Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur einstweiligen Anordnung bei Stundungsbegehren
Leitsatz (NV)
Sind Steueransprüche, deren Stundung vom Steuerpflichtigen begehrt wird, durch Zahlung erloschen, so fehlt es an dem für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung nach § 114 Abs. 1 Satz 1 und 2 FGO erforderlichen Anordnungsgrund.
Normenkette
AO 1977 § 47; FGO § 114 Abs. 1 Sätze 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) war in den Streitjahren 1970 und 1971 als Kommanditist an der Firma B. GmbH § Co. KG (KG) beteiligt, die beim Finanzamt H. (Betriebsfinanzamt) geführt wurde. Aus dieser Beteiligung machte er bei seinen Einkommensteuerveranlagungen für die Streitjahre Verluste geltend, die der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) nicht mehr anerkannte, nachdem das Betriebs-FA der KG für beide Jahre negative Gewinnfeststellungsbescheide erlassen hatte.
Gegen diese Feststellungsbescheide hat die KG Einspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist, und im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt, die erklärten Verluste vorläufig festzustellen und auf die Gesellschafter zu verteilen. Das für die KG zuständige Finanzgericht (FG) hat diesen Antrag zurückgewiesen; die dagegen gerichtete Beschwerde liegt dem Bundesfinanzhof (BFH) zur Entscheidung vor.
Die auf die Verlustanteile entfallende Einkommensteuer, Kirchensteuer und Ergänzungsabgabe des Antragstellers wurde, nachdem das FA die Aussetzung der Vollziehung der Bescheide widerrufen hatte, antragsgemäß mehrfach zinslos gestundet. Mit Verfügung vom 14. Juli 1986 wies das FA einen weiteren auf zinslose Stundung dieser Beträge gerichteten Antrag zurück; die dagegen erhobene Beschwerde liegt der Oberfinanzdirektion (OFD) zur Entscheidung vor, die dem Antragsteller mit Schreiben vom 10. September 1986 lediglich mitgeteilt hat, daß sein Stundungsantrag keine Erfolgsaussichten habe.
Daraufhin stellte der Antragsteller beim FG einen Antrag, ihm die begehrte Stundung im Wege der einstweiligen Anordnung zu gewähren. Nachdem der Antragsteller die Steuerschulden beglichen hatte, lehnte das FG den Erlaß der einstweiligen Anordnung ab, weil kein Anordnungsanspruch gegeben sei.
Dagegen richtet sich die Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat und mit der der Antragsteller die Erstattung und Stundung der bereits gezahlten Beträge in Höhe von 111 629 DM begehrt.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
1. Der Senat teilt die Auffassung des FG, wonach der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zur Stundung von Kirchensteuer nicht zulässig ist, weil im Lande Hessen für Streitigkeiten in Kirchensteuersachen nicht der Finanzrechtsweg, sondern der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist (§ 13 Abs. 1 des Gesetzes über die Erhebung von Steuern durch die Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften im Lande Hessen - Kirchensteuergesetz - vom 27. April 1950, Gesetz- und Verordnungsblatt - GVBl -, 63). Im übrigen ist der Antrag zulässig, soweit er auf einstweilige Anordnung der im Hauptverfahren begehrten Stundung der Einkommensteuer 1970 und 1971 gerichtet ist (BFH-Beschlüsse vom 14. März 1969 III B 17/68, BFHE 95, 264, BStBl II 1969, 379, und vom 21. Januar 1982 VIII B 94/79, BFHE 135, 23, BStBl II 1982, 307).
2. Soweit der Antrag auf Erstattung der bereits gezahlten Einkommensteuer im Wege der einstweiligen Anordnung gerichtet ist, könnte man darin zwar eine dem vorläufigen Charakter des § 114 der Finanzgerichtsordnung (FGO) widersprechende Vorwegnahme der Hauptsache sehen (zweifelnd BFH-Beschluß vom 10. Oktober 1973 I B 56/73, BFHE 110, 392, BStBl II 1974, 34), die im einstweiligen Rechtsschutz des zivilprozessualen Verfahrens nur in Ausnahmefällen zulässig ist. Derartige Leistungsverfügungen (vgl. Jauernig, Zeitschrift für Zivilprozeß - ZZP - 79, 321) oder Befriedigungsverfügungen (vgl. Schilken, Die Befriedigungsverfügung, Berlin 1976) sind jedoch nur in Ausnahmefällen zur Beseitigung dringender Notlagen zulässig. Die Entscheidung der Frage, ob auch § 114 FGO als Rechtsgrundlage für eine derartige, die Hauptsache vorwegnehmende einstweilige Anordnung in Betracht kommen könnte, kann der Senat jedoch dahingestellt sein lassen, weil der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung aus anderen Gründen keinen Erfolg haben kann.
3. a) Das FG hat den Erlaß einer einstweiligen Anordnung in Form einer Stundung der bereits gezahlten, auf die Verlustanteile entfallenden Steuern zu Recht abgelehnt. Dabei konnte dahingestellt bleiben, ob das Begehren auf einstweilige Stundung auf § 114 Abs. 1 Satz 1 FGO oder auf § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO zu stützen ist, denn es fehlt im Streitfall bereits an dem für beide Alternativen erforderlichen Anordnungsanspruch. Die Steueransprüche, deren Stundung der Antragsteller begehrt, sind - wie das FG zutreffend ausgeführt hat - inzwischen durch Zahlung erloschen (§ 47 der Abgabenordnung - AO 1977 -), ungeachtet eines etwaigen Zahlungs- oder Rückforderungsvorbehalts, den die AO 1977 nicht kennt (Hübschmann / Hepp / Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 47 AO 1977 Anm. 7), und der deshalb die schuldbefreiende Wirkung der Zahlung nicht hindert (Hübschmann /Hepp / Spitaler, a.a.O., § 224 AO 1977 Anm. 4). Da somit die Forderungen, deren Stundung begehrt wird, erloschen sind und deren Einziehung nicht - wie dies § 222 AO 1977 voraussetzt - zu einer erheblichen Härte für den Antragsteller führen kann, hat das FG den Antrag auf vorläufige Stundung zu Recht mangels Anordnungsanspruchs abgewiesen.
b) Ein Anordnungsanspruch fehlt aber auch insoweit, als der Antragsteller die Erstattung der von ihm gezahlten Steuern begehrt hat. Ein Erstattungsanspruch steht dem Antragsteller nicht zu. Nach § 37 Abs. 2 AO 1977 setzt die Erstattung von Steuern voraus, daß sie entweder ohne rechtlichen Grund gezahlt worden sind oder daß der rechtliche Grund später weggefallen ist. Dem Antragsteller steht daher ein Erstattungsanspruch erst dann zu, wenn die Steuerbescheide, die Rechtsgrund für die Zahlung waren, geändert werden oder die Vollziehung dieser Bescheide ausgesetzt wird. Beides ist bisher nicht geschehen.
Fundstellen
Haufe-Index 415278 |
BFH/NV 1988, 105 |