Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Einstellung der Vollstreckung
Leitsatz (NV)
1. Die Statthaftigkeit eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung der noch nicht bestandskräftigen Steuerfestsetzungen nach § 69 Abs. 3 FGO schließt das Rechtsschutzbedürfnis für ein auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung (§ 258 AO 1977) gerichtetes gerichtliches Verfahren nicht aus.
2. ,,Einstweilige" Maßnahmen nach § 258 AO 1977 kommen nur in Betracht, wenn vorübergehende Umstände vorliegen, die eine Vollstreckung unbillig erscheinen lassen.
3. Die drohende Vernichtung der Existenzgrundlage durch Pfändungsmaßnahmen des FA als Grund für eine Regelungsanordnung nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO ist nicht glaubhaft gemacht, wenn die Existenzgrundlage des Vollstreckungsschuldners und seiner Familie durch Pfändungsschutzvorschriften gewährleistet ist.
Normenkette
AO 1977 §§ 258, 319; FGO § 69 Abs. 2-3, § 114; ZPO §§ 850, 850a, 850b, 850c, 850d, 850e, 850f, 850g, 850h, 850i, 850j, 850k, 920 Abs. 2
Tatbestand
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) betreibt gegen den Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) die Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Steuern und sonstiger Abgaben in Höhe von mehreren 100 000 DM. Einen Antrag auf Vollstreckungsaufschub gegen monatliche Ratenzahlung von 500 DM hat das FA abgelehnt. Die dagegen eingelegte Beschwerde blieb erfolglos. Über die gegen die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion (OFD) erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden.
Der Antragsteller beantragte beim FG ferner, dem FA im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 114 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung zu untersagen. Er begründete den Antrag im wesentlichen damit, daß das FA weitere Beitreibungsmaßnahmen verfügt habe, deren Durchführung seine Existenzgrundlage vernichten würde. Sowohl bei einer Pfändung von Bankkonten als auch bei Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung würden nicht nur seine eigenen Bankverbindungen gekündigt werden, sondern auch diejenigen der X-GmbH, von der er in seiner wirtschaftlichen Existenz abhängig sei.
Das FG lehnte den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ab. Es führte u. a. aus:
Der Antrag sei nach § 114 Abs. 5 FGO unzulässig, soweit er mit Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der mit der Klage angefochtenen Steuerfestsetzungen zur Einkommensteuer und Umsatzsteuer begründet werde. Denn insoweit sei nach § 69 Abs. 3 FGO der Antrag an das FG auf Aussetzung der Vollziehung statthaft (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Januar 1984 II B 35/83, BFHE 139, 508, BStBl II 1984, 210). Das gelte auch für bereits verwirkte Säumniszuschläge (BFH-Beschluß vom 23. Juni 1977 V B 41/73, BFHE 122, 258, BStBl II 1977, 645).
Soweit der Antrag nach § 114 FGO zulässig sei, fehle es an einem Anordnungsanspruch. Als ein solcher komme das Begehren des Antragstellers auf einstweilige Einstellung der Vollstreckungsmaßnahmen gemäß § 258 der Abgabenordnung (AO 1977) in Betracht. Die vom FA beabsichtigte Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Antragstellers sowie das Verlangen nach Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung seien aber nicht unbillig im Sinne dieser Vorschrift. Von einer Unbilligkeit i. S. des § 258 AO 1977 sei dann auszugehen, wenn die Vollstreckung dem Vollstreckungsschuldner unangemessene Nachteile bringen würde, die durch kurzfristiges Zuwarten oder die Wahl einer anderen Vollstreckungsmaßnahme vermieden werden könnten; Nachteile, die üblicherweise mit der Vollstreckung oder der einzelnen Vollstreckungsmaßnahme verbunden seien, begründeten die Unbilligkeit nicht. Gründe für eine Unbilligkeit in diesem Sinne lägen im Falle des Antragstellers nicht vor. Das FA habe zutreffend darauf hingewiesen, daß die Gewährung einer Ratenzahlung in der vom Antragsteller beantragten Höhe nicht zu einer Rückführung der Steuerschulden führen würde.
