen aber keine Bedenken dagegen, daß das FG von einer besonderen Berücksichtigung dieses Punktes abgesehen hat.
Die Kostenentscheidung war demnach nach § 138 Abs. 1 FGO nach billigem Ermessen zu treffen. Das FG hat bei seiner Entscheidung die Grenzen des Ermessens nicht überschritten und innerhalb dieser Grenzen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstands nach Billigkeit entschieden.
Fundstellen
Haufe-Index 67768 |
BStBl II 1968, 780 |
BFHE 1968, 298 |