Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe bei Nichtzulassungsbeschwerde und Wiedereinsetzung
Leitsatz (NV)
- Für die Gewährung von Prozesskostenhilfe ist es erforderlich, dass der Antragsteller innerhalb der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgibt und das Streitverhältnis zumindest in laienhafter Weise darstellt.
- Hat der Kläger innerhalb der Rechtsmittelfrist einen Prozessbevollmächtigten beauftragt, der anschließend statt der Nichtzulassungsbeschwerde die Revision einlegt, scheidet eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus.
Normenkette
FGO § 142; ZPO §§ 114, 117 Abs. 2, 4; FGO §§ 115, 56
Tatbestand
I. Der Kläger, Revisionskläger und Antragsteller (Kläger) erhob am 17. August 2001 Klage wegen Einkommensteuer 1987 bis 1998, Vermögensteuer auf den 1. Januar 1992 bis 1. Januar 1996, wegen Gewerbesteuermessbetrags 1987 bis 1998 und Umsatzsteuer 1987 bis 1998, die beim Finanzgericht (FG) unter dem Aktenzeichen 3 K 4838/01 erfasst wurde. Nach Abtrennung des Verfahrens wegen Gewerbesteuermessbetrags 1987 bis 1998, dem das neue Aktenzeichen 3 K 4644/02 zugeteilt wurde, wies das FG die Klage im Verfahren 3 K 4838/01 mit Urteil vom 20. August 2002 ab, ohne die Revision zuzulassen. In dem Verfahren 3 K 4644/02 erging ein Zwischenurteil vom selben Tag. Dagegen wurde die Revision zugelassen und vom Beklagten (Finanzamt ―FA―) fristgerecht eingelegt.
Das Urteil in der Streitsache 3 K 4838/01 wurde dem Kläger am 27. September 2002 zugestellt. Am 26. Oktober 2002 legte der Kläger persönlich gegen dieses Urteil "Beschwerde, Einspruch, Revision" ein. Dem folgte am letzten Tag der Frist für die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde ein Schriftsatz des Rechtsanwalts A, mit dem dieser Revision einlegte.
Am 19. November 2002 ging beim Bundesfinanzhof (BFH) ein Fax des Klägers ein, in dem er u.a. beantragt, "die möglicherweise bisher nichteingehaltenen Formalien und Fristen auf den alten Stand wiedereinzusetzen, und alle für mich nachteiligen Folgen auszusetzen", "Schaffung der Voraussetzungen für eine Verteidigung in Form einer Prozesskostenhilfe". In dem Fax ist zweimal folgendes Aktenzeichen genannt: 3K4838/02. Einen Tag später ging ein inhaltlich gleichlautendes Fax des Klägers ein, in dem das Aktenzeichen zweimal mit 3K4838/01 angegeben war. Dieses Aktenzeichen trägt auch ein wiederum einen Tag später eingegangenes Fax, in dem der Kläger die Problematik zu seinem letzten Fax verdeutlicht.
Entscheidungsgründe
II. Der in den Schreiben des Klägers enthaltene Prozesskostenhilfeantrag, der auf das Verfahren 3 K 4838/01 bezogen ist, wie die klarstellenden Faxschreiben des Klägers deutlich machen, ist abzulehnen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe (PKH), wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. An den Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung fehlt es aus zwei Gründen:
1. § 115 Abs. 1 FGO bestimmt, dass die Revision gegen das Urteil des FG den Beteiligten nur zusteht, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der BFH sie zugelassen hat. Weder das FG noch der BFH haben die Revision zugelassen. Sowohl die vom Kläger selbst wie die von seinem Rechtsanwalt eingelegte Revision sind somit mangels Zulassung nicht statthaft und deshalb zu verwerfen, so dass es nicht zu der vom Kläger gewünschten Überprüfung des FG-Urteils kommen kann.
2. Würde das beim BFH am 26. Oktober 2002 eingegangene Fax des Klägers zusätzlich als Nichtzulassungsbeschwerde angesehen werden, wäre sie zwar fristgerecht eingelegt, müsste aber dennoch als unzulässig verworfen werden, weil sich der Kläger nicht nach § 62a Abs. 1 und 2 FGO hat vertreten lassen. Auch insoweit kann der Kläger also keine Überprüfung des FG-Urteils erreichen.
3. Wird dieses Fax des Klägers bereits als Antrag auf PKH verstanden, für den kein Vertretungszwang gilt, könnte dem Kläger dennoch keine PKH gewährt werden. Denn dafür ist Voraussetzung, dass der Antragsteller innerhalb der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem amtlichen Vordruck vorlegt (§ 117 Abs. 2 und 4 ZPO) und das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel zumindest in laienhafter Weise darstellt, damit der Senat die Erfolgsaussichten einer Nichtzulassungsbeschwerde prüfen kann (z.B. BFH-Beschlüsse vom 15. April 1999 X S 1/99, BFH/NV 1999, 1355, und vom 15. März 2000 V S 2/00, BFH/NV 2000, 1212). Das hat der Kläger unterlassen.
4. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO hinsichtlich einer versäumten Frist kann dem Kläger nicht gewährt werden. Sie scheitert daran, dass der Kläger die Frist zur Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde gerade nicht versäumte. Er hat vielmehr innerhalb der Rechtsmittelfrist einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung beauftragt. Dass dieser das falsche und damit nicht statthafte Rechtsmittel der Revision einlegte, kann durch eine Wiedereinsetzung nicht geheilt werden. Die FGO kennt die vom Kläger begehrte Aussetzung der nachteiligen Folgen nicht eingehaltener Formalien und Wiedereinsetzung in den alten Stand nicht. Die Abhängigkeit der Statthaftigkeit einer Revision von ihrer Zulassung ist ebenso zwingendes Recht wie der in § 62a FGO geregelte Zwang, sich vor dem BFH vertreten zu lassen.
5. Der Beschluss ergeht gerichtsgebührenfrei.
Fundstellen
Haufe-Index 921365 |
BFH/NV 2003, 653 |