Des weiteren sei die Vollstreckung schon deshalb nicht unbillig i. S. von § 258 AO 1977, weil die gegenwärtigen Einkommensverhältnisse des Antragstellers unklar seien. Dabei sei zu berücksichtigen, daß der Antragsteller als beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer der X- GmbH sich selbst ab 1. Januar 1985 nur ein Geschäftsführergehalt in Höhe von monatlich . . . DM bewillige, andererseits aber als freier Mitarbeiter der GmbH Honorare in Höhe von . . . DM (1985) und . . . DM (1986) erhalten habe. Das Vorbringen des Antragstellers, daß sein monatlicher Durchschnittsgewinn 1 056 DM betrage, sei nicht glaubhaft gemacht worden. Es sei davon auszugehen, daß der Antragsteller nicht gewillt sei, seine Steuerschulden angemessen zu tilgen. Während der Schuldenstand gegenüber der Bank um ca. 10 v. H. durch Tilgung vermindert worden sei, habe das FA - mit Forderungen in Höhe von mehreren 100 000 DM der größte Gläubiger des Antragstellers - in der Zeit vom 1. Januar bis 20. April 1988 lediglich 2 000 DM erhalten.
Anhaltspunkte dafür, daß dem FA mehrere geeignete Vollstreckungsmaßnahmen zur Verfügung gestanden hätten und daß es nicht die für den Antragsteller erträglichste Maßnahme ausgewählt habe, seien nicht ersichtlich. Ein Ermessensfehlgebrauch des FA liege somit nicht vor. Der Antragsteller selbst habe nicht einmal ansatzweise vorgetragen, welche konkreten Maßnahmen nach seiner Ansicht zur Tilgung der rückständigen Steuern in angemessener Zeit erfolgversprechend gewesen wären. Er müsse deshalb die mit der Vollstreckung verbundene wirtschaftliche Beeinträchtigung hinnehmen.
Mit der Beschwerde macht der Antragsteller geltend, das FG habe das Verhältnis zwischen einer Aussetzung der Vollziehung und der einstweiligen Anordnung verkannt. Auch wenn eine Aussetzung der Vollziehung des Steuerbescheides möglich sei, könne dessen Vollstreckung - ebenso wie bei einem unanfechtbaren Bescheid - unbillig sein. Es sei daher unzutreffend, daß dem vorliegenden Antrag, soweit die Steuern nicht unanfechtbar festgesetzt seien, das Rechtsschutzinteresse fehle. Im übrigen sei der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung nicht mit Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung begründet worden.
Die vom FA beabsichtigte Vollstreckung sei entgegen der Auffassung des FG unbillig. Das FA habe inzwischen seine Honoraransprüche gegenüber der X-GmbH gepfändet. Damit seien bis auf den Gehaltsanspruch seine sämtlichen Einnahmen gepfändet, so daß er weder in der Lage sei, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten noch seine Betriebsausgaben zu tragen. Entgegen den Ausführungen in der Vorentscheidung habe er alle in dem Verfahren vorgebrachten Angaben einschließlich derjenigen über seine Einkommenverhältnisse durch Vorlage entsprechender Unterlagen und Aufstellungen glaubhaft gemacht.
Der von ihm beantragte Erlaß einer einstweiligen Anordnung könne nicht mit der Begründung abgelehnt werden, daß eine Ratenzahlung in der von ihm beantragten Höhe nicht zu einer Rückführung der Steuerschulden führen würde. Denn Voraussetzung für den Vollstreckungsaufschub sei ausschließlich die Unbilligkeit und nicht die absehbare Tilgung der Steuerschulden. Das ergebe sich schon daraus, daß ein Vollstreckungsaufschub auch ohne Leistung irgendwelcher Zahlungen gewährt werden könne. Im übrigen müßten, wenn die von ihm angebotene Ratenzahlung von monatlich 500 DM nicht als angemessen angesehen werde, höhere Raten vereinbart werden.
