Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustelldatum bei unterlassener Rücksendung des Empfangsbekenntnisses
Leitsatz (NV)
1. Wird ein Urteil dem Empfänger zum Zwecke der Zustellung gemäß § 5 Abs. 1 und Abs. 2 VwZG zusammen mit einem Empfangsbekenntnis zugeleitet und gibt der Empfänger das Empfangsbekenntnis nicht zurück, so ist derjenige Tag als Tag der Zustellung anzusehen, an dem das Urteil nach normalem Verlauf der Dinge erstmals in die Hände des Empfängers gelangt sein konnte (Anschluß an BFH-Beschluß vom 24. 9. 1975 II R 1/75 BFHE 117, 11; BStBl II 1976, 46).
2. Erklärt in einem solchen Falle der Empfänger selbst, das Urteil an einem Tage erhalten zu haben, der nach den sonstigen Anhaltspunkten der wahrscheinliche Zustelltag ist, so kann dieser Tag als der tatsächliche Zustelltag angesehen werden.
Normenkette
FGO § 53 Abs. 2; VwZG § 5 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) machten in ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre jeweils 8 413 DM als außergewöhnliche Belastung geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte in den Einkommensteuerbescheiden 1977 und 1978 den Abzug dieser Kosten. Einsprüche und Klage blieben erfolglos.
Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers nach seiner eigenen Erklärung in der Revisionsschrift am 17. Februar 1984 zugestellt worden. Ein ordnungsgemäßes Empfangsbekenntnis liegt nicht vor. Als Anlage zur Revisionsbegründungsschrift vom 20. März 1984 legte der Prozeßbevollmächtigte eine Ablichtung des vom FG vorbereiteten und ihm offenbar mit dem Urteil übersandten Empfangsbekenntnisses vor. Diese Ablichtung läßt nicht erkennen, daß der Prozeßbevollmächtigte das Empfangsbekenntnis unterzeichnet hat.
Mit der am 20. März 1984 beim FG eingegangenen Revisionsschrift verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie beantragen, für 1977 und für 1978 jeweils 10 200 DM als außergewöhnliche Belastung abzusetzen. Außerdem machen sie weitere nach ihrer Meinung steuermindernde Umstände geltend.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig; denn sie wurde verspätet eingelegt. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind nicht erkennbar.
Gemäß § 120 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung des Urteils beim FG einzulegen. Geschieht dies nicht, ist sie unzulässig (§ 124 FGO).
Die Revisionsfrist ist am Montag, dem 19. März 1984 abgelaufen. Denn die Vorentscheidung ist dem Prozeßbevollmächtigten am 17. Februar 1984 zugestellt worden. Von diesem Zustelldatum ist auszugehen, obgleich der Prozeßbevollmächtigte das ihm zusammen mit dem Urteil vom FG zugeleitete Empfangsbekenntnis offenbar nicht unterzeichnet und auch nicht zurückgeleitet hat.
Gemäß § 53 Abs. 2 FGO, § 5 Abs. 1 und 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) kann u. a. an einen Steuerberater in der Weise zugestellt werden, daß dem Empfänger zusammen mit dem zuzustellenden Schriftstück ein Empfangsbekenntnis zugeleitet wird, das dieser mit dem Datum der Zustellung und mit seiner Unterschrift versehen an das Gericht zurückzuleiten hat. Erfolgt die Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses verspätet, so ist derjenige Tag als Zustelltag anzusehen, an dem das zuzustellende Schriftstück nach dem normalen Verlauf der Dinge erstmals in die Hände des Empfängers gelangt sein konnte (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. September 1975 II R 1/75, BFHE 117, 11, BStBl II 1976, 46). Dasselbe gilt, wenn das Empfangsbekenntnis überhaupt nicht unterzeichnet wurde, aber feststeht, daß das zuzustellende Schriftstück in die Hände des Empfängers gelangt ist. Erklärt in einem solchen Falle der Empfänger selbst, das Schriftstück an einem Tage erhalten zu haben, der nach den sonstigen Anhaltspunkten der wahrscheinliche Zustelltag ist, so bestehen keine Bedenken, diesen Tag als den tatsächlichen Zustelltag anzusehen.
Im vorliegenden Falle wurde das FG-Urteil ausweislich Bl. 61 der FG-Akte am 16. Februar 1984 sowohl an das FA H als auch an das in H befindliche Büro des Prozeßbevollmächtigten abgesandt. Ausweislich des vom zuständigen Beamten des FA unterzeichneten Empfangsbekenntnisses hat dieser das Urteil am 17. Februar 1984 empfangen. Denselben Tag gibt der Prozeßbevollmächtigte in der Revisionsschrift als Zustelltag an. Es bestehen keine Zweifel, daß der Prozeßbevollmächtigte das Urteil auch an diesem Tage erhalten hat.
Die Revision ist erst am 20. März 1984 eingelegt worden.
Zwar wurde die Revisionsschrift offenbar bereits am 13. März 1984 gefertigt und per Einschreiben/Eilboten abgesandt. Sie wurde aber nicht an das FG, sondern an den BFH gerichtet, wo sie am 16. März 1984 einging. Von dort wurde sie an das FG gesandt, wo sie ausweislich des dortigen Posteingangsstempels am 20. März 1984 einging.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO kommt nicht in Betracht, weil der Prozeßbevollmächtigte offensichtlich rechtsirrtümlich die Revision an den BFH anstatt - wie aus der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils deutlich ersichtlich - an das FG gerichtet hat. Die unzutreffende Adressierung erfolgte nicht nur auf dem Briefumschlag, sondern auf der Revisionsschrift selbst und war damit von dem Willen des Prozeßbevollmächtigten getragen.
Fundstellen
Haufe-Index 414709 |
BFH/NV 1987, 103 |