Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme eines negativen Kapitalkontos: Aktivierung als Anschaffungskosten oder Geltendmachung eines Verlustes?
Leitsatz (NV)
Wenn es im BFH-Urteil vom 9. Mai 1996 IV R 64/93 (BFHE 180, 380, BStBl II 1996, 642) heißt, die “Möglichkeit” zur sofortigen Geltendmachung eines Verlustes bestehe dann, wenn ein Gesellschafter mit einem negativen Kapitalkonto aus der Gesellschaft ausscheide und etwa bestehende Ausgleichsforderungen der übrigen Gesellschafter uneinbringlich würden, so wird dort als selbstverständlich vorausgesetzt, dass in dem übergegangenen Gesellschaftsanteil stille Reserven nachweislich nicht enthalten sind.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2; EStG § 15a
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 28.10.2005; Aktenzeichen 11 K 3820/02 F) |
Gründe
Die Beschwerde ist --bei Bedenken gegen ihre Zulässigkeit-- jedenfalls unbegründet.
1. Eine Divergenz zu dem Senatsurteil vom 9. Mai 1996 IV R 64/93 (BFHE 180, 380, BStBl II 1996, 642) ist nicht in ordnungsmäßiger Weise dargetan, noch liegt sie vor.
Die Beschwerdebegründung gibt den dem vorinstanzlichen Urteil zugrunde liegenden Rechtssatz nicht vollständig wieder. Wenn das Finanzgericht (FG) davon ausgegangen ist, die Übernahme des negativen Kapitalkontos des ausgeschiedenen Mitgesellschafters führe zu Anschaffungskosten, die in einer Ergänzungsbilanz zu aktivieren seien, so hat es diese Rechtsfolge von der Prämisse abhängig gemacht, dass auf den Übernehmer anteilige stille Reserven übergehen. Dafür, dass dies so sei, --so das FG-- spreche eine widerlegliche Vermutung (Hinweis auf das Senatsurteil vom 5. Oktober 1989 IV R 107/88, BFH/NV 1990, 496).
Wenn es dagegen im angeblichen Divergenzurteil heißt, die "Möglichkeit" zur sofortigen Geltendmachung eines Verlustes bestehe dann, wenn ein Gesellschafter mit einem negativen Kapitalkonto aus der Gesellschaft ausscheide und etwa bestehende Ausgleichsforderungen der übrigen Gesellschafter uneinbringlich würden, so wird dort als selbstverständlich vorausgesetzt, dass in dem übergegangenen Gesellschaftsanteil stille Reserven nachweislich nicht enthalten sind (vgl. auch Schmidt/ Wacker, EStG, 26. Aufl., § 15a Rz 222; Bitz in Littmann/ Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 15a Rz 55, 56). Im Fall des angeblichen Divergenzurteils bestand kein Anlass, die Frage zu vertiefen, da es darauf nicht ankam. Der von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) ins Feld geführte Satz diente nur dazu, den Unterschied zur Behandlung eines Darlehens, das einem Gesellschafter ohne betriebliche Veranlassung gewährt wurde, zu verdeutlichen. Bei einem solchen Darlehen besteht die Möglichkeit zur Geltendmachung eines Verlustes unter keinem denkbaren Gesichtspunkt.
2. Auch die Verfahrensrügen der Kläger greifen nicht durch.
a) Wenn die Kläger geltend machen, das FG habe nur unter Verletzung der Sachaufklärungspflicht zu dem Schluss gelangen können, der Kläger zu 2. habe die Vermutung, er habe mit der Übernahme des negativen Kapitalkontos des ausgeschiedenen Gesellschafters dessen Anteil an den stillen Reserven übernommen, nicht widerlegt, so verkennen sie die Anforderungen, die an eine zulässige Rüge mangelnder Sachverhaltsaufklärung zu stellen sind. Insbesondere fehlt es an der Darlegung, welche Beweise zu welchem Beweisthema das FG hätte erheben müssen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 120 Rz 70). Soweit die Kläger die Tatsachenwürdigung des FG für unzutreffend halten, kommt dem im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde keine Bedeutung zu (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Februar 2006 II B 30/05, BFH/NV 2006, 1056, unter II.2.d der Gründe).
b) Das FG-Urteil stellt hinsichtlich des Punktes "Erwerbsverlust" auch keine Überraschungsentscheidung dar. Die Kläger tragen in der Beschwerdebegründung selbst vor, dass der Berichterstatter des FG in einer ausführlichen Hinweisverfügung vom 14. Juli 2005 auf später im Urteil übernommene rechtliche und tatsächliche Würdigung hingewiesen habe.
c) Soweit die Kläger rügen, das FG habe zu Unrecht in der Abgabe berichtigter Erklärungen und Abschlüsse für die Jahre 1999 und 2000 ein widersprüchliches Verhalten gesehen, wird erneut die Tatsachenwürdigung des FG angegriffen. Mit dem Vortrag, von den vom FG konstruierten Widersprüchen hätten die Kläger zum ersten Mal im Urteil gelesen, wird eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht in zulässiger Weise gerügt, zumal den Klägern aus den vorangegangenen Entscheidungen die kritische Einstellung des FG zu dem von ihnen behaupteten Darlehen des Herrn X bekannt war. Das FG fühlte sich in seiner bisherigen Überzeugung lediglich bestärkt.
3. Es kann dahinstehen, ob die Fortsetzung der mündlichen Verhandlung mit dem abgelehnten Berichterstatter des FG verfahrensfehlerhaft war. Jedenfalls wäre ein solcher Verfahrensfehler durch die nachfolgende Entscheidung, mit der der Befangenheitsantrag vor Beschlussfassung über das Urteil abgelehnt wurde, geheilt (BFH-Beschluss vom 14. September 2005 VI B 53/05, BFH/NV 2006, 103).
Fundstellen
Haufe-Index 1802893 |
BFH/NV 2007, 2090 |