Die Vollstreckung führe nicht nur zu einer erheblichen wirtschaftlichen Beeinträchtigung des Antragstellers, sondern sie vernichte dessen wirtschaftliche Existenz. Die Pfändung der Bankkonten des Antragstellers, die vom FA bereits vorbereitet sei, führe automatisch auch zur Kündigung der Kontenverbindungen der X-GmbH. Damit würden die Dispositionskredite sowohl des Antragstellers als auch der GmbH fällig. Da diese Kredite nicht zurückgezahlt werden könnten, wäre auch eine weitere geschäftliche Tätigkeit der Gesellschaft und des Antragstellers nicht mehr möglich.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Der Senat folgt allerdings nicht der Auffassung des FG, daß der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung nach § 114 Abs. 5 FGO insoweit unzulässig sei, als Vollstreckungsaufschub hinsichtlich der mit der Klage angefochtenen Steuerbescheide begehrt wird. Die Statthaftigkeit eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung der noch nicht bestandskräftigen Steuerfestsetzungen nach § 69 Abs. 3 FGO schließt das Rechtsschutzbedürfnis für ein auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung (§§ 258 AO 1977, 333 der Reichsabgabenordnung - AO -) gerichtetes gerichtliches Verfahren nicht aus (vgl. Urteil des Senats vom 3. November 1970 VII R 43/69, BFHE 100, 436, BStBl II 1971, 114). Denn ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zielt darauf ab, daß ein angefochtener bzw. noch anfechtbarer Verwaltungsakt im Hinblick darauf, daß noch nicht feststeht, ob er von Bestand sein wird, nicht in irgendeiner Weise vollzogen wird. Dagegen wendet sich ein Antrag nach den §§ 258 AO 1977, 114 FGO auf einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung bzw. Aufhebung einer Vollstreckungsmaßnahme grundsätzlich gegen die Vollstreckung als solche, ohne Rücksicht auf die Rechtmäßigkeit des vorangegangenen Verwaltungsakts. Wegen der unterschiedlichen Zielrichtung der Anträge ist deshalb der vorliegende Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung nicht im Hinblick auf die Statthaftigkeit eines Antrags nach § 69 Abs. 3 FGO unzulässig.
Die Rechtsauffassung des Senats steht nicht im Widerspruch zu dem vom FG zitierten Beschluß des II. Senats des BFH in BFHE 139, 508, BStBl II 1984, 210. Denn in dem dort entschiedenen Fall war die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung im Wege der einstweiligen Anordnung allein mit der angeblichen Rechtswidrigkeit der Steuerbescheide und der noch ausstehenden Entscheidung über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung begründet worden. Die einstweilige Anordnung sollte auch nur für den Zeitraum bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den anhängigen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ergehen. Der Antragsteller beruft sich dagegen im Streitfall darauf, daß die Vollstreckung wegen der damit verbundenen Beeinträchtigung seiner wirtschaftlichen Existenz unbillig sei. Soweit er im Verfahren vor dem FG noch geltend gemacht hatte, daß die in der Vollstreckung befindlichen Steuern in bestimmter Höhe nicht geschuldet würden und insoweit Klageverfahren und Anträge auf Aussetzung der Vollziehung anhängig seien, kann er damit im Vollstreckungsverfahren und im vorliegenden Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gemäß § 256 AO 1977 nicht gehört werden. Der Senat braucht die damit im Zusammenhang stehenden Rechtsfragen nicht zu vertiefen, da der Antragsteller mit der Beschwerde klargestellt hat, daß der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung nicht mit Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzungen begründet werden soll.
