Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschlussfrist zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens
Leitsatz (NV)
- Allein ein Antrag, eine Ausschlussfrist zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens aufzuheben, macht die Fristsetzung nicht hinfällig.
- Wird die Ausschlussfrist nicht aufgehoben und ist der Gegenstand des Klagebegehrens nicht hinreichend bezeichnet, muss die Klage durch Prozessurteil als unzulässig abgewiesen werden, es sei denn, dem Kläger ist wegen der Versäumung der Frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Normenkette
FGO § 65 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Steuerberater. Er erhob beim Finanzgericht (FG) Klagen wegen Umsatzsteuer 1989 bis 1992, 1994 und 1995, Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer 1989, 1994 und 1995 sowie Erlass und Stundung von Säumniszuschlägen zur Umsatzsteuer 1989 bis 1992. In den Klageschriften stellte er jeweils einen Anfechtungsantrag und behielt sich die Begründung in einem besonderen Schriftsatz vor.
Der Kläger begründete seine Klagen trotz Aufforderung nicht. Mit Verfügung vom 12. Oktober 1998 setzte ihm daraufhin die Berichterstatterin gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) jeweils eine Ausschlussfrist zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens bis zum 20. November 1998. Der Kläger kam dieser Aufforderung nicht nach. Am 19. November 1998 beantragte er, die Fristsetzung vom 12. Oktober 1998 aufzuheben, da die zur Klagebegründung notwendigen Unterlagen unterschlagen und ihm bisher nicht zurückgegeben worden seien.
Das FG wies die Klagen als unzulässig ab, weil der Kläger innerhalb der ihm nach § 65 Abs. 2 FGO gesetzten Ausschlussfrist den Gegenstand des Klagebegehrens nicht bezeichnet habe. Dem am letzten Tag vor Fristablauf gestellten Antrag auf Aufhebung der Ausschlussfrist habe nicht stattgegeben werden können, da der Kläger nicht verhindert, geschweige denn ohne Verschulden verhindert gewesen sei, die ihm gesetzte Frist einzuhalten. Wie sich aus verschiedenen Schreiben seines Konkursverwalters ergebe, sei es dem Kläger ohne weiteres möglich gewesen, jederzeit die für die Klagebegründung erforderlichen Unterlagen abzuholen bzw. abholen zu lassen.
Seine hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerden stützt der Kläger auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs. Er wendet sich gegen verschiedene Feststellungen des FG und macht geltend, er habe mangels vorhandener Unterlagen den Gegenstand des Klagebegehrens nicht gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO bezeichnen können.
Entscheidungsgründe
II. Die gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 FGO zu gemeinsamer Entscheidung verbundenen Beschwerden haben keinen Erfolg. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger ―was hier als Zulassungsgrund allein in Betracht kommt― einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO entsprechend den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO bezeichnet hat. Denn jedenfalls ist die Beschwerde unbegründet. Das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) wurde vom FG nicht verletzt.
Das FG hat die Klagen zu Recht als unzulässig abgewiesen, weil der Kläger den Gegenstand des Klagebegehrens, dessen Angabe zu den "Muss"-Erfordernissen ordnungsgemäßer Klageerhebung gehört (§ 65 Abs. 1 Satz 1 FGO), innerhalb der gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO gesetzten Ausschlussfrist, die am 20. November 1998 ablief, nicht bezeichnet hat. Für die Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens ist ausreichend, aber auch erforderlich, den Streitpunkt in allgemeinerer Form ―anders als hier geschehen― so zu umreißen, dass er konkretisiert und von anderen denkbaren Streitpunkten abgrenzbar ist (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 13. Juni 1996 III R 93/95, BFHE 180, 247, BStBl II 1996, 483, unter 2.; BFH-Beschlüsse vom 23. September 1998 IV B 130/97, BFH/NV 1999, 486; vom 11. Juni 1999 V B 168/98, BFH/NV 1999, 1501). Davon, dass diese Anforderungen hier nicht erfüllt sind, geht auch der Kläger zutreffend aus.
Zwar hat der Kläger am vorletzten Tag der Ausschlussfrist beim FG beantragt, die ihm gesetzte Frist aufzuheben. Da es aber nicht zu der beantragten Aufhebung der Ausschlussfrist für die Bezeichnung des Klagebegehrens gekommen ist, wäre für den Kläger die Rechtsfolge des Ergehens eines Prozessurteils nur unter der Voraussetzung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 65 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 56 FGO) vermeidbar gewesen (vgl. zu einem Antrag auf Fristverlängerung: BFH-Beschlüsse vom 9. Juni 1995 VII B 20/95, BFH/NV 1996, 50, und vom 27. März 1998 XI B 44/97, BFH/NV 1998, 1362).
Im Streitfall kam eine Wiedereinsetzung jedoch nicht in Betracht. Denn der Kläger war nicht ―wie § 56 Abs. 1 FGO voraussetzt― ohne Verschulden gehindert, die Ausschlussfrist einzuhalten. Dies hat das FG zutreffend dargelegt. Soweit der Kläger mit seinem Beschwerdevorbringen ―unsubstantiiert― den diesbezüglichen Feststellungen des FG entgegentritt, steht dies im Widerspruch zu den bei den Gerichtsakten befindlichen Schreiben des Konkursverwalters vom 22. April 1998, 3. Juli 1998 und 5. August 1998.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.
Fundstellen
Haufe-Index 425158 |
BFH/NV 2000, 878 |