Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiordnung eines Notanwalts
Leitsatz (NV)
1. Die Beiordnung eines Notanwalts für ein Verfahren vor dem BFH setzt voraus, daß der Antragsteller glaubhaft gemacht hat, daß er zumindest eine gewisse Zahl von zur Vertretung vor dem BFH befugten Personen vergeblich um Übernahme des Mandats ersucht hat.
2. Legt ein nicht postulationsfähiger Antragsteller Nichtzulassungsbeschwerde ein, so kann ihm bei Mittellosigkeit PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts seiner Wahl -- unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist -- nur gewährt werden, wenn er die Erklärung über seine wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse innerhalb der Beschwerdefrist vorlegt.
Normenkette
BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; FGO §§ 142, 155; ZPO §§ 78b, 114, 117, 121 Abs. 1
Tatbestand
Der Antragsteller hat gemäß "ZPO §§ 78, 114ff." die Beiordnung von Rechtsanwalt M für die Einlegung von Rechtsmitteln u. a. gegen das Urteil des Finanzgerichts mit der Begründung beantragt, der von ihm beauftragte Rechtsanwalt B habe "-- nach Manipulation --" die Vertretung nicht wahrgenommen. Laut Rechtsschutzvertrag sei die "Deckung" gewährleistet.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist unbegründet.
a) Wenn er als Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 78b der Zivilprozeßordnung (ZPO) gedeutet wird, ist er unbegründet, weil die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Notanwalts nicht erfüllt sind. Da gemäß Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) auch vor dem Bundesfinanzhof (BFH) Vertretungszwang besteht, ist § 78b ZPO gemäß § 155 FGO auch im Verfahren vor dem BFH anzuwenden. Nach § 78b ZPO ist dem Beteiligten auf Antrag für das Verfahren vor dem BFH ein Rechtsanwalt zur Wahrnehmung seiner Rechte beizuordnen, wenn er einen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Voraussetzung für die Beiordnung eines Notanwalts ist danach u. a., daß der Antragsteller glaubhaft macht, daß er zumindest eine gewisse Zahl von zur Vertretung vor dem BFH befugten Personen vergeblich um Übernahme des Mandats ersucht hat (BFH, Beschlüsse vom 27. Januar 1988 VIII S 12/87, BFH/NV 1988, 383; vom 9. Dezember 1988 VI S 10/88, BFH/NV 1989, 381; vom 27. November 1989 IX S 15/89, BFH/NV 1990, 503). Der Umstand, daß -- wie vom Antragsteller vorgetragen -- nur ein Rechtsanwalt die Vertretung nicht wahrgenommen hat, erfüllt diese Voraussetzung nicht. Der Antragsteller hätte vielmehr glaubhaft machen müssen, daß er weitere Anwälte um Übernahme des Mandats gebeten hat und diese dessen Übernahme abgelehnt haben.
b) Sofern der Antragsteller die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts seiner Wahl für die Einlegung von Rechtsmitteln gegen das genannte Urteil beantragen will (§ 142 FGO i. V. m. § 114, § 121 Abs. 1 ZPO), ist der Antrag ebenfalls unbegründet. Nach § 142 FGO i. V. m. § 121 Abs. 1 ZPO ist dem Beteiligten, dem PKH bewilligt wird, zwar ein Anwalt seiner Wahl beizuordnen, wenn -- wie im vorliegenden Fall -- gemäß Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG Vertretungszwang besteht. PKH könnte dem Antragsteller jedoch schon deshalb nicht gewährt werden, weil er seinem Antrag die nach § 117 Abs. 2 ZPO vorgeschriebene Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem dafür nach § 117 Abs. 3 ZPO vorgeschriebenen Vordruck (§ 117 Abs. 4 ZPO) nicht beigefügt hat.
Auch die nachträgliche Abgabe dieser Erklärung könnte dem Antrag nicht mehr zum Erfolg verhelfen, weil das ohne Beachtung des Vertretungszwangs (Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG) eingelegte, als Nichtzulassungsbeschwerde anzusehende Rechtsmittel unzulässig ist und damit der Rechtsverfolgung durch den Antragsteller die nach § 114 ZPO erforderliche Erfolgsaussicht fehlt. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die dem Antragsteller hinsichtlich der inzwischen abgelaufenen Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde wegen einer evtl. Mittellosigkeit zu gewähren wäre, kommt hier nicht in Betracht. Um die Wiedereinsetzung erreichen zu können, hätte der Antragsteller zumindest die Erklärung über seine wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse innerhalb der Beschwerdefrist von einem Monat nach der am 24. Mai 1995 erfolgten Zustellung des erstinstanzlichen Urteils (§ 115 Abs. 3 Satz 2 FGO), also mit Ablauf des 26. Juni 1995 (§ 222 Abs. 2 ZPO) vorlegen müssen (vgl. BFH, Beschlüsse vom 25. März 1986 III R 134/80, BFH/NV 1986, 631; vom 26. Februar 1985 VII S 1/85, BFH/NV 1986, 354; vom 26. Mai 1993 II S 8/93, BFH/NV 1994, 121).
Fundstellen
Haufe-Index 420971 |
BFH/NV 1996, 254 |