2. Das FG hat es zu Recht abgelehnt, die vom Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung zu erlassen.
Der Antragsteller beantragt eine Regelungsanordnung nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO. Eine solche Anordnung setzt voraus, daß der Antragsteller eine einstweilige Maßnahmen rechtfertigende Rechtsposition innehat (Anordnungsanspruch) und daß derartige Maßnahmen außerdem notwendig sind (Anordnungsgrund). Beides ist glaubhaft zu machen (§ 114 Abs. 3 FGO i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Der Antragsteller hat weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund für die begehrte Einstellung der Zwangsvollstreckung glaubhaft gemacht.
a) Als Rechtsgrundlage für den Anordnungsanspruch kommt allein § 258 AO 1977 in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann die Vollstreckungsbehörde - das FA - die Vollziehung, wenn sie im Einzelfall unbillig ist, einstweilen einstellen oder beschränken oder eine Vollstreckungsmaßnahme aufheben. Streitgegenstand ist die in das Ermessen der Behörde gestellte Befugnis zur Gewährung vorläufigen Vollstreckungsaufschubs.
Es ist umstritten, unter welchen Voraussetzungen vorläufiger Rechtsschutz durch das Gericht erlangt werden kann, wenn der Anordnungsanspruch eine behördliche Ermessensentscheidung betrifft (vgl. Beschluß des Senats vom 5. und 13. Mai 1977 VII B 9/77, BFHE 122, 28, 30, BStBl II 1977, 587 ff.). Es bedarf keiner Entscheidung, welcher der hierzu vertretenen Auffassungen zu folgen ist. Auch wenn der für den Antragsteller günstigsten Auffassung gefolgt wird, nämlich der, daß das Gericht die einstweilige Anordnung in Ausübung eigenen (,,Interims"-)Ermessens zu treffen befugt ist, wäre die Anordnung zu versagen, weil ihre Voraussetzung - die Unbilligkeit der Vollstreckung - nicht schlüssig dargelegt, geschweige denn glaubhaft gemacht ist.
,,Einstweilige" Maßnahmen nach § 258 AO 1977 kommen nur in Betracht, wenn vorübergehende Umstände vorliegen, die eine Vollstreckung unbillig erscheinen lassen. Umstände, die zu einer dauerhaften Einstellung der Vollstreckung Anlaß geben, können bei der Anwendung des § 258 AO 1977 nicht berücksichtigt werden. Denn in dieser Vorschrift ist eine Unterbindung der Vollstreckung auf Dauer nicht vorgesehen (Beschluß des Senats vom 18. März 1986 VII B 115/85, BFH/NV 1986, 479, 480, m. w. N.). Das FG hat daher unter Berufung auf Abschn. 7 Abs. 2 der Vollstreckungsanweisung (BStBl I 1980, 112) zu Recht ausgeführt, daß von einer Unbilligkeit i. S. des § 258 AO 1977 nur dann auszugehen ist, wenn die Vollstreckung oder eine einzelne Vollstreckungsmaßnahme dem Vollstreckungsschuldner einen unangemessenen Nachteil bringen würde, der durch kurzfristiges Zuwarten oder durch eine andere Vollstreckungsmaßnahme vermieden werden könnte. Nachteile, die üblicherweise mit der Vollstreckung oder der einzelnen Vollstreckungsmaßnahme verbunden sind, begründen danach keine Unbilligkeit. Die vom Antragsteller für die Einstellung der Zwangsvollstreckung vorgetragenen Umstände sind keine vorübergehenden. Der Antragsteller hat nicht dargelegt, daß durch kurzfristiges Zuwarten oder die Wahl einer anderen als der von ihm beanstandeten Vollstreckungsmaßnahmen er weniger beeinträchtigt, das FA aber dennoch wegen seiner Steuerforderungen zur Befriedigung gelangen würde. Die Voraussetzungen für einen Vollstreckungsaufschub nach § 258 AO 1977 liegen demnach nicht vor.
Die vom Antragsteller angebotene Ratenzahlung von 500 DM monatlich ist nicht geeignet, die Steuerschulden in Höhe von mehreren 100 000 DM in angemessenem Umfang und in absehbarer Zeit zu tilgen. Der Senat muß von Schulden in dieser Höhe ausgehen, solange die angefochtenen Steuerfestsetzungen nicht aufgehoben oder berichtigt worden sind. Das FG hat ausgeführt, daß sich seit Eingang des Antrags auf Vollstreckungsschutz die fälligen Steuerforderungen trotz der Zahlungen des Antragstellers von insgesamt 5 000 DM sogar noch um ca. 5 v. H. erhöht haben. Der Antragsteller hat ferner nach den Ausführungen der Vorinstanz in der Zeit vom 1. Januar bis 20. April 1988 das FA anteilmäßig in erheblich geringerem Umfang befriedigt als andere Gläubiger, nämlich die Bank, auf deren Forderungen eine Tilgungsleistung von ca. 10 v. H. erbracht worden ist. Bei dieser Sachlage stellte die Ablehnung des beantragten Vollstreckungsaufschubs durch das FA und das FG unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 258 AO 1977 keinen Ermessensfehlgebrauch dar. Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung oder einzelner Vollstreckungsmaßnahmen ist jedenfalls nicht gerechtfertigt, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Steuerschulden in absehbarer Zeit durch freiwillige Leistungen des Schuldners oder durch andere - diesen weniger belastende - Vollstreckungsmaßnahmen wesentlich zurückgeführt werden können.
Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch für die von ihm begehrte einstweilige Rechtsschutzmaßnahme nicht dargetan, weil er nicht aufgezeigt hat, in welcher Weise auch ohne die beanstandeten Vollstreckungsmaßnahmen die Steuerschulden hätten getilgt werden können. Sein Vorbringen im Beschwerdeverfahren, daß ggf. höhere Ratenzahlungen als die von ihm angebotenen 500 DM monatlich hätten vereinbart werden müssen, kann einen Anspruch auf Vollstreckungsaufschub nicht begründen. Es war Sache des Antragstellers, im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten monatliche Tilgungsleistungen auf die Steuerschulden in einer Höhe anzubieten, die nach den oben dargestellten Rechtsgrundsätzen zu § 258 AO 1977 die einstweilige Einstellung der Vollstreckung ermöglicht hätten. Der Antragsteller kann aber nach den von ihm selbst vorgetragenen Einkommensverhältnissen (durchschnittlicher monatlicher Überschuß der Einnahmen über die Ausgaben 1 056 DM) keine wesentlich höheren Ratenzahlungen auf die Steuerschulden erbringen als den vorgeschlagenen Betrag von monatlich 500 DM. Auch die zeitweilig freiwillig geleisteten etwas höheren monatlichen Tilgungsraten sind nicht geeignet, die bestehenden Steuerschulden in absehbarer Zeit wesentlich zu vermindern. Wie der Antragsteller im Beschwerdeverfahren vorgetragen hat, bestehen auch keine anderen Vollstreckungsmöglichkeiten als diejenigen, die das FA beabsichtigt oder bereits durchgeführt hat (Pfändung der Bankkonten und der Honorarforderungen des Antragstellers). Die Beschwerde verkennt, daß mit der begehrten einstweiligen Anordnung - ebenso wie nach § 258 AO 1977 - nur einstweilige Maßnahmen getroffen werden können, die den Steueranspruch des FA nicht endgültig beeinträchtigen dürfen. Deshalb kann für die Entscheidung nicht allein auf die Beeinträchtigungen abgestellt werden, die mit der Vollstreckung für den Antragsteller verbunden sind.
b) In den Fällen des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO ist ferner ein Anordnungsgrund nur gegeben, wenn die einstweilige Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Vermeidung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Bei der Interessenabwägung sind die Belange der Öffentlichkeit und die privaten Interessen des Antragstellers zu berücksichtigen. Die Gründe - auch die ,,anderen" - müssen so schwerwiegend (wesentlich) sein, daß sie eine einstweilige Anordnung unabweisbar machen (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 114 Anm. 49 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BFH). Der Antragsteller hat einen solchen wesentlichen Anordnungsgrund behauptet, indem er vorgetragen hat, die vom FA beabsichtigten - und nunmehr zum Teil durchgeführten - Vollstreckungsmaßnahmen führten zur Vernichtung seiner Existenzgrundlage. Dieser Anordnungsgrund ist aber nicht schlüssig vorgetragen und nicht glaubhaft gemacht worden.
Der Antragsteller ist alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der X Unternehmensberatungs-GmbH. Daneben betreibt er als Einzelunternehmer die Unternehmensberatung und ist insoweit auf Honorarbasis im wesentlichen für die X- GmbH tätig. Er ist damit in der Gestaltung seiner Rechtsbeziehungen zur X- GmbH weitgehend unabhängig.
Die Pfändung der Honoraransprüche gegen die GmbH führt nicht - wie vom Antragsteller behauptet - zu seiner Existenzvernichtung. Wäre der Antragsteller auch insoweit auf Grund eines Arbeitsvertrages für die GmbH tätig geworden, so kämen ihm die für Arbeitseinkommen geltenden Pfändungsschutzvorschriften der §§ 319 AO 1977 i. V. m. 850 Abs. 1, 850 a bis 850 k ZPO zugute, die die Sicherung der Existenzgrundlage des Vollstreckungsschuldners gewährleisten. Auch wenn der Antragsteller seine Beziehungen zur GmbH so gestaltet hat, daß diese die Honorare nicht als Arbeitslohn, sondern als sonstige wiederkehrende Vergütungen für Dienstleistungen, die die Erwerbstätigkeit des Antragstellers vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen, schuldet, gelten nach den §§ 319 AO 1977, 850 Abs. 2 2. Halbsatz ZPO die Pfändungschutzvorschriften für Arbeitseinkommen. Schließlich sind nach den §§ 319 AO 1977, 850 i ZPO auch nicht wiederkehrend zahlbare Vergütungen für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste auf Antrag des Schuldners in bestimmtem Umfang zur Sicherung des notwendigen Unterhalts des Schuldners und seiner Familie unpfändbar. Der Senat braucht nicht zu prüfen, welcher der hier angeführten Tatbestände im Streitfalle vorliegt. Dem Antragsteller verbleibt die Möglichkeit, zu seiner Existenzsicherung bestehende Schutzvorschriften im Rechtsmittelverfahren gegen die Honorarpfändung - auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes (hier Aussetzung der Vollziehung) - geltend zu machen. Da aus den vorstehenden Gründen die Pfändung der Honoraransprüche jedenfalls nicht zu einer Vernichtung der Existenzgrundlage des Antragstellers führen kann, fehlt es insoweit für die begehrte einstweilige Anordnung an einem Anordnungsgrund.
Auch wenn es zutreffen sollte, daß die beabsichtigte Pfändung der Bankkonten des Antragstellers zur Kündigung der Konten und der eingeräumten Dispositionskredite seitens der Banken nicht nur gegenüber dem Antragsteller selbst, sondern auch gegenüber der X-GmbH führen würde, würde dadurch die wirtschaftliche Existenzgrundlage des Antragstellers nicht vernichtet. Denn diese ist nicht ausschließlich an den Bestand der GmbH geknüpft. Der Antragsteller betreibt vielmehr die Unternehmensberatung auch als Einzelunternehmer. Es steht ihm frei, seine Rechtsbeziehungen zu den Kunden so zu gestalten, daß die betreffenden Dienst- oder Werkverträge ohne Einschaltung der GmbH unmittelbar zwischen ihm und den Auftraggebern abgeschlossen werden, so daß er seinen künftigen Lebensunterhalt allein aus den Erträgen des Einzelunternehmens bestreiten kann. Der Senat hält es unter Abwägung der Interessen des Steuergläubigers und des Antragstellers jedenfalls nicht für gerechtfertigt, daß die Einschaltung der GmbH und die zwischen dieser und dem Antragsteller bestehende persönliche und wirtschaftliche Verflechtung, die wegen der beherrschenden Stellung des Antragstellers dessen Gestaltungsfreiheit unterliegt, im Ergebnis dazu führen, daß beim Antragsteller wegen der bestehenden Steuerschulden auf Dauer nicht vollstreckt werden kann.
Fundstellen
Haufe-Index 416274 |
BFH/NV 1989, 